Sonntag, 29. Mai 2011

71 »Abstieg in die Unterwelt«

Teil 71 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Das Tor zur Pyramide
Foto W-J.Langbein
Chavin de Huantar muss einst eine wirklich imposante Anlage gewesen sein. Das gewaltige Portal wurde inzwischen wieder teilweise restauriert. Auf zwei wuchtigen Granitsäulen ruhte einst eine riesige Steinplatte von knapp neun Metern Länge. Rechts und links von den Säulen standen einst sauber geglättete Steinplatten. Ein Erdbeben hat wohl das imposante Ensemble zum Einsturz gebracht. Die Trümmer wurden von Archäologen wieder aufgerichtet.

Einst war hinter dem Toreingang eine Pyramide zu sehen. Sie hatte vermutlich eine Seitenlänge von siebzig Metern und eine Höhe von mindestens fünfzehn Metern. Von der Pyramide ist heute nichts mehr vorhanden. Ihre Überreste liegen unter einem natürlich wirkenden Erdhügel verborgen.

Welchem Zweck die Gebäude von Chavin einst dienten, niemand vermag das zu sagen. Falsch ist die willkürlich gewählte Bezeichnung »Castillo«, was so viel wie »Schloss« oder »Burg« bedeutet. Mag sein, dass die geheimnisvollen Bauten Jahrtausende überstanden. Zerstört wurde der stolze Komplex erst im 20. Jahrhundert ... ausnahmsweise nicht von plündernden Eroberern, sondern von den Naturgewalten.

1919 untersuchte der peruanische Archäologe Julio C. Tello gut erhaltene Bauten. Unzufrieden über seine spärlichen Erkenntnisse reiste er wieder ab. Als der Wissenschaftler 1934 nach Chavin de Huantar zurückkehrte ... waren sie zerstört. Ein meist harmlos dahinplätschernder Bach, so nahm er an, hatte sich kurzfristig zu einem Wassermassen führenden Strom entwickelt und verheerende Verwüstungen angerichtet.

Einer der Abwasserkanäle
Foto W-J.Langbein
Offenbar hatten die Erbauer von Chavin de Huantar von den Gefahren gewusst, die von den Wassermassen aus den Berggipfeln ausgehen können. Sie errichteten nicht nur Pyramiden und Tempel, sie legten auch ein komplexes Schutz-System an. Sie schotteten den Gebäudekomplex mit wuchtigen Steinmonolithen ab. Sie legten Kanäle an, die die sporadisch auftretenden Wassermassen um die Anlage herum führten. Und sie konstruierten ein komplexes Röhrensystem unter den Bauten, das gefährliche Wassermengen unterirdisch ableiten sollte. Es gab Kanäle, die im Falle einer Überflutung mit Gebirgswasser die Fluten sammelten und dann unterirdisch abführten.

Wann versagte dieses System ... und warum? Irgendwann wurde Chavin de Huantar aufgegeben. Die Abwasser-Tunnels wurden nicht mehr gewartet. Verschlammten sie? Wurde das sorgfältig konstruierte System wirkungslos? Allein schon die unterirdischen Abwasserröhren waren eine Meisterleistung der Ingenieurskunst. 1965 wurden erste Galerien unter Chavin de Huantar entdeckt und freigelegt: keine »simple« Kanalisation, sondern ein weiträumiges System von begehbaren Gängen und merkwürdigen Kammern. Noch ist erst ein Bruchteil der Unterwelt erforscht ... von den zugänlichen Gängen und Räumen! Weite Bereiche müssen erst ausgegraben werden, bevor sie erforscht werden können! Wie groß sie sind ... das weiß niemand!

Bunkerartiger Eingang
Foto W-J.Langbein
Mich hat die Unterwelt von Chavin de Huantar mehr fasziniert als die im Schlamm begrabenen Gebäude. Und so suchte ich bei meinen Besuchen immer wieder nach Eingängen zu den mysteriösen Tunneln. Ich wurde mehrfach fündig ... abseits der rekonstruierten Mauern, fern des einst imposanten Tors. Ich bin in mehrere Eingänge geklettert.

Mehrfach musste ich schon nach einigen Metern wieder umkehren, weil wuchtige, von der Decke gestürzte Steinbrocken ein Weiterkommen unmöglich machten. Einmal war der Boden so verschlammt, von eisigem, seitlich hereinquellenden Wasser, dass ich auf eine weitere Erkundung verzichtete.

Großen Eindruck machte auf mich, wie massive Steinbrocken von offensichtlich beachtlichem Gewicht zum Einsatz kamen: als Boden- und Deckenplatten in mannshohen, unterirdischen Gängen, aber auch in mysteriösem Kammern. In einigen Kammern hat man offensichtlich Bodensteine mit großer Gewalt zerschlagen, vielleicht weil man Schätze darunter vermutete? An solchen Stellen kann man erkennen, wie dick solche Bodenplatten oft sind. Der Stein wude von weit her antransportiert.

Tonnenschwere Decksteine
wirken bedrohlich ...
Foto W-J.Langbein
Den Erbauern war gewiss bekannt, dass die Region von Chavin de Huantar häufig von auch starken Erdbeben heimgesucht wurde. So versuchte man, so erdbebensicher wie nur möglich zu bauen. So soll auch manche Mauer erst vor wenigen Jahrzehnten eingestürzt sein, als Chavin de Huantar als »Steinbruch« missbraucht wurde. Steinquader wurden herausgebrochen und weggeschleppt, andere Steine rutschten nach ... Auch sollen manche Eingänge zugeschüttet worden sein, um bösen Geistern den Besuch in der Welt der Lebenden zumindest zu erschweren.

Welchem Zweck zum Teil sehr schmale und dabei sehr hohe Korridore dienten ... niemand vermag das zu sagen. Die Namen, mit denen einzelne unterirdische Tunnelkomplexe versehen wurden, sind willkürlich gewählt.

Da gibt es eine »Galerie der Fledermäuse«. Diese Bezeichnung passt mehr oder minder zu allen Galerien, hausen doch überall Fledermäuse. Ihre Hinterlassenschaften an Wänden und am Boden dürften manchen Besucher abschrecken. Eine weiterer unterirdischer Irrgarten wird als »Galerie des Verrückten« tituliert. Einleuchtender ist die Bezeichnung »Galerie der Treppen« für wieder einen anderen Teil der mysteriösen Unterwelt.

Eine der Kammern
Foto W-J.Langbein
Die »Galerie der Opfergaben« wurde besonders intensiv untersucht. Im Hauptgang wurden unzählige Tonscherben gefunden, die in mühsamer Geduldsarbeit wieder zu fast 700 Keramikgefäßen zusammengefügt werden konnten. Die Tonwaren sind vor vielen Jahrhunderten bewusst zerschlagen worden. Zerschlagen und zersplittert hat man auch Knochen, die mit Erdreich vermengt entdeckt wurden: von Alpakas, Andenhirschen, Beutelratten, Füchsen und Opposums. Gefunden wurden auch zerschlagene Vogelknochen ... und solche von Menschen.

Wurden Mensch und Tier irgendwo oben in der Welt der Lebenden geopfert und zerstückelt? In Sechín – ich darf daran erinnern – gibt es Steingravuren von zerteilten Menschen ... Wurden die so verstümmelten Körper in der »Galerie der Opfergaben« abgelegt? Warum befanden sich fast alle der Knochen im Hauptkorridor der Galerie und nicht in den neun schmalen Kämmerchen? Waren die beengten Räume als Behausungen für Götter oder Geister gedacht, die sich an den im Gang davor liegenden Gaben bedienen konnten? Oder projizieren wir nur unsere Fantasien in Räume und Funde, die wir nicht verstehen können? Suchen wir nur Bestätigung für unser Bild von der Vergangenheit des Menschen?
.
Eine niedrige Passage
Foto W-J.Langbein
Besonders makaber: Die Menschenknochen waren gekocht worden. Gab es rituellen Kannibalismus in Chavin de Huantar, vielleicht in einem Tempel im überirdischen Komplex? Oder fanden grausige Riten in der unterirdischen Welt statt? Oder bereitete man die Opfer als Mahl für Götter oder Geister vor? Wollte man jenen Wesen kein rohes Fleisch zumuten? Warum zerstückelte man die Opfergaben? Falls die göttlichen Wesen in der Vorstellung der Menschen in den in den unterirdischen Kammern hausten: sehr bequem hatten sie es nicht. Die Räume waren sehr schmal, etwa einen Meter, dafür bis zu 2 Meter hoch ... nach unserem heutigen Verständnis recht unpraktisch!

Ich habe zahlreiche Messungen in der »Galerie der Opfergaben« vorgenommen. Der Hauptgang ist bis zu zwei Meter hoch, aber nie breiter als 90 cm! Die Länge beträgt etwa 25 Meter.

Immer wieder enden unterirdische Tunnel abrupt, weil Steinmassen eingebrochen sind. Andere scheinen als blinde Gänge angelegt worden zu sein. Dann heißt es ... umkehren! Immer wieder kommt man an Abzweigungen.. oder besonders niedrige Passagen, die man nur auf dem Bauch kriechend überwinden kann. Und immer wieder versperren Steinbrocken den Weg, warnen vor lebensgefährlicher Einsturzgefahr. Werden wir je Chavin de Huantar verstehen? Es gibt noch sehr viel zu tun für die Forschung!

Platzangst sollte ein Erforscher der Unterwelt von Chavin de Huantar jedenfalls nicht haben ... und auch keine allzugroßen hygienischen Ansprüche stellen!

WJL in der Unterwelt
Foto Ingeborg Diekmann
»Die Lanze zwischen Himmel und Hölle«,
Teil 72 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 05.06.2011



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Samstag, 28. Mai 2011

Freunde

Süße Schwester,
die ich fürchtete und liebte.
Meine Sehnsucht nach Dir,
die mich trug, ist dahin.

Den Boden verlor ich,
aus Angst,
mich zu erkennen,
in Deiner Nähe.

Was ich an Dir liebte,
das hungerte,
was ich an Dir fürchtete,
das brodelt in mir.

So, wie ich Dich liebte,
so werd ich dich hassen.
Wie Seelenverwandte —
konnten wir das zulassen?

Wie warm es auch war,
mit Dir zu träumen.
So süß schmeckte es,
ohne Dich, auch jemand zu sein!

Unsere Nähe, so scheint mir,
war keine Verschmelzung.
Wohl aber Sehnsucht
nach sich selbst.

Die Wärme zwischen uns,
mehr Trost, als die Wahrheit,
von der wir immerzu sprachen.

Am Ende nun
ist jede
für sich
doch allein.

Und die Spiegel,
die wir für einander waren —
die Scherben in unseren Herzen —
ist das jetzt die Wahrheit in uns?

© gcr 1995
 

Freundschaften, sind die wertvollsten Erfahrungen, die man im Leben machen kann. Nicht die Dauer ist entscheidend, sondern die Chancen, die man sich gegenseitig gibt, um aneinander wachsen zu können. So ist es gar nicht ungewöhnlich, dass Freunde, die es ehrlich miteinander meinen, sich auf unterschiedliche Wege bringen, nachdem sie ein Weilchen gemeinsam gegangen sind. 
Seltsam, dass solche Freundschaft niemals endet,
auch dann nicht, wenn man sich jahrelang nicht begegnet. Sitzt man irgendwann wieder gemeinsam, gehen die Gespräche weiter, als wären Minuten vergangen.

Mehr von g.c.roth:
"Fluffige und andere Zeiten"
Heitere und besinnliche Kurzgeschichten, Fabeln und Gedichte





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Freitag, 27. Mai 2011

Björn Haugan - Die Freitagskolumne von Ursula Prem

Björn Haugan und Ursula Prem
nach einer Vorstellung von
»Fidelio« in Dessau
Die Vergangenheit ist allgegenwärtig, seit es Google gibt, das Gedächtnis der Welt. Eigentlich hatte ich etwas ganz anderes gesucht, doch durch einen Zufall stieß ich gestern bei YouTube auf den Namen eines lieben Sängerkollegen, mit dem ich früher oft auf der Bühne gestanden bin. Ob in »Lohengrin« (als Lohengrin und Elsa), »Fidelio (als Florestan und Leonore)« oder diversen Konzerten: Wir haben etliche Schlachten miteinander geschlagen, uns nach 1999, aufgrund unterschiedlicher Lebensläufe, dann aber leider aus den Augen verloren. Mit großer Bestürzung erfahre ich nun, dass Björn Haugan bereits am 8. Januar 2009 in Stockholm verstorben ist.

Björn Haugan lernte ich 1994 kennen, als wir beide am Anhaltischen Theater in Dessau unser Rollendebüt in Beethovens »Fidelio« gaben. Für mich war es die erste ganz große Rolle überhaupt, und ich bin bis heute froh, dass Björn dabei mein Partner war. Selten habe ich einen uneitleren, humorvolleren Menschen kennen gelernt. Der Sohn norwegischer Eltern wurde am 5. September 1942 in Schweden geboren und lebte bis zuletzt in Stockholm. Seine Ausnahme-Heldentenorstimme berechtigte ihn zu großen Hoffnungen, doch stures Karrierestreben war Björn Haugan fremd. Gerne erzählte er von seiner Zeit als Backgroundsänger diverser Pop-Stars. Den endgültigen Weg als Solist auf der Opernbühne beschritt er erst relativ spät in seinem Leben, was dazu führte, dass seine Stimme auch in großen Rollen jugendlich-frisch klang, wobei sie gleichzeitig ein enormes Volumen aufwies.

Gerade in derart stressbehafteten Berufen wie dem des Opernsängers sind Kollegen wie Björn eine Wohltat. Er hat es immer verstanden, angespannten Situationen durch einen guten Witz die Schärfe zu nehmen. Geradezu legendär war die Fähigkeit des Weitgereisten, andere Menschen mit den kulinarischen Besonderheiten der ganzen Welt vertraut zu machen. Und zwar bevorzugt mit den eher gewöhnungsbedürftigen. Eines Tages brachte er eine Dose Surströmmings mit auf eine Party. Diese Spezialität aus Schweden ist dazu angetan, mit dem puren Öffnen der Dose einen Raum schlagartig zu leeren, da der Geruch des vergorenen Fisches einfach nur unbeschreiblich ist. Dazu brachte er eine Runde Root-Beer in Dosen mit. Eine Kombination, die den Appetit der Party-Gäste schlagartig auf Null sinken ließ.

Björn liebte eben Witze aller Art, auch auf künstlerischem Gebiet. Und so passt es sehr gut zu ihm, dass auf YouTube ein Video zu finden ist, in dem er mit »Isoldes Liebestod« zu hören ist, einem absoluten Renommierstück für dramatische Sopranistinnen …



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Sonntag, 22. Mai 2011

70 »Chavin de Huantar, das Geheimnis der Anden«

Teil 70 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Hier geht es nach Chavin de Huantar
Foto W-J.Langbein
In den Hochanden des nördlichen Peru gibt ein geheimnisvoller Tempel der Wissenschaft seit Jahrzehnten Rätsel auf. Wiederholt war ich vor Ort. Wiederholt kroch ich in die gefährliche Unterwelt von Chavin, hoch in der peruanischen Bergwelt. Meine Überzeugung: Der Jahrtausende alte Komplex wurde um ein meterlanges, steinernes Kult-Objekt herum gebaut. Diese nur wenige Meter hohe steinerne Lanze verbindet die »Unterwelt« mit der »Oberwelt« des Tempels von Chavin de Huantar. Sie erinnert mich an den Lebensbaum aus uralten Mythen, an die Irminsul der Germanen. Stellte sie die Verbindung zwischen Erde und Himmel dar, so wie der Turm zu Babel der Bibel?

Am besten ist die »Unterwelt« erhalten, ein komplexes, unübersichtliches System aus unterirdischen Gängen, ein Labyrinth der unübersichtlichsten Art. Wirklich erforscht wurde es bis heute nicht. Wir müssen bedenken: die heutigen »modernen« Straßen in die Hochanden Perus muten halsbrecherisch an. Vor Jahrzehnten oder gar vor einhundert und mehr Jahren war Chavin fast unerreichbar. Expeditionen in die fremde Welt waren lebensgefährlich.

Begegnung am Abgrund
Foto W-J.Langbein
Schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts versuchte der Archäologe Ernst Wilhelm Middendorf, die Ruinen zu ergründen. Sie waren damals der einheimischen Bevölkerung als altes Mauerwerk ohne besonderen Wert bekannt. Menschen hausten in uraltem Gemäuer, nutzten Tunneleingänge als Keller. Altes Gemäuer wurde mit Hütten und einfachen Steinhäusern überbaut.

1923 und 1942 setzte Julio C. Tello die Arbeiten fort. Chavin de Huantar sei ein bedeutsames Zentrum südamerikanischer Urkulturen. Mag sein, dass der Wissenschaftler dem Rätsel Chavin de Huantars auf der Spur war ... 1945 machte eine gewaltige Katastrophe die gesamte archäologische Erforschung der uralten Stätte zunichte. Eine gewaltige Schlammlawine verwüstete alles. Sie begrub alles, was dem Vergessen wieder mühsam entrissen werden sollte, unter einer meterdicken Schicht. Und so zieht es nicht viele Besucher nach Chavin de Huantar, die furchteinflößenden Serpentinen schrecken doch sehr ab....

Seit Jahrzehnten bereise ich die Welt, stets auf der Suche nach den großen Geheimnissen unserer Vergangenheit. Nirgendwo sonst fühlt man sich so urplötzlich auf einen unwirtlichen, fremden Planeten irgendwo in den Tiefen des Alls versetzt wie in den Anden Nordperus. Sobald man die moderne Küstenstraße verlassen hat, dringt man in eine fremdartige Welt vor. Sobald man sich in die Berge aufmacht, sind Karten allenfalls nur bedingt vertrauenswürdig. Selbst eigene Erkenntnisse von früheren Reisen können schon längst wieder überholt sein. Moderne Teerstraßen können sich nur wenige Jahre später in Schotterpisten verwandelt haben, auf denen man nur sehr langsam vorwärts kommt. Offenbar wird immer wieder am Material gespart. Teerstraßen mögen noch so vertrauenswürdig aussehen, die manchmal nur hauchdünne Schicht des Belags kann sehr schnell abgefahren sein.

Gewöhnungsbedürftig ist auch der Umstand, dass man von der Panamericana-Küstenstraße aus – Höhe Null über dem Meeresspiegel – in kürzester Zeit auf steilen Serpentinen in Höhen vordringen muss, die man sonst nur im Flugzeug erreicht. Und das auf oftmals ungeteerten Schotterstraßen.

Einsamkeit in den Hochanden
Foto W-J.Langbein
Meine bevorzugte Route: Trujillo - Huaraz (Zwischenstopp in den Ruinen von Sechín) – Catac – Chavin de Huantar. Wie man auch fährt, man kommt nicht umhin, sich auf furchteinflößenden Serpentinen in die Hochanden hinauf zu quälen. Die Straßen sind extrem schmal, meist nur einspurig befahrbar. Auf der einen Seite geht's fast senkrecht bergab in die Tiefe, auf der anderen senkrecht empor. Wer schon einmal auf so einer Straße im Bus – oder einem PKW – einem entgegenkommenden Bus begegnete, weiß, was Angst im Straßenverkehr bedeutet. Lebensgefährliche »Ausweichmanöver« sind hier an der Tagesordnung. Beherzt setzen Busfahrer im Rückwärtsgang zurück, bis sie eine etwas »breitere« Stelle erreichen, an der die beiden Busse einander passieren können. Wer dann im Bus außen sitzt, kann senkrecht in den Abgrund blicken.

Immer wieder kommt es zu Unglücken, kommen PKWs, LKWs oder Busse von der Fahrbahn ab und stürzen in die Tiefe. Überlebende gibt es dann so gut wie nie. Längst werden keine Kreuze mehr für einzelne Tote angebracht, sondern für zerschmetterte Busse ...

Von Catac aus geht es in die Bergwelt der »Cordillera Blanco«. Wir fahren durch den Nationalpark Huascaran. Auf einer Höhe von fast 4000 Metern lädt die malerische »Laguna Querococha« zu einer kurzen Pause ein. Längere Zwischenaufenthalte sollte man meiden. Denn man weiß nie, ob man Zwangspausen einlegen muss ... etwa wenn Gerölllawinen die schmale Straße unpassierbar machen.

Laguna Querococha
Foto W-J.Langbein
Von Catac aus sind es »nur« noch 70 Kilometer bis nach Chavin. Nach 38 Kilometern erreicht man das »Nadelöhr« der Strecke: den Kahuish Tunnel ... auf einer Höhe von 4510 Metern. Einen halben Kilometer ist er lang ... fünfhundert lange Meter entsprechen hier einer gefühlten Unendlichkeit. Auch der Tunnel ist nur einspurig. Eine Ampelanlage wäre mehr als hilfreich, existiert aber nicht. Begegnen sich in seinem pechschwarzen Schlund zwei Vehikel, dann muss rückwärts zum Ausgang zurückfahren, wer der Ein- oder Ausfahrt am nächsten ist. Nicht selten werden irgendwo im Tunnel hitzige Diskussionen geführt, wer denn nun zurückstoßen muss.

Der Begriff »Tunnel« führt leicht zu falschen Vorstellungen ... die Röhre vom Kahuish-Pass erinnert mehr an einen Bergwerksschacht. Zeitweise gibt es elektrisches Licht, die Lampen fallen – so vorhanden – meist aus. Die bis zu knietiefen Schlaglöcher werden offenbar nur sporadisch ausgebessert. Von den Seiten und der Decke prasseln immer wieder Felsbrocken auf die Fahrbahn herab. Wasser tropft von der Decke oder quillt aus Spalten in den Wänden. Manchmal sprudelt plötzlich eine kraftvolle Quelle aus dem Dunkel und überschwemmt die »Angsttraumstraße« (Erich von Däniken).

Hat man den Tunnel passiert ... geht es wieder steil bergab: ins Tal von Mosna, zum Dörfchen Machac. Von hier aus erreicht man »bequem« den Tempel von Chavin de Huantar zu Fuß ... Die Schlammlawine von 1945 hat alles, was an überirdischen Ruinen noch vorhanden war, mit einer meterdicken Schicht bedeckt. Mauern, die noch standen oder von Archäologen mühsam rekonstruiert worden waren, wurden umgestoßen und begraben. Eingänge zur Unterwelt wurden verschlossen. So türmt sich heute ein »Hügel« über einer der wohl rätselhaftesten Ruinen unseres Planeten.

5Imposantes Mauerwerk von
Chavin de Huantar
Foto W_J.Langbein
Inzwischen wurden einige wenige der Außenmauern der Tempelanlage rekonstruiert. Sie lassen erahnen, von welch beeindruckender Größe der überirdische Teil von Chavin de Huantar einst war.

Schlamm drang in so manchen unterirdischen Gang ein und füllte ihn. Und doch blieben kilometerlange Tunnel in der Unterwelt erhalten ... und passierbar.

Fledermäuse haben die Unterwelt in Beschlag genommen. Wer den unterirdischen Teil von Chavin de Huantar erkunden möchte, darf keine Angst vor diesen Tierchen haben. Menschen mit empfindlichen Nasen sollten auf eine solche Tour verzichten, streckenweise stinkt es erbärmlich. Ein Erkundigen der Unterwelt, fernab der für Touristen abgesicherten Passagen, ist zudem alles andere als ungefährlich. Teil der Gänge sind eingestürzt, andere können jeden Moment neugierige Besucher begraben.


»Abstieg in die Unterwelt«,
Teil 71 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 29.05.2011

Samstag, 21. Mai 2011

Sylvia B. »Hund und Katze«

Illustration: Sylvia B.
wer kam darauf
wie hund und katze
wenn zwei
im dauerstreit
verharren

Du solltest sie sehen
meinen hund
und meine katze
friedlich schlafend
aneinander gekuschelt

sie fressen ein futter
aus einem napf
sie spielen zusammen
sie raufen sich

und ich kann sehen
wie sie sich mögen
sie sind gute freunde
die beiden

würden sich doch
auch die menschen
so gut verstehen
wie mein hund
und meine katze

aus: »der tiger am gelben fluss« Sylvia B.




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Freitag, 20. Mai 2011

Neokolonialismus – Die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Die Botschaft, die Frank-Jürgen Weise, der Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, dieser Tage überbringt, ist ein dicker Hund. Da die Nachrichten der letzten Zeit jedoch mit vielen dicken Hunden durchsetzt waren, bleibt der große Aufschrei offenbar aus.

Um den Fachkräftemangel in Deutschland zu beheben, bräuchten wir 2 Millionen qualifizierter Zuwanderer, lässt Weise uns wissen. Andernfalls drohe uns eine Dämpfung des Wirtschaftswachstums. (Quelle: WELT)

Unwillkürlich fällt mir in diesem Zusammenhang die Sache mit den »Computer-Indern« ein, die schon vor Jahren dringend benötigte Programmierer nach Deutschland bringen sollte. Wenn ich mich recht erinnere, ist die Aktion ein Schuss in den Ofen gewesen, denn die meisten der Angeworbenen zog es nach nicht allzu langer Zeit zurück in ihr Heimatland. Indien, das Land der unerschöpflichen IT-Talente, ist inzwischen selbst auf dem aufsteigenden Ast, und die Gründe für hochqualifizierte Fachkräfte, ihrem Land den Rücken zu kehren, werden von Jahr zu Jahr weniger. Woher also zwei Millionen Fachkräfte nehmen, die überhaupt bereit wären, nach Deutschland zu kommen?

Da hilft nur eins: Weltweit tätige Talentscouts müssen jeden Winkel der Erde absuchen und Ausschau halten. Dabei sollten sie vor allem die Entwicklungsländer nicht aus den Augen lassen. Die wenigen gut ausgebildeten Leute dort sind hungrig auf Lebenschancen, wie Deutschland sie ihnen bieten kann. Wir sollten also keine Scheu haben, die klügsten Köpfe abzuwerben, denn damit würden wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Unser Fachkräftemangelproblem wäre gelöst, und die Entwicklungsländer würden wirksam am eigenen Aufstieg gehindert. Gut so, dann können sie unserer florierenden Exportindustrie wenigstens auch in Zukunft nicht Konkurrenz machen.

Kurz gesagt: Die Idee des massenhaften Anwerbens von Fachkräften aus dem Ausland ist Neokolonialismus der übelsten Sorte. Waren es bisher hauptsächlich Billigrohstoffe, die wir aus Entwicklungs- und Schwellenländern bezogen haben, so sollen wir von dort jetzt wiederum holen, was uns inzwischen so dringend fehlt: menschlichen Geist.

Apropos Geist …
… sind wir schon so weit abgesackt, dass wir nicht mehr erkennen können, warum es unmöglich zu sein scheint, benötigte Fachkräfte in Deutschland auszubilden? Ist die einfachste Lösung: geistigen Raubbau an anderen Ländern zu betreiben, wirklich das einzige Mittel der Wahl?

Unsere Schulen verderben inzwischen so vielen jungen Menschen den Start ins Leben, dass es nur noch zum Weinen ist. Wer nicht ins Schema passt, steht schnell vor einer undurchdringlichen Mauer, die ihm solchen Frust bereitet, dass er in ein Nischendasein ausweicht. Tragischerweise sind es oft gerade die klugen Köpfe, die den Wahnsinn am schnellsten durchschauen und sich komplett verweigern. An diesen Stellen hätten wir die uns fehlenden Fachkräfte zu suchen. Stattdessen schweifen wir in die Ferne, um uns den hiesigen Problemen nicht stellen zu müssen.

Parken wir also weiterhin unsere jungen Menschen vor einem verblödeten Fernsehprogramm und sorgen wir für genügend qualifizierte Zuwanderung. Schließlich sollten die Beherrscher der Welt es nicht nötig haben, irgend etwas selbst zu tun …

Das neue Kinderbuch von Ursula Prem
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Mittwoch, 18. Mai 2011

Buchneuerscheinung: »ABC Walpurgisnacht!« von Ursula Prem


ABC Walpurgisnacht!
von Ursula Prem
Das Büchlein »Einmaleins Walpurgisnacht!«, das Kindern seit 2009 beim Auswendiglernen des Kleinen Einmaleins hilft, erfreut sich wachsender Beliebtheit. Nun gibt es einen zweiten Band:

»ABC Walpurgisnacht!« beschäftigt sich mit dem Alphabet.

Wieder feiern die Hexen Walburga, Fraxinia, Amalie, Aradia, Pimpinella, Wakanda, Clothilde, Kreszenzia, Morgan und Aglaja Walpurgisnacht. Diesmal soll ein großes Festmahl stattfinden. Doch die Vorbereitungen sind gar nicht so einfach: Aradias Versuch, eine zünftige Hexensuppe zu kochen, hat eine schwere Explosion zur Folge. Wer nun denkt, die Hexen ließen sich durch solche Kleinigkeiten von einer ausgelassenen Walpurgisfeier abhalten, unterschätzt die Macht alphabetischer Zaubersprüche …

»ABC Walpurgisnacht!« ist ein witziges Vorlesebuch für Kinder im Vor- und Grundschulalter. Acht Mal begegnet ihnen dabei das gesamte Alphabet in Reimform, sodass sie nicht nur mit der richtigen Buchstabenfolge vertraut werden, sondern auch Sprachgefühl und Wortschatz sich entscheidend erweitern.


- Leseprobe, Kapitel 1 -

Hexensuppe

Still lag der Blocksberg vor Aradia, die gerade auf ihrem Besen angeflogen kam. Wie sie die Walpurgisnacht liebte! Schon Tage zuvor hatte sie an nichts anderes mehr denken können, als an das alljährliche Treffen mit ihren Hexenschwestern. Sie flog eine schwungvolle Wendung und landete, ehe sie vom Besen abstieg.
»Ist noch gar niemand hier?«, rief sie erwartungsvoll, ließ den Blick schweifen und ordnete sorgfältig ihre Kleider.

Um sie herum blieb alles ruhig. Na ja!, dachte sie schulterzuckend. Die werden schon bald kommen. Inzwischen bereite ich alles vor. Aradia zog den Zauberstab aus ihrer Rocktasche, stellte sich in die Mitte der
Plattform und sprach: »Wohlan!

Adler, Affe, Alberei,
Und schon kommt das Holz herbei.
*
Braunbär, Bisamratte, Brett:
Walpurgisnacht ist richtig nett!
*
Cäsar, Circus, Cerberus,
Das Holz zu stapeln ist ein Muss.
*
Daunen, Dotter, Distelblüte,
Zaubern mich noch niemals mühte.
*
Esche, Elch und Elefant,
Ein Zeichen nur mit meiner Hand,
*
Fliege, Flamme, Fledermaus:
Das Feuer brennt, hoch wie ein Haus.
*
Grashalm, Geist und Geige,
Ich bin gar nicht feige,
*
Hase, Herz und Hirschgeweih,
Viele Steine: Kommt herbei!
*
Igel, Iltis, Instrument,
Seht nur, wie das Feuer brennt!
*
Jacke, Jux und Juwelier:
Den Kreis aus Steinen bau ich hier.
*
Krake, Katze, Kissen,
Jetzt möchte ich nur wissen:
*
Lampe, List und Leine:
Wo der Tisch erscheine?
*
Marder, Mäuse, Melodie:
Hier auf dem Fels stand er noch nie!
*
Natter, Nordpol, Netz und Nest:
Der Tisch soll stehen, steif und fest!
*
Orgel, Otter, Osten,
Der Topf, der darf nicht rosten!
*
Pappe, Pech und Puppe,
Drum füll' ich ihn mit Suppe.
*
Quelle, Qualle, Quasselstrippe,
Bald kommt meine Hexensippe!
*
Rose, Reifen, Ringelblume,
Zu Aradias ew’gem Ruhme.
*
Seife, Sand und Socken,
Die Suppe wird euch locken!
*
Teller, Tasse, Tau,
Sie ist noch etwas lau.
*
Ufer, Uhr und Ulkerei,
Ich würze sie mit Spinnenei.
*
Viereck, Vogelhaus, Verseh’n,
Die Suppe will daneben geh’n!
*
Wasser, Warze, Wald und Wein,
Ein Krötenauge muss hinein!
*
Xenia, Xaver, Xylophon:
Das gibt ‛ne nette Explosion!
*
Yucca, Yoga und Yvonne,
Ich hoffe, ich komm’ heil davon!
*
Zwerge, Ziege, Zaun und Zopf:
Jetzt ist er explodiert, der Topf!«

©2011, Ursula Prem





Montag, 16. Mai 2011

Udo Lindenberg: Ein »Rock’n’ Roller feiert Geburtstag


Author =www.promiflash.de
Wikimedia 
Udo Lindenberg wie wir ihn kennen: mit schwarzem Mantel, Hut und Sonnenbrille. An diesem Image hält er seit vielen Jahrzenten fest, egal wo er mit seinem Panikorchester auftritt. Sein berühmtes »Nuscheln« und die Wölbungen seiner Lippen sind uns bestens vertraut. Udo ist beliebt, trotz seiner früheren gewöhnungsbedürftigen Auftritte. Exzesse liegen lange zurück. Udo hat sich verändert und kommt so gut an, wie eh und je. Viel hat er erreicht mit seinen Liedern, mit denen er stets etwas aussagen will.

Schon als Kind entwickelte er ein Gefühl für Rhythmus. Bis er sein erstes Schlagzeug bekam, mussten Benzinfässer herhalten. 1969 trat er als Schlagzeuger in einer Folk-Rock-Band, den City Preachers, ein. Kurz danach gründete er seine erste eigene Band. Am Anfang seiner Karriere sang Udo Lindenberg englisch.

Sein Durchbruch gelang ihm mit seinem deutschsprachigem Album »Andrea Doria«. Mit seinem Lied »Sonderzug nach Pankow« schaffte er mit Honeckers Genehmigung einen Auftritt in der ehemaligen DDR. Das war für die damaligen politischen Verhältnisse ein großer Erfolg. Viele weitere Songs folgten. Udo Lindenberg erlebte Höhen und Tiefen. Seine Tiefs hat er längs überwunden und schwimmt auf der obersten Welle. Udo, die Rocklegende, ist zurück.

Selbstbildnis von Udo Lindenberg
aus dem Archiv von W.-J. Langbein
Das Musical »Hinterm Horizont« läuft zurzeit im Stage Theater in Berlin. Wenn man ihn sieht, merkt man, dass er gut drauf ist und rundum zufrieden scheint. In der Zeitschrift »Mobil« konnte ich lesen, dass Udo nicht, wie man vermutet, hinter seiner dunklen Brille, verquollene, müde Augen hat. Nein! Es seien schöne blaue Augen, mit klarem gutherzigem Blick. Na also, Udo ist unser Bester!

Er ist nicht nur Musiker, sondern auch Autor und Maler. Bücher und Zeichnungen wurden von ihm veröffentlicht. Selbst als Filmproduzent hat er sich behauptet.

Der Vorplatz des einzigartigen Rock’n’Pop-Museums in Gronau wurde nach Udo Lindenberg benannt.
Das Museum wurde 2004 gebaut und erzählt Rock- und Popgeschichte des 20. Jahrhunderts. Außerdem erhielt Udo auf der Hamburger Reeperbahn einen Stern (»Walk of Fame«), eingelassen, in den Gehweg.

In seiner Autobiografie finden Sie viele Abschnitte seines Lebens.

Udo Lindenberg ist politisch angagiert. Seine Texte handeln von Themen unserer Zeit, mit denen er seine Weltanschauung zum Ausdruck bringt. 2006 gründete er eine eigene Stiftung mit kulturpolitischem Engagement. Nachwuchsbands mit deutschen Texten werden von dieser Stiftung durch Wettbewerbe gefördert.

Udo Lindenberg wurde 1946 in Gronau (Westfalen) geboren und hat zwei Geschwister, eine jüngere Schwester und einen älteren Bruder, der bereits 2006 verstorben ist.

Am 17. Mai feiert er seinen 65. Geburtstag. Dazu wünscht das Team von »Ein Buch lesen« alles Gute und weiterhin viel Erfolg!

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Sonntag, 15. Mai 2011

69 »Das Gruselkabinett von Sechín«

Preisausschreiben: Nehmen Sie noch bis 26. 06. teil und gewinnen Sie 3 x 1 Exemplar des Buches »2012 - Endzeit und Neuanfang« von Walter-Jörg Langbein

Teil 69 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von
Walter-Jörg Langbein
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Hätte ich nur ein Taxi genommen, dachte ich immer wieder. Warum musste ich auch dieses supergünstige Angebot annehmen ... Ich würde in einem Bruchteil der Zeit mit dem Flugzeug der Küste entlang förmlich meinem Ziel entgegen schweben. Dann kam es ganz anders als gedacht ... Der Flug von Lima nach Chimbote wurde zum reinsten Höllenritt. Die kleine Propellermaschine sackte mehrfach ab. Mein Magen sauste wie im Expressaufzug abwechselnd bis unter meine Schädeldecke oder in meine Füße. Und immer, wenn die kleine Maschine wie von unsichtbaren Fäusten getroffen wie ein störrischer Esel zur Seite geworfen wurde, lachte mein Pilot nur auf. Dann klatschte er sich mit der flachen Hand auf den Magen. Auf dieses Zeichen hin musste ich ihm eine dunkelbraune Flasche reichen, aus der er einen gewaltigen Schluck nahm. »Meine Magenmedizin..« kicherte er vor sich hin. Hätte ich doch nur ein Taxi genommen... dachte ich. Ich muss zugeben: Meine Angst wuchs von Minute zu Minute... und erreichte ihren Höhepunkt bei der Landung auf einer Art Feldweg außerhalb von Chimbote. Dankend lehnte ich das Angebot meines tüchtigen Piloten ab, mich gegen ein »kleines Trinkgeld« - wohl für die »Magenmedizin« - bis nach Llata zu fliegen. Ich nahm dann doch lieber ein Taxi.

Die Monstermauer vor dem Berg
W-J.Langbein
Von Llata war es nur noch ein Katzensprung zur vielleicht ältesten Tempelanlage Perus, vielleicht sogar Südamerikas. Die Hitze war unerträglich, als ich die letzten Schritte zu Fuß ging. Schwer zerrte meine Kameratasche mit meinen beiden Fotoapparaten an der Schulter. Ein schmutzig-brauner Hügel wirkte wenig einladend. Ich ging auf diesen kleinen Berg in der Wüste zu. Und stand plötzlich vor einer wahren Monstermauer. Bis zu vier Meter ist sie hoch. Zusammengesetzt wurde sie aus mächtigen Monolithen, zwischen die wuchtige Steinplatten eingesetzt wurden. Monolithen wie Platten sind mit Hunderten von kräftig ausgeführten Gravuren bedeckt. Diese Darstellungen sind es, die die Mauer zu einem Panoptikum des Grauens machen.

1937 hat der berühmte Archäologe Julio César Tello erste Ausgrabungen durchgeführt. Schnell, und wohl etwas voreilig, versah der renommierte Wissenschaftler die ersten Funde mit dem Etikett »Chavinkultur«. Für ihn stand fest: Sechín entstand um 1700 vor Christus. Ich erinnere mich sehr genau an eine Begegnung der unangenehmen Art... Ich nähere mich, müde von der Hitze, der Monsterauer von Sechín. Hinter einem wuchtigen Stein taucht ein ältlicher Archäologe mit grauem Bart auf. Argwöhnisch mustert er mich, tritt mir energisch entgegen. Wenn ich keine Grabungs-Lizenz vorzuweisen hätte, so möge ich umgehend wieder verschwinden.

Ein Opfer ohne Beine -
abgeschlagene Schädel
Foto W-J.Langbein
Milde lächelnd antworte ich: »Mein Sohn, ich bin kein Archäologe... Ich bereise als Theologe die Welt ...« Der Archäologe blickt mich besorgt an. »Diese Wand ist nichts für schwache Nerven ...« Und schon führt er mich von Gravur zu Gravur, erklärt Bild für Bild. Die Mauer zeige, so erfahre ich eine Prozession der Sieger. Vielleicht sind es Krieger, die aus einer Schlacht nach Hause zurückkehren. Vielleicht sind es aber auch Opferpriester, die ihren Göttern auf grausige Weise gehuldigt haben.

In der wissenschaftlichen Literatur ist man sich nicht einig, ob darauf geistliche Zeremonienmeister oder weltliche Kämpfer zu sehen sind. Keinen Zweifel aber gibt es, dass neben den Mächtigen die Schwachen, neben den Gewinnern die Verlierer dargestellt wurden.... die Opfer! Grausamste Szenen sind da fast wie Einzelbilder eines Horrorfilms aneinandergereiht. Da hat man einen Mann in zwei Teile gehackt, einem anderen hat man die Beine abgeschnitten. Unzählige Opfer wurden enthauptet. Man hat ihre abgeschlagenen Schädel aufgetürmt zu blutigen Bergen des Triumphs, für einen zornigen Gott oder einen grausamen Regenten. Besonders häufig waren abgetrennte Köpfe zu sehen, aus denen Fontänen von Blut spritzten. Galt das Blut als Sitz der Lebenskraft und somit als besondere Opfergabe?
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Ausgestochene Augen (links),
abgetrennte Arme und
Köpfe (rechts)
Foto W-J.Langbein
Texte haben die Erbauer der Anlage von Sechín keine hinterlassen, zumindest wurden bis heute keine entdeckt. So sind wir – noch – auf Vermutungen und Theorien angewiesen. »Die Opfer wurden nicht nur getötet, sie wurden grässlich verstümmelt...« erklärt mit beredt der Archäologe. »Man hat ihnen die Arme abgehackt und die Augen ausgestochen. Sie sollten im Jenseits hilflos sein, nicht sehen können...« Ich frage: »Wollte man so verhindern, dass sich die Toten als Geister rächen?« Das sei durchaus möglich.

Ich bin skeptisch, was die Rekonstruktion der Mauer angeht. Man war ja gezwungen, die uralten Brocken wieder zusammenzufügen... ohne dass man sich nach einer alten Vorlage hätte richten können. Der Archäologe pflichtet mir bei. »In welcher Reihenfolge die einzelnen Figuren ursprünglich zu sehen waren, wissen wir natürlich nicht. Aber keinen Zweifel gibt es daran, wer Sieger und wer Verlierer war!«

Interpretieren wird heute richtig, was da vor Jahrtausenden dargestellt wurde? Sammelten die Sieger von einst Augen und Rückgrat-Wirbel als Trophäen ihrer blutigen Erfolge? Oder sind wir voreingenommen, suchen wir nach Bestätigung für unser Bild von den blutrünstigen »Wilden«? Wir sollten nicht vergessen: Die »christlichen« Entdecker und Eroberer haben bei ihren brutalen Kriegen gegen die Ureinwohner Perus weitaus schlimmer gewütet als die sogenannten »Wilden«!
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Zerteiltes Opfer (links) und abgetrennte
Schädel (rechts) Foto W-J.Langbein
1937 hat der Archäologe Julio César Tello Sechín auf die Zeit um 1700 vor Christus datiert. »Mein« Archäologe widerspricht. Da ich offenbar kein neidischer Konkurrent, sondern ein biederer Theologe bin, wird er immer gesprächiger. Es sei erst ein Bruchteil der einstmals riesigen Anlage von Sechín ausgegraben. Dabei handele es sich wohl um den jüngeren Teil. Der weitaus ältere müsse erst noch wissenschaftlich erfasst werden. Ich erfahre von der ältesten Schicht von Sechín... von einer wahrscheinlich gigantischen Pyramide, die aus monströsen Steinquadern aufgetürmt wurde... »vor mehr als fünf Jahrtausenden«.

In einer jüngeren, zweiten Bauphase habe man den unteren Teil der Pyramide als Fundament für einen Tempel verwendet... »Und wo befinden sich die Überreste der Pyramide?« Der Archäologe deutet mit dem Finger auf einen scheinbar natürlichen Hügel. »Unter diesem Haufen befindet sich die größte Sensation Südamerikas...«

Er zeigte mir stolz einige mächtige roh zugehauene und oberflächlich polierte Steinquader. »Davon gibt es riesige Mengen! Tausende habe ich gesehen! Sie wurden mit unglaublicher Präzision zu einer Pyramide zusammengefügt. Und das zu einer Zeit, als man in Ägypten noch nichts Vergleichbares zuwegebrachte!«

Aufgetürmte Schädel
Foto W-J. Langbein
Kühne Behauptungen... denke ich und habe so meine Zweifel. So mancher Forscher wähnte sich schon als Entdecker der großen Sensation... und wurde bitter enttäuscht. So mancher »Forscher« hat mich auf meinen Reisen auf vermeintliche Sensationen hingewiesen. Am 19.10.2006 bestätigte »Welt online« (1): »Deutsche Forscher finden riesige Pyramide in Peru. Im Casmatal im nördlichen Peru graben Berliner Archäologen gewaltige Spuren der ältesten Zivilisation Südamerikas aus. Die frühen Amerikaner bauten vor 5000 Jahren bis zu 100 Meter hohe Stufenpyramiden – und alles ohne Bagger.«

Und weiter heißt es im Bericht der renommierten Zeitung: »In Sechín Bajo im Casmatal, 370 Kilometer nördlich der peruanischen Hauptstadt Lima, stießen deutsche Archäologen auf Reste eines Bauwerks, dessen Fundamente mehrere hundert Meter im Quadrat ausmachen. Geschätzte Höhe: 70 bis 100 Meter. Doch nicht nur seine Maße, auch das Alter des Monumentalbaus, machen ihn zu einer Sensation: Geophysikalische Untersuchungen datieren den Komplex auf ein Alter von 5200 Jahren. Damit wäre es der älteste Steinbau Amerikas.«

Die Prozession an der Monstermauer von Sechín stellt – aus unserer Sicht – so etwas wie ein prähistorisches Gruselkabinett dar. Wurden die Gravuren von Künstlern geschaffen, die einer sterbenden Kultur angehörten? Wie weit zurück in der Geschichte mögen die ersten Anfänge dieser Kultur liegen, wenn sie vor mehr als 5000 Jahren eine große Pyramide hervorbrachte? Vieles spricht dafür, dass es in Peru eine uralte Kultur gab, die älter als die ägyptische ist! So wurden nicht nur in Sechín, sondern auch in anderen Flussoasen in der peruanischen Küstenwüste Hinweise auf riesige Bauwerke entdeckt, für die riesige Massen Steinmaterial verarbeitet wurden. In manchen wurden offenbar bis zu 100.000 Tonnen Stein verbaut. Der Ethnologe Hanns J. Prem ist überzeugt: Es gab eine »zentrale Autorität noch unbestimmbarer Form«.

Krieger oder
Opferpriester?
Foto W-J.Langbein
Die gruselige Mauer von Sechín ist steinerner Beleg eines uralten Volkes, von dem wir so gut wie nichts wissen. Rund fünfzig unscheinbare Hügel unterschiedlichen Ausmaßen bergen noch ungeahnte Schätze... Pyramiden!

Fußnote


»Chavin de Huantar, das Geheimnis der Anden«,
Teil 70 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 22.05.2011

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Samstag, 14. Mai 2011

»Ein Buch lesen! - Privat« Heute: Ursula Prem

Im V. und letzten Teil unserer Interview-Serie »Ein Buch lesen! - Privat« stellt sich heute Ursula Prem den Fragen von Grete C. Roth.

g.c.roth: Ursula, Du gehörst zu den Menschen, die man auch Energiebündel nennt. Du sprühst geradezu Ideen aus und bist eigentlich ständig aktiv. Welche Themen interessieren dich im Alltag neben Deiner Arbeit als Autorin?

Ursula Prem
Ursula Prem: Es gibt nur wenige Themen, die mich nicht interessieren. Ob Politik, technische Entwicklungen, Musik, Theater oder Philosophie: Jedes Ding ist eine Möglichkeit, zu verstehen, wie die Welt funktioniert, wenigstens ansatzweise. Manchmal bedauere ich, dass die Zeit nicht ausreicht, um jeden Faden aufzunehmen und bis zu seinem Ursprung zurückzuverfolgen. Deshalb wohl bereitet mir das Schreiben meiner Freitagskolumne so viel Vergnügen: Es ist eine Gelegenheit, mich eingehend mit einem Thema auseinanderzusetzen und die eigenen Gedanken dazu in eine schlüssige Reihenfolge zu bringen.

g.c.roth: Womit wir wieder beim Schreiben wären. Welche Motivation treibt Dich dabei an?

Ursula Prem: Je nach Art des jeweiligen Textes sind die Motivationen ganz unterschiedlich. Handelt es sich um einen politischen Text, so treibt mich meist die Erkenntnis, dass die Welt vielschichtig und unübersichtlich wie noch nie zuvor geworden ist. Dies führt dazu, dass die größten Sauereien gesellschaftlich akzeptiert werden, einfach deshalb, weil die Zusammenhänge nicht mehr durchschaubar sind.

Die überbordende Bürokratie bei uns. Die Tatsache, dass unser Staat eine gigantische Steuergeldverschwendungsmaschine ist, die sich längst verselbständigt hat und unter der wir alle zu leiden haben. Der Umwelt- und Energiesektor. Nirgendwo herrscht Ordnung. Alles wird durch diffuses Bürokratengeschwafel vernebelt, bis niemand sich mehr auskennt. Im Schatten all der Sprechblasen blühen Ungerechtigkeiten und wiehern die Amtsschimmel, alles rechtsstaatlich abgedeckt. Wer wird schon einen Aufstand machen gegen etwas, das er nicht ansatzweise versteht?

Genau das ist es, was mich antreibt: Themen zu durchleuchten, sie für die Allgemeinheit fassbar zu machen und mich dabei um eine deutliche Sprache zu bemühen. Hierzu bietet das Internet phantastische Möglichkeiten. Das Schweigen, zu dem die Allgemeinheit verdonnert war, so lange die herkömmlichen Medien das Feld beherrschten, ist zu Ende.

Schreibe ich einen belletristischen Text, so motiviert mich dazu das Vergnügen am Entwickeln von Geschichten. Oft bemerke ich dabei Parallelen zur Tätigkeit auf der Opernbühne. Auf einer Bühne entwickelt man ein starkes, richtiggehend körperliches Gespür für dramatische Spannung zwischen den handelnden Figuren innerhalb eines dreidimensionalen Raumes. Aus diesen Erfahrungen schöpfe ich beim Schreiben sehr stark. 

Neuerscheinung:
ABC Walpurgisnacht!
von Ursula Prem
g.c.roth: Welche Bücher hast Du bisher veröffentlicht?

Ursula Prem: Los ging es 2006 mit meinem ersten Roman »Vorsicht Liebensgefahr!«, einem handfesten Psychothriller, in dem es ziemlich zur Sache geht. 2008 folgte der Mysterythriller »2010 - Denn Hass zieht dunkle Kreise«. Danach folgte »Einmaleins Walpurgisnacht! – Rechnen ist (k)eine Hexerei«. Dabei handelt es sich um ein Vorlesebuch für Kinder, in welches ich sämtliche Reihen des Kleinen Einmaleins in Reimform eingebettet habe. Seit seinem Erscheinen im Frühjahr 2009 schaffte das Büchlein es wiederholt in die Kinderbuch-Bestsellerliste seines Verlags, worüber ich mich sehr freue. Übrigens existiert auch eine englische Ausgabe mit dem Titel »Witches’ Tables! - Arithmetic is (not) magic«.
Kürzlich erschienen ist ein Übungsbuch für die Multiplikation, das eine Vielzahl einfach strukturierter aber wirkungsvoller Übungsaufgaben für Grundschüler enthält. Es trägt den Titel »Einfach nur lernen! - Multiplikation«. Zudem ist diesen Monat Band II meiner Walpurgisnacht-Reihe auf den Markt gekommen: »ABC Walpurgisnacht!: Buchstaben sind keine Hexerei«.
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Vorsicht Liebensgefahr!
von Ursula Prem
g.c.roth: Nach Erscheinen Deines Buches »Vorsicht, Liebensgefahr!«, wurde gemunkelt, dass es die Leiche in deinem Bad tatsächlich geben soll. Machen sich solche Gerüchte in der Nachbarschaft bemerkbar?

Ursula Prem: Hin und wieder wurde ich mit diesem Verdacht konfrontiert, ja. Wer mich kennt, der weiß, dass ich sowohl handwerklich als auch kräftemäßig dazu in der Lage wäre, eine Leiche in einem Badezimmer zu vergraben und hinterher alles wieder sauber zu verfliesen. Auch die räumlichen Gegebenheiten des Badezimmers, beispielsweise, dass es nicht unterkellert ist, ähneln denen im Buch frappierend. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass es einige Zeitgenossen gibt, die sich nicht sicher sind, wieviel Wahrheit das Buch enthält. Und ich muss sagen: Je mehr Zeit vergeht, desto mehr zähle ich mich sogar selbst dazu … ;-)

g.c.roth: Im Augenblick arbeitest Du an einer Reihe von Lernbüchern für Schüler der Grundschulen. Was hat Dich dazu bewogen, diese Buchreihe zu starten?

Einfach nur lernen! - Multiplikation
von Ursula Prem
Ursula Prem: Die »Einfach nur lernen!«-Reihe, deren erster Band »Multiplikation« vor wenigen Monaten erschienen ist, habe ich aufgrund der Erfahrungen gestartet, die ich dank meiner Tochter mit dem Schulsystem machen durfte. Auch die Schulen bleiben von der allgemein zu beobachtenden Tendenz zur Vernebelungstaktik nicht verschont. Schon Grundschüler wühlen sich heute durch enorme Papierberge, die weitgehend lustige Männchen zum Ausmalen enthalten. Es wird vieles erklärt, aber nur wenig geübt. Dies führt dazu, dass vieles gewusst, aber nur wenig gekonnt wird. Außerdem entmutigt es die Schüler außerordentlich, wenn sie den Sinn ihrer Arbeit nicht mehr erfassen können. Aus diesen Beobachtungen heraus bin ich auf die Idee gekommen, die Reihe zu starten. Entstehen sollen vier Bände, analog zu den vier Grundrechenarten. Sie fußen auf dem Prinzip der Konzentration auf das Wesentliche. Diese ist uns leider auf allen Linien abhanden gekommen.

Einmaleins
Walpurgisnacht!
von Ursula Prem
Meine Walpurgisnacht-Bücher würde ich hingegen nicht als Lernbücher bezeichnen. Sie richten sich zwar an Vor- und Grundschulkinder und enthalten Grundschullernstoff, sollten aber als witzige Vorlesebücher genossen werden, die man immer wieder mal gerne zur Hand nimmt. Wer Kinder im Vorschulalter hat, wird die Erfahrung gemacht haben, dass sie komplette Märchen sehr schnell Wort für Wort auswendig können, wenn sie einige Male vorgelesen werden. Wort für Wort prägen die Texte sich ein. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, wichtige Inhalte wie das Kleine Einmaleins oder das ABC in ein märchenhaftes Sujet einzubetten. Mit dem Einmaleins zu rechnen, das ist in dieser Altersstufe noch gar nicht Thema. Aber das mühsame Auswendiglernen der Einmaleinsreihen, das wird auf diese Weise schon im Vorfeld überflüssig gemacht.

g.c.roth: Hast Du neben den Kinderbüchern weitere Bücher / Krimis / Romane in Planung?

Ursula Prem: Ein in seiner Rohfassung fast fertiger historischer Roman liegt schon lange auf meiner Festplatte. Ihn in Form zu bringen ist eine große Herausforderung, der ich mich mit Sicherheit widmen werde. Bisher fehlte mir dazu ein wenig die Motivation. Schon jetzt, in seiner unfertigen Fassung, in der noch vieles unausgeführt ist, besteht das Manuskript aus über 500 deutschen Normseiten. Unter 700 wird die Endfassung sicher nicht abgehen, eher werden es mehr. Das ist natürlich ein Unding für eine On-Demand-Veröffentlichung im Digitaldruck, denn der Ladenpreis wäre unerschwinglich. Nun stehe ich vor der Entscheidung, die Story entweder in drei Bände aufzuteilen, oder aber eine reine E-Book-Schiene zu fahren, wie das neue Amazon-Kindle-System sie bietet. Vorher aber möchte ich auf jeden Fall noch einige Kinderbücher auf den Weg bringen.

g.c.roth: Wie entstehen Deine Bücher? Hast Du die Handlung bereits fertig im Kopf, wenn Du beginnst, oder entwickelst Du die Story erst während Du schreibst?

2010 - Denn Hass
zieht dunkle Kreise
von Ursula Prem
Ursula Prem: Diesen Prozess vergleiche ich gerne mit einer Reise: Ich kenne den Start- und den Zielpunkt, auch meine Umsteigebahnhöfe. Das ist umso notwendiger, je komplexer eine Geschichte aufgebaut ist. Was genau mir aber auf der Reise begegnet, die Atmosphäre meines Trips, zufällige Mitreisende, all sowas entsteht spontan während des Schreibprozesses. Auch hier sehe ich Parallelen zur Tätigkeit auf einer Bühne. George Tabori sagte einmal: »Man kann nicht Kunst mit dem Atem von gestern machen.« Und genau so ist es. Das Wiederkäuen von vorgestanzten Gedanken, die gestern schon von vorgestern waren, bringt mir im Schreibprozess wenig.

g.c.roth: Du betreibst viele Seiten im Internet als Bloggerin, ist das nicht sehr zeitaufwändig?

Ursula Prem: Das Schreiben von Büchern alleine bringt nicht viel, wenn niemand von der Existenz der Bücher weiß. Deshalb dienen meine zahlreichen Webpräsenzen auch der Eröffnung von Werbekanälen für meine Bücher. Da sich im Internet alles mit allem vernetzt, ist dies ein guter, wenngleich zeitraubender Weg. Da ich jedoch die Möglichkeit liebe, mich in Themen einmischen zu können, die mir auf dem Herzen liegen, betrachte ich das nicht als Last, sondern bin mit großer Freude bei der Sache. Eins meiner Lieblingsprojekte dabei ist natürlich unser Gemeinschaftsblog »Ein Buch lesen!«. Plattformen, die von mehreren Leuten betrieben werden, wachsen nicht nur ungleich schneller, sondern bieten tolle Möglichkeiten der Vernetzung und gegenseitigen Unterstützung, die man alleine so nie auf die Beine stellen könnte.

Ursula Prem als Brünnhilde, bei einer Probe
zu Wagners Götterdämmerung in
Mexiko City. Foto: Martinez
g.c.roth: Du warst bis vor einigen Jahren noch als Opernsängerin aktiv und erfolgreich unterwegs. Einige Kostproben Deiner wunderbaren Stimme kann man auch im Internet genießen. Ist diese Phase komplett abgeschlossen, oder werden wir Dich wieder auf der Bühne sehen und hören?

Ursula Prem: Nein, als abgeschlossen betrachte ich diese Phase nicht. Jedoch habe ich mich zu einer langen Unterbrechung entschlossen, da meine Tochter absolute Priorität hat. Mal eben acht Wochen zu verreisen, um irgendwo eine neue Götterdämmerung einzustudieren, und das öfter im Jahr, das ist einfach nicht drin. Und so genieße ich jetzt die Gelegenheit, nach 17 Jahren Dauerpräsenz auf der Bühne etwas komplett anderes zu machen. Dass ich in ein paar Jahren wieder angreifen werde, denke ich schon. Es gibt da noch ein paar Rollen, die ich noch nie gesungen habe, und die unerhört reizvoll sind, wie beispielsweise die Titelpartie in »Elektra« von Richard Strauss …

g.c.roth: Vielen Dank Ursula für diesen kleinen Einblick in Dein Leben. Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude und Erfolg als Autorin.


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