Das Internet ist ein merkwürdiger Ort, finden Sie nicht auch, liebe Leserinnen und Leser? Einerseits besitzt es eine starke kreative Potenz, bedingt durch seine fast anarchistische Struktur. Jemand fühlt sich als ausgebeutetes, kleines Licht? Nun, im Netz nennt er sich flugs Rambonator_XYZ und verkündet der Welt, was er sonst immer hinunterschlucken musste.
Ein anderer ist eher der Typ »Verkanntes Genie«, der sich seine permanenten Misserfolge nur durch die Ignoranz der Menschheit erklären kann, die nicht in der Lage ist, seine göttlichen Anlagen entsprechend zu würdigen. Das schreit nach Rache! Kein Wunder also, wenn er als Abendländer_076 durch die unendlichen Weiten des WWW surft und tüchtig austeilt. Hat es die Menschheit anders verdient? Oder ihn nicht vielmehr erst erschaffen dadurch, dass sie seiner geistigen Größe keinerlei Tribut zollt?
Schwer haben es auch solche Zeitgenossen, die eine dringliche Botschaft zu überbringen haben. Wahlweise auf Geheiß von Gott, ihrer Inneren Stimme oder dem Fliegenden Spaghettimonster: Eine wie auch immer geartete Höhere Macht mag es gewesen sein, die Two_CCP eingegeben hat, die Menschheit bekehren zu müssen. Ja! Unter all den Milliarden von Menschen, die je auf der Erde gelebt und gegessen haben, ist genau Two_CCP die Auserwählte, die für eine Mutation der kulinarischen Genetik sorgen muss: »Fresst, was ich Euch sage, oder Ihr seid des Todes!«, ruft sie ihren erstaunten Mitlesern zu, nicht, ohne dabei gleichzeitig zu erklären, dass eine höherstehende Ernährung einen moralischen Quantensprung bedeuten würde, einen echten Schub der Menschheit in Richtung Mitgefühl und Humanität.
Es ist eindeutig: Die gegenseitige Missachtung ist zum Volkssport geworden unter den Menschen. Kein Wunder, dass ElPedro_Il_Grande beschlossen hat, es wenigstens darin zur Meisterschaft zu bringen, wenn schon sein Plan, eine Schnapsbrennerei in Irland zu errichten, aus Mangel an Durchhaltevermögen den Bach runtergegangen ist. Und wo ließe sich dies besser in die Tat umsetzen, als im Medium Internet, wo größtmögliche Öffentlichkeitswirksamkeit bei maximaler Anonymität nahezu garantiert erscheinen?
Mag sein, dass sich Rambonator, Abendländer, Two_CCP und ElPedro auf der großen Online-Plattform zum ersten Mal begegnet sind, auf der sie sich heute wie die Axt im Walde benehmen, dabei die Nicks schneller wechselnd als ihre Unterhosen. Vielleicht kennen sie sich auch schon viel länger, aus einem anderen Forum. Dies ist für meine (rein fiktive) Betrachtung ohne Belang.
Irgendwann jedenfalls haben sie sich in den unendlichen Weiten des Webs gefunden und erkannt, dass sie denselben Kampf kämpfen: Eine tödliche Schlacht um die Tragik ihrer verkannten Göttlichkeit. Ja, ein Zeichen müssten sie setzen. Ein Signal, das der Welt zeigt, welch entsetzlichen Fehler sie begangen hat, Rambonator, Abendländer, Two_CCP und ElPedro zu unterschätzen. Warum zum Henker hat Dornröschens Vater auch die Dreizehnte Fee nicht zur Taufe seiner Tochter eingeladen? Nun steht sie da, mit vergifteter Spindel, und wartet auf ihren Einsatz. Oh Göttin, warum nur konnte im Schloss dieses Herrschers keiner ein 13. Gedeck auftreiben? Damit wäre viel Unglück verhindert worden.
Die Antwort ist ganz einfach: Weil es viele Dreizehnte Feen gibt. Ja, die Welt ist voll von Dreizehnten Feen, die aus Verärgerung über diese Missachtung nun ihr Talent zur gnadenlosen Vernichtung entdecken. Rambonator, Abendländer, Two_CCP, El_Pedro und wie sie alle heißen: Sie haben auf eine Einladung gewartet, die nie gekommen ist. Vielleicht hätten sie sich ohne Einladung auf den Weg machen sollen? Erkennen sollen, dass die Welt auf niemanden wartet? Sehen sollen, dass niemand eine Einladung erhält? Und sich die zwölf anderen ebenfalls auf gut Glück auf den Weg gemacht haben?
»Nein. Undenkbar. Eine solch unvollkommene Welt, die es an Ehrerbietung und roten Teppichen fehlen lässt, der geben wir einen mit. Nicht umsonst sind wir die Kampftruppe der Dreizehnten Feen. Kommt, wir ziehen uns vorher ein Pfeifchen aus Psychedelic Mushrooms in die Birne, und dann schlagen wir los.«
Eines jedoch haben unsere Freunde vergessen: Dreizehnte Feen gehören zur meistgesuchten Spezies. Lassen sie sich doch prima für alle möglichen Zwecke einsetzen. Ich persönlich sage: Wenn ich mangels kreativer Möglichkeiten dazu gezwungen wäre, mich mit destruktiven Angelegenheiten zu beschäftigen, würde ich mich mit einer Truppe von Dreizehnten Feen umgeben. Würde mich ihrer Talente bedienen, und viel mehr noch: Ihres Hasses. Nein, merken würden die Unglücklichen das nicht. Vielmehr lebendig würden sie sich fühlen, und vital wie noch nie. »Ja, endlich werden wir gebraucht!«, würden sie sagen, und dabei nicht mal bemerken, dass sie nur benutzt werden. Ab und an würde ich ihnen ein Bonbon zuwerfen und ihnen über den Kopf streicheln: »Gut gemacht!«, würde ich sagen. Und: »Ihr wisst ja: Ihr dient einem höheren Zweck.«
Endlich hätten die Dreizehnten Feen ihr Einsatzgebiet gefunden. Ich persönlich würde sie wie eine Kostbarkeit auf Händen tragen, wenn ich ihrer Dienste bedürfte. Nur mit wirklich wichtigen Angelegenheiten würde ich meine Dreizehnten Feen betrauen, da ich um ihre absolute Unentbehrlichkeit wüsste. Ich würde sie beispielsweise dazu einsetzen, mit all ihren verfügbaren Mitteln gegen die reale Gefahr vorzugehen, die von gelben Badeentchenausgeht.
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Gibt es etwas Widerlicheres und Existenzbedrohenderes als gelbe Badeentchen?Wohl schwerlich, liebe Leserinnen und Leser. Zumindest nicht für die auf großen Internetplattformen vorherrschenden Dreizehnten Feen, die darauf zu achten haben, dass Niveau und Anstand gewahrt bleiben. Wo kämen wir hin, wenn jemand auf einer ernsthaften Seite über gelbe Badeentchen schreiben würde?
»Wir Dreizehnten Feen haben uns unseren Rang hier ernsthaft erarbeitet. Schweiß, Blut und Tränen sind geflossen, bis wir, tragisch-faustisch wie wir sind, das Pixelchaos hier zu der notwendigen Würde geführt hatten, die Grundvoraussetzung für wahres Menschentum ist. Nun komm uns nicht mit gelben Badeentchen, du Hexe!«
Mag sein, dass ich nun in meinen Ausführungen ein wenig ins Märchenhafte abgedriftet bin. Nehmen wir also an, Menschen wie Rambonator, Abendländer, Two_CCP und ElPedro sähen die einzige Spitzenleistung ihres Lebens durch die gelben Badeentchen gefährdet und beschlössen, ein Blutbad unter diesen unschuldigen Kreaturen anzurichten. Virtuell natürlich. Abklicken ist eben eleganter als Tranchieren.
Stundenlang mag der verbissene Kampf gegen die gelbe Gefahr gedauert haben. Vor meinem inneren Auge sehe ich die rot umrandeten Lider unserer Dreizehnten Feen und komme nicht umhin, ihrer Ausdauer Bewunderung zu zollen.
»Eines Tages wird man uns verstehen. Unsere Bemühungen würdigen. Bis dahin halten wir hier die Stellung«, höre ich sie mit zusammengebissenen Zähnen murmeln. Nur Two_CCP, die murmelt nicht. Die kaut verbissen. An einer rohen Karotte. Das Geräusch erinnert ein wenig an einen Zementmischer, deshalb entgeht es mir, was sie genau sagt.
Sie fragen sich, was denn eigentlich gelbe Badeentchen mit geistiger Freiheit zu tun haben? Nun, ganz einfach: Was glauben Sie, werden unsere Dreizehnten Feen mit der bewundernswerten Ausdauer wohl mit den Badeentchen machen, wenn der Prinz eines Tages seinen Job getan und Dornröschen geküsst haben wird?
Klar: In die Badewanne werden sie mit ihnen gehen! Und sich köstlich amüsieren! Und das ist sehr gut so: Sind sie doch in ihrem heroischen Kampf seit gut 100 Jahren dazu nicht mehr gekommen ...
Die Bücher von Ursula Prem