jetzt weiß ich
was ich wissen wollte
und sehe vieles mit anderen augen
der verrat zerreißt mir das herz
trotzdem
stehe ich auf meiner festung
halte lächelnd
eine rose in meiner hand
und habe das gefühl
langsam zu stein zu werden
ich sollte nicht mehr lächeln
wenn mir zum weinen ist
In einem von wildem Aktionismus geprägten Bildungssystem wie unserem ist es sehr leicht, dem Irrtum zu verfallen, dass »der Staat« schon alles richten wird. Fragte man noch vor kurzer Zeit einen Pädagogen, ob die Kinder sich schon vor der Einschulung mit Buchstaben und Zahlen beschäftigen sollten, erhielt man zur Antwort: »Um Himmels Willen nein, das ist doch Sache der Schule!«
So eine Aussage erzeugt die Illusion, mit der Einschulung sei es getan, der Staat in Gestalt der von ihm beauftragten Lehrer würde nun für umfassende Bildung nach Maß sorgen. Doch Vorsicht, diese Sicherheit ist mehr als trügerisch! Den Staat interessiert es nicht, wie es unseren Kindern geht! Besonders Grundschüler sind seit einigen Jahrzehnten Versuchskaninchen immer neuer pädagogischer Konzepte, welche, wenn Erfolglosigkeit offenkundig wird, sang- und klanglos eingestampft werden und neuen Versuchsreihen weichen. Durch diesen Irrgarten werden unsere Kinder ab der Einschulung geschickt, und das schon seit mehreren Generationen.
Das Ergebnis zeigt sich, wenn man die Nachrichten liest: Ab 1. August sollen ausländische Fachkräfte mit sogenannten »Blue Cards« ins Land gelockt werden, während gleichzeitig Millionen von Arbeitslosen herumlaufen, die allesamt das deutsche Schulsystem in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit genossen haben. ‒ Anderen Ländern die teuer ausgebildeten, dringend benötigten Fachkräfte gezielt abwerben, während unsere Jugend geistig verkümmert. Eine gute Lösung, nicht wahr?
Schule: ein Ort der geistigen Freiheit?
Sitzt ein Kind erst in der Schule, schwinden bereits die Chancen, zumindest richtig Lesen und Schreiben zu lernen, wenn es ohne Vorkenntnisse dort ankommt. Wie eine neue Untersuchung zeigt, sieht es mit den Geschichtskenntnissen deutscher Schüler kaum besser aus: 40 % aller Jugendlichen sind nach Erkenntnissen der Freien Universität Berlin nicht dazu in der Lage, die Unterschiede zwischen Nationalsozialismus, DDR und Bundesrepublik Deutschland zu benennen.
Unsere Schulen mögen vieles sein: Orte der geistigen Freiheit jedoch sind sie keineswegs. Frust, Zwang und Konkurrenzdruck herrschen schon in der Grundschule. Hiervon sollten Eltern sich nicht allzu sehr beeindrucken lassen und stattdessen dafür sorgen, dass ihr Kind sich die Neugierde auf interessante Wissensgebiete so gut wie möglich erhält. Selbst das beste Abschlusszeugnis wird im Leben nicht viel nützen, wenn die Eigeninitiative seines Besitzers längst unter einer Flut schulischer Belanglosigkeiten erstickt ist.
Das Geheimnis der Anden VI,
Teil 127 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Künstliche Inseln auf dem
Titicaca-See
Foto: W-J.Langbein
Einst lebte das Volk der Uros auf künstlichen Schilf-Inseln ... auf dem Titicaca-See. Sie seien keine Menschen, wie die übrige Erdbevölkerung ... behaupteten sie stolz. Ihre Urahnen hätten schwarzes Blut gehabt, seien aus dem Kosmos zur Erde gekommen. Die Uros waren ein friedfertiges Volk. Oder waren sie arrogant? Sie zogen sich zurück, flohen vor den Kriegern des Aymara-Stamms, später vor den Horden der spanischen Eroberer. Um 1960 soll der letzte echte Angehörige des Stammes gestorben sein. Heute gibt es keine echten Uros mehr, aber die künstlichen Schilf-Inseln auf dem Titicaca-See werden immer noch gebaut.
Die Sonneninsel im Titicaca-See galt beim Volk der Aymara als Fleckchen Erde von besonderer Bedeutung. Nach ihren heiligen Überlieferungen kam hier der erste Inka, der legendäre Manco Cápac aus himmlischen Gefilden über einen mächtigen Steinbrocken zur Erde. So manche Legende rankt sich um den See, der immerhin fünfzehn Mal so groß wie der Bodensee ist ... und 3810 Meter über Meeresniveau liegt. Der »aufgeklärte« Mensch hält natürlich nichts von solchen Ammenmärchen ... und lächelt über Geschichten von Bauten in den Tiefen des geheimnisvollen Sees. Wie sollte es auch von Menschen errichtetes Mauerwerk geben ... in bis zu 280 Metern Tiefe?
Rätselhaftes Erbe von Tiahuanaco
Foto: Ingeborg Diekmann
»Auf dem Grunde des Titicaca-Sees schlummern Ruinen aus uralten Zeiten!« - »Vor vielen Jahrtausenden gab es eine hochstehende Kultur im Raum Bolivien-Peru. Es kam zu einer gewaltigen Katastrophe ... die steinernen Bauten wurden überschwemmt ... und liegen heute auf dem Grund des Titicaca-Sees!« Solche Aussagen kursieren in Südamerika schon seit Jahrhunderten. 1986 machte sich der berühmte Unterwasserforscher Jacques Cousteau (1910-1997) auf, um dem Geheimnis unterseeischer Ruinen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund zu gehen. Cousteau und sein Team konzentrierten sich auf die Umgebung der Eilande »Isla de Sol« (»Sonnen-«) und »Isla de Luna« (»Mond-Insel«). Sie fanden nichts. 1980 allerdings wurde der bekannte Forscher Hugo Boero Rojo, Experte für präkolumbische Kulturen, fündig. Unweit von Puerto Acosta, einem Dörfchen am nordöstlichen Ufer des Sees gelegen, entdeckte er Ruinen auf dem Meeresgrund! Und am 23. August 2000 vermeldete der renommierte Nachrichtensender »BBC«: »Antiker Tempel auf dem Grund des Titicaca-Sees entdeckt«. Taucher machten sensationelle Entdeckungen: eine künstlich angelegte Terrasse, eine 800 Meter lange Mauer und eine Straße ... auf dem Grund des Titicaca-Sees. Als die Taucher der Straße folgten, stießen sie auf die Ruinen eines uralten Tempels!
Die sensationellen Entdeckungen bestätigten den Gelehrten Prof. Dr. Arthur Posnansky (1873-1946). Posnansky vertrat die These von immer wieder auftretenden gewaltigen Kataklysmen, die in periodischen Abständen zu verheerenden Fluten führten. Wenn nun bewiesen ist, dass auf dem Grund des Titicaca-Sees uralte Ruinen auf ihre Erforschung warten ... so bedeutet dies doch, dass Straßen, Mauern und Tempel in grauer Vorzeit ... in einer »Sintflut« überschwemmt und vom Titicaca-See verschlungen wurden. Und genau so – folgt man Gelehrten wie Arthur Posnansky und Edmund Kiss (1886-1960) erging es vor vielen Jahrtausenden der Stadt Tiahuanaco, 4.000 Meter über dem Meeresspiegel in den Hochanden!
Wenig, nur sehr wenig wissen wir über die Menschen von Tiahuanaco. Bekannt ist, dass sie einen unglaublich präzisen Kalender hatten: verewigt auf dem Sonnentor von Tiahuanaco ... und auf dem Rücken des riesigen »Idols von Tiahuanaco«. Dieser Kalender setzt ein gewaltiges Wissen in Astronomie und Mathematik voraus, höchste Präzision bei der Vermessung unseres Planeten ... und der Beobachtung von Sonne, Mond und Sternen!
Mehrfach habe ich die Ruinen von Tiahuanaco erkundet, immer hat mir die gewaltige Ruine sprichwörtlich den Atem geraubt. Für mich ist es – bei aller Bewunderung für die Baumeister von Tiahuanaco – von eher geringer Bedeutung, wie hart der Stein war, den sie bearbeiteten und gravierten. Was mich staunen lässt, das ist die unglaubliche Präzision, mit der Tausende und Abertausende von Gravuren in Stein geritzt wurden! Im Ruinenfeld von Tiahuanaco wurden Steine aus uralten Zeiten dem verbackenen Erdreich entrissen, deren Bedeutung wir nicht kennen: mysteriös-technisch muten die Gravuren an.
Das gezeichnete Buch des
großen Idols - Foto:
Hans Schindler-Bellamy
Gewiss: Auf den ersten Blick beeindrucken die steinernen Kolossalstatuen, die roboterhaft-stoisch dreinblicken. Wenn sie nur sprechen könnten ... Auf den zweiten Blick übersieht man womöglich immer noch das Geheimnis von Tiahuanaco. Man findet es nur, wenn man weiß, dass es existiert. Es ist so etwas wie eine Bibliothek in Stein. So manche Statue stellt so etwas dar wie einen Folianten. So manche Statue wurde mit unbekannten Werkzeugen mit unzähligen Bildnisse förmlich übersät. Sie wurden in den Stein graviert ... Hunderte, ja Tausende einzelne Elemente, die wiederum kaum überschaubare »Bildwände« ergeben, die der Fachmann wie ein Buch lesen kann.
Besonders mysteriös ist »das große Idol«, dessen vier Seiten über und über mit eingravierten Zeichnungen bedeckt sind. Die vier Seiten der Statue ergeben – man erkennt es erst in der Zeichnung – ein großes geritztes Bild mit unzähligen Details. Was will uns dieses »Bilderbuch« erzählen? Prof. Hans Schindler-Bellamy erkannte, dass auf der Rückseite des »großen Idols« der älteste Kalender der bekannten Menschheitsgeschichte eingraviert wurde. Ich frage mich: Wann werden die Erkenntnisse des Professors endlich anerkannt? Und wann werden seine wissenschaftlichen Recherchen fortgesetzt? Erst ein Bruchteil der bekannten Gravuren wurde übersetzt!
Die Kalender von Tiahuanaco zwingen uns eigentlich, das Bild von der Geschichte der Menschheit komplett umzuschreiben: was ihre Anfänge anbelangt. Vor Jahrtausenden muss es in Bolivien eine hochstehende Kultur gegeben haben, die über unvorstellbar präzise wissenschaftliche Erkenntnisse verfügte!
Mysteriöse Steine
von Tiahuanaco
Fotos: W-J.Langbein
Immer wieder stolpert man förmlich über mehr als mysteriöse Steine. Es gibt sie zu Hunderten. Sie sehen aus, als seien sie in einer Fabrik hergestellt worden. Und doch entstanden die Massenprodukte ... vor Jahrtausenden. Das eigentliche Geheimnis wird von Vielen zu Beginn des dritten Jahrtausends nicht gern gesehen!
Und doch gibt es einen mehr als deutlichen Hinweis auf ein uraltes Matriarchat im alten Reich von Tiahuanaco. Warum titulierte man die größte Statue, dies bislang in Tiahuanaco gefunden wurde, schlicht als »das große Idol«? Groß ist die Statue in der Tat ... gut 7,20 Meter. Doch während man bei den meisten Figuren nur Fantasienamen kennt, die den Statuen von den Spaniern verpasst wurden ... ist das beim großen Idol anders.
Das große Idol ... stellt eine weibliche Gottheit dar, Pachamama ... die Urgöttin, die Urmutter Südamerikas! Vergessen ist die Göttin schlechthin freilich nicht, auch wenn sie von christlichen Missionaren seit vielen Jahrhunderten bekämpft und durch die christliche »Göttin« Maria ersetzt werden soll. So fand am 21. Januar 2006 in Tiahuanaco eine höchst ungewöhnliche Zeremonie statt. Mehrere Tausend Menschen begrüßten den Sonnenaufgang und opferten Muttergöttin Pachamama! Die Feierlichkeiten fanden zum großen Verdruss der christlichen Geistlichkeit statt ... unter Beteiligung von Präsident Evo Morales!
Das Haupt der Göttin
Fotos: H.S.-Bellamy u. WJ.Langbein
Kehrt Pachamama in das offizielle Leben Boliviens zurück? Wenn ja: Wie lange mag es noch dauern, bis Pachamama wieder Anerkennung und Verehrung findet? Ihre Statue ist ja vor Jahren wieder nach Tiahuanaco zurückgekehrt. Und wer Augen hat zu sehen ... und auch sieht, der erkennt auch heute noch die Haarpracht der Göttin! Ihre langen Haare sind zu Zöpfen geflochten, die der Pachamama bis über die Schultern reichen.
Am 22. September 2011 hielt Papst Benedikt XVI. Eine Rede vor dem deutschen Bundestag. Der Papst führte aus, »dass irgend etwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt. Dass Materie nicht nur Material für unser Machen ist, sondern dass die Erde selbst ihre Würde in sich trägt und wir ihrer Weisung folgen müssen.« Ob dem »Heiligen Vater« dabei bewusst war, dass er einforderte, was für die Verehrer der Muttergöttin Pachamama selbstverständlich war?
Blick in die Unterwelt
Foto: W-J.Langbein
Die Ausbeutung der Erde wurde Jahrhunderte lang christlich legitimiert. Gebot doch der jüdisch-christliche Gott: »Macht euch die Erde untertan!« Pachamama ist »Mutter Erde«. Pachamama personifizierte Mutter Erde. Das Christentum versucht, Pachamama durch Maria zu ersetzen. Tatsächlich aber entspricht Pachamama eher Eva, von der die Bibel sagt, dass aus ihr alles Lebende hervorging. Pachamama wurde als allmächtige Göttin angebetet, die allen Kreaturen das Leben schenkt und sie – wie eine Mutter – nährt und erhält. Und sie verband – wie der Lebensbaum – Unter- und Oberwelt miteinander.
Die Unterwelt von Tiahuanaco ist bis heute weitestgehend unerforscht. Einst wurde die Kultanlage in den Anden von einer gewaltigen Pyramide bestimmt ... und darunter gab es unterirdische Räume ... die Unterwelt.
2008 wurde das Prinzip »Pachamama« in die neue Verfassung von Ecuador aufgenommen: Es geht um Schutz und Erhalt von »Mutter Erde« ... nicht um ihre Ausbeutung!
Puma Punku,
Das Geheimnis der Anden VII,
Teil 128 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 01.07.2012
Die Diskussion rund um das Betreuungsgeld bringt es ans Tageslicht: Eltern sind in unserer Gesellschaft nicht besonders hoch angesehen. Nicht nur viele Politiker versteigen sich zu der Behauptung, es sei für Kinder schädlich, ihre früheste Lebensphase in der Obhut der Eltern zu verbringen, statt in einer staatlichen Kinderkrippe: In dasselbe Horn blasen nun »namhafte Wissenschaftler« in ihrem »nationalen Bildungsbericht«. Wie FOCUS Online am 20.6.2012 meldet, kommt der Bildungsbericht zu dem Ergebnis, dass Kinder in der vierten Grundschulklasse einen Lernvorsprung von einem Jahr aufweisen, wenn sie mindestens drei Jahre vor der Einschulung eine Kita besucht haben. Vor der Einführung des Betreuungsgeldes sei aus diesem Grund zu warnen.
Mit der Einhaltung der Mindestanforderungen an wissenschaftliche Exaktheit scheint es nicht allzu weit her zu sein, wenn man diese Argumentation durchdenkt. »Drei Jahre vor der Einschulung«, das betrifft die normale Kindergartenzeit ab dem 3. Geburtstag. Ein Zeitraum, der mit dem Betreuungsgeld nicht die Bohne zu tun hat, denn dieses soll ja für die ersten Lebensjahre gezahlt werden, wenn Eltern keine KinderKRIPPE in Anspruch nehmen. Wie aber steht es mit dem behaupteten Bildungsvorsprung von Kindergartenkindern? Laut Bildungsbericht werden »1/4 der Drei- bis unter Siebenjährigen als sprachförderungsbedürftig« eingestuft. Die Zahlen zur Nutzung von Kindergärten, wie Wikipedia sie ausweist, besagen jedoch, dass fast 87 % der Kinder in Deutschland einen Kindergarten besuchen. Folgt man der Logik des Bildungsberichtes, müsste die Quote der Sprachförderungsbedürftigen bei 13 % liegen, der Zahl der Kindergartenverweigerer. Verknüpft man die Zahlen, so ergibt sich hingegen, dass mindestens 12 % aller Kinder sprachförderungsbedürftig sind, obwohl sie einen Kindergarten besucht haben.
Political Correctness auf Kosten von Eltern
So langsam frage ich mich echt, wo der Aufschrei der Eltern bleibt, die am laufenden Band mit fragwürdigen Studien beleidigt werden. Bringt man die Aussagen auf den Punkt, so lautet das Fazit: Eltern in Deutschland sind zu blöd, um den geistigen Anforderungen gewachsen zu sein, die unter Dreijährige an sie stellen. Klar: Das Bild, das von deutschen »Durchschnittseltern« jeden Nachmittag im Proll-TV gezeichnet wird, beeinflusst die öffentliche Wahrnehmung und lässt uns nach studierten und zertifizierten Pädagogen rufen, die selbst das Windelwechseln zur universitären Geheimwissenschaft erheben, mit der dümmliche Muttis und ignorante Papis überfordert sind.
Klar ist, dass es Situationen gibt, in denen Eltern einfach unfähig sind. Doch dies betrifft nach wie vor eine Minderheit. Würde ein Politiker es wagen, diese Minderheit klar zu benennen, wäre ein Aufschrei die Folge. Also wird der Versuch gestartet, alle Eltern in einen Topf zu werfen und von den Vorteilen flächendeckender staatlicher Betreuung zu überzeugen. Am Ende dieser Entwicklung wird eine diktatorische Entwicklung stehen. War es früher »undenkbar«, Kinder einfach irgendwo abzugeben, wird die staatliche Erzieherin künftig schon im Kreisssaal anwesend sein, um das Kind in Empfang zu nehmen. Was dabei wieder mal auf der Strecke bleibt, ist die Entscheidungsfreiheit der Eltern darüber, wie sie ihr Leben mit Kindern gestalten wollen.
Betreuungsgeld ja oder nein?
Klar ist eines: Je mehr öffentliche Hilfen flächendeckend in die Kindererziehung investiert werden, desto mehr Lufthoheit sichert sich Vater Staat über den Kriegsschauplatz Kinderbett. Wer zahlt, schafft an: Ideen, flächendeckende staatliche Leistungen mit Auflagen zu verbinden, liegen bereits genügend in der Schublade. Vom Zwang zur Vorsorgeuntersuchung zum staatlichen Impfzwang ist es nur noch ein kleiner Schritt. Aus diesem Grund sollten wir genau überlegen, von welchen Fördertöpfen wir uns abhängig machen wollen. Warum nicht einfach auf Betreuungsgeld und subventionierte Betreuungsplätze verzichten und im Gegenzug alle Kosten für die Kinderbetreuung komplett steuerfrei stellen? Zusammen mit einer Härtefallregelung für Alleinerziehende und Geringverdiener würde dies zu einer Entbürokratisierung führen, die dafür sorgt, dass man im Land auch dann wieder atmen kann, wenn man Kinder hat.
Gabriele Winterling hatte es sich auf ihrer Terrasse gemütlich gemacht. Es war früher Donnerstagnachmittag und ein Feiertag. Den Freitag hatte sie als Brückentag frei genommen. Ein langes Wochenende stand ihr ins Haus, an dem sie sich richtig schön entspannen wollte. Die Sonne schien und hatte auch scheinbar nicht vor, in den nächsten Tagen hinter Wolken zu verschwinden.
Neben dem Deckchair stand das Tischtablett mit einem großen Pott frisch gebrühtem Kaffee, dessen Duft Gabriele in die Nase stieg. So griff sie nach der großen Tasse und während sie die belebende Wirkung des Koffeins auf sich wirken ließ, nahmen wieder die Erinnerungen an die Ereignisse der vergangenen Zeit Raum in ihren Gedanken ein. Sie hatte sich vorgenommen, das auch zuzulassen. Den Phasen der Trauer die Möglichkeit zu geben, sich in ihr zu entwickeln, auch den begleitenden Schmerz auszuleben, um irgendwann an dem Punkt zu sein, mit diesem Prozess abzuschließen.
Merkwürdigerweise wurden diese Gefühle immer erst mit einem Bild vor ihrem geistigen Auge erweckt. Das Bild von Peter Weber, der mit dieser ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hatte. Aber es lag vielleicht einfach nur daran, dass Gabriele vor einem Jahr romantische Gefühle für Peter entwickelt hatte. Peter Weber schien damals selbst in schwierigen Zeiten zu schweben, irgendwie war die Zeit wohl nicht reif für gemeinsame Momente und Gabriele hatte ihre Prinzipien. Ein Mann, der noch irgendwie in einer Beziehung hängt, war und ist für sie tabu. Aber sie musste sich eingestehen, dass ihre Verliebtheit noch immer anhielt.
Nach Gabrieles Scheidung von Martin, dem notorischen Fremdgänger, hatte Gaby ihre Arbeitsstelle gewechselt und ist ein paar Orte weiter weg verzogen. Sie brauchte den Abstand. Nur hin und wieder musste sie ihren alten Heimatort aufsuchen und irgendwann ist es ihr gelungen, ihren Frieden mit der Vergangenheit zu schließen.
Andrea kannte sie schon seit ihrer Kindheit. In all den Jahren hatten sich beide nie so ganz aus den Augen verloren. Aber die Kontakte verliefen eher sporadisch. Bis im vergangenen Jahr Andrea wieder intensiver ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Andrea war mit Robert verheiratet, sie hatten eine gemeinsame Tochter, Eva. Robert hatte den Betrieb seines Vaters übernommen, als dieser starb. Es mag an den wirtschaftlich schlechten Zeiten gelegen haben, vielleicht auch an Roberts unglücklicher Hand, wenn es um Geschäfte ging, oder auch an Andreas Anspruchsdenken. Das Geschäft warf jedenfalls kaum noch Gewinne ab und die Ehe war zerrüttet, wie Andrea Gabriele mitteilte. Aber eine Scheidung käme nicht in Frage, das könne sie Eva im Moment nicht antun, außerdem wüsste sie nicht, wo sie hin und wovon sie leben solle. Argumente, die für Gabriele nicht so wirklich nachvollziehbar waren, aber sie war auch der Auffassung, dass jeder für sein Leben selbst verantwortlich sei und manchmal auch das Festhalten am vertrauten Leid für manche Menschen Triebfeder ihres Handeln ist.
Es hatte Gabriele darum auch nicht sonderlich schockiert, als ihr Andrea schon bald danach eröffnete, einen anderen Mann kennen gelernt zu haben. Vielleicht hätte sie die Zeitnähe der beiden Mitteilungen stutzig machen sollen, eine innere Stimme hatte ihr irgendetwas zugeflüstert, aber in Gabriele war auch ein Gutmensch wohnhaft, der diese leise Stimme zum Schweigen brachte. So bereitete Gabriele den beiden ein Liebeslager, machte das Alibi, wenn sie ein Wochenende am Meer verbrachten und hatte auch ein offenes Ohr für die Probleme der beiden.
Gabriele setzte den Kaffeepott auf dem Tablett ab und seufzte: »Was war ich doch für ein Idiot!«
Sie stand auf, nahm das Tablett und brachte es in die Küche um sich umgehend einen weiteren Kaffee zu bereiten. Während das Wasser zum Kochen kam, lehnte sie an der Anrichte und blickte aus dem Küchenfenster. Andrea war unsterblich verliebt, hatte sie gesagt, Horst, der Lover, war eher zögerlich. So hat Andrea etwas nachgeholfen und dafür gesorgt, dass es sich im Ort herum sprach, dass Horst eine Geliebte hat. Was für einen mittelschweren Skandal sorgte, denn Horst zählte dort zu den reichsten Männern.
Kurz darauf erlebte Gabriele einen wütenden Robert am Telefon, der ihr schwere Vorwürfe machte. Die Bombe war geplatzt, Horst traf eine Entscheidung, blieb bei seiner Frau und Andrea konnte kleine Brötchen bei ihrem gehörnten Gatten backen.
Das alles wäre nicht so dramatisch gewesen, wenn Gabriele nicht letzten Monat im Baumarkt ihrem Ex über den Weg gelaufen wäre. Martin stürmte mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf sie zu, um sie umgehend mit dem aktuellen Tratsch ihrer Heimatstadt zu überfallen:
»Meine tugendhafte Gabriele hatte ein Verhältnis mit einem verheirateten Kerl«, und mit einem schelmischen Zwinkern, »mir hast du ein solches Treiben verübelt!«
Gabriele konnte es nicht fassen. Aber Martin ließ nicht locker, berichtete, dass ihr Name im Gespräch sei und der gute Horst nur noch in gebückter Haltung durch den Ort gehe, wenn überhaupt.
Das Wasser kochte und Gabriele brühte sich einen Kaffee auf. Sie konnte die Sache bei ihrem Ex-Mann klar stellen und irgendwann im Laufe des Gespräches, nachdem Gabbriele auch Andrea ins Spiel brachte, rückte Martin mit der Sprache und der Wahrheit heraus. Dass Andrea und er, noch zu seiner Ehezeit, auch eine kurze Affäre hatten. »Sie lässt nichts anbrennen, aber dass sie dir ihr Verhältnis anhängt, um selber sauber vor den Leuten dazustehen, ist ein dickes Ding. Dann dürfte nur Robert noch die Wahrheit wissen und der wird die Klappe halten. Na ja, das hast du nun von deiner Hilfsbereitschaft. Beim nächsten Mal bist du halt schlauer!«
Es sollte kein nächstes Mal geben, schwor sich Gabriele und brach den Kontakt zu Andrea ab, nachdem sie ihr die Meinung gründlich gesagt hatte. Aber der Schmerz saß tief, der Verlust der Freundschaft, die nie eine war und der Betrug machten Gaby schwer zu schaffen. Es war ihr auch klar, dass Andrea, nach einer angemessenen Zeit, wieder ihre Fühler ausstrecken würde. Sie brauchte einen gut betuchten Versorger für sich und Eva.
Wieder sah sie das Bild von Peter Weber vor ihrem geistigen Auge.
»Ob er zu ihrer Zielgruppe gehört? Merkwürdig, ich weiß nichts über ihn, nur, dass er scheinbar über ein gutes und geregeltes Einkommen zu verfügen scheint. Ob das Andrea reichen würde? Das würde sie nie wagen! Oder doch?«, murmelte Gabriele, während sie mit dem Tablett und dem Kaffee wieder die Terrasse aufsuchen wollte. Die Gedankengänge ließen sie nicht los.
»Andrea läuft die Zeit davon. Auf die Suche nach einem geeigneten Mann zu gehen, dürfte beschwerlich werden, zumal Robert aufmerksam über sie wachen wird.«
Gabriele ging gerade durch ihr Wohnzimmer, als das Telefon klingelte. Sie sah auf das Display. Es war Andreas Nummer, die angezeigt wurde.
»Nicht mit mir! Wir sind fertig miteinander!« Gabriele war nicht bereit, den Anruf anzunehmen.
So sprang der Anrufbeantworter an und nach einer kurzen Zeit der Ansage hörte sie die Stimme die ihre Mitteilung auf Band sprach: »Hallo, hier ist Eva, ich wollte Mama sprechen. Ihr seid wohl unterwegs, dann versuche ich es über Handy!«
Sie setzte das Tablett ab, holte den Laptop aus der Tasche, stellte ihn auf den Wohnzimmertisch und fuhr ihn hoch. Sie brauchte zwei Minuten, bis sie die Adresse von Peter ergooglet hatte und gab sie umgehend bei Google Earth ein. Sie zoomte sich das Anwesen näher heran und betrachtete es aufmerksam.
»Andrea, ich hätte dir nie von ihm erzählen dürfen!«
Gabriele Winterlings Gesichtszüge nahmen einen entschlossenen Ausdruck an, während sie weiter vor sich her murmelte: »Ich habe keine drei Minuten gebraucht, um dieses Bild aufzurufen. So wie ich dich kenne, hat das bei dir eine halbe Stunde gedauert. Das sieht aus der Luft betrachtet wunderschön aus. Es wäre genau das richtige Heim für dich, nicht wahr, Andrea?«
Gabriele betrachtete das großzügige Gelände um das frei stehende Gebäude.
»Andrea, ich vermute sicher richtig, dass du dir schon eine Strategie überlegt hast, wie du dich an diesen Mann ranmachst.«
Mit einem Mouseklick zoomte sie das Gebäude noch näher heran, sie kniff die Augenlider zu einem schmalen Spalt zusammen, bevor sie ihre Worte leise herauszischte:
»Glaube mir Andrea: Diesmal passe ich auf! Ich schwöre dir, du Miststück: Diese Nummer werde ich dir versauen!«
Dann nahm sie das Telefon und tippte eine Nummer in die Tastatur …
Das Geheimnis der Anden V,
Teil 126 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Der Koloss, noch im Freilichtmuseum
stehend - Foto W-J.Langbein
Im halbunterirdischen Museum von La Paz stand viele Jahrzehnte ein wahrer Gigant. Die riesenhafte Statue misst stolze 7,20 Meter, bei einem geschätzten Gewicht von zwanzig Tonnen. Anno 1932 wurde er hoch oben in den Anden Boliviens ausgegraben. Die vorzüglich erhaltene Statue befand sich tief im Erdreich der Tempelanlage, unterhalb des »versenkten Tempels« von Tiahuanaco. Als offizieller »Entdecker« gilt Wendell Clark Bennett (1905-1953). Bennett kam mit 48 Jahren bei einem mysteriösen Badeunfall ums Leben.
Auch heute noch werden wahre archäologische Schätze im Erdreich von Tiahuanaco vermutet. Leider fehlen die Finanzen, um ausgiebige Ausgrabungen vornehmen zu lassen. Wenn ich nach Jahren wieder einmal Tiahuanaco besuchte, konnte ich keine Fortschritte erkennen.
Verantwortlich für die Ausgrabung von anno 1932 war das »American Museum of National History«, New York. Die zuständigen Behörden hatten präzise Vorgaben vertraglich fixiert: So waren »mehrere Einzel-Grabungen« von jeweils »höchstens zehn Quadratmetern Fläche« gestattet. Als ortskundiger Experte vor Ort machte sich Prof. Dr. Arthur Posnansky (1873-1946) verdient. Er war es, dem die Entdeckung der im harten Erdreich steckenden Riesenstatue zu verdanken ist!
Historische Aufnahme
Foto: H.Schindler-Bellamy
Der Experte aus La Paz fiel in der archäologischen Zunft allerdings in Ungnade. Wagte er doch das Bild, das die klassische Schulwissenschaft von Tiahuanaco zeichnete ... anzuzweifeln, ja abzulehnen. Nach Prof. Posnansky ist die riesige Kultanlage eher 15.000 als 1.500 Jahre alt. Nach Prof. Posnansky gab es bereits vor mindestens 15.000 Jahren eine hoch stehende Zivilisation in den Hochanden des heutigen Bolivien, die geradezu Wunderwerke aus Stein schufen.
Prof. Arthur Posnansky war von einem zyklischen Ablauf der Weltgeschichte überzeugt. So vertrat er die These, dass uralte Kultstätten wie Tiahuanaco in regelmäßigen Abständen durch gewaltige Kataklysmen apokalyptischen Ausmaßes vollkommen vernichtet wurden. Unvorstellbare Welt-Fluten, vergleichbar mit der biblischen Sintflut, sollen unermessliche Schäden verursacht haben.
1932 wurde nun bei Tiefengrabungen im verkrustet-verbackenen Schlamm unter dem »versenkten Tempel« von Tiahuanaco ... ein gewaltiger Monolith gefunden. Der Koloss machte – so groß er mit 7,20 Metern auch war – zunächst einen eher unscheinbaren Eindruck. Als aber die Archäologen dem Steinmonster mit Bürsten zuleibe rückten ... kam eine geradezu perfekt erhaltene Riesenstatue zum Vorschein. Unter der schützenden Erdschicht waren exakte Gravuren von unglaublicher Detailfreude konserviert worden.
Einige der Gravuren auf der
Rückseite des Idols
Foto: H.S.-Bellamy
Der Riesenmonolith wurde mit mächtigen Seilwinden aus der Grube gewuchtet ... und mit gewaltigem Aufwand nach La Paz in das dortige Freilichtmuseum geschafft. Ob seiner beachtlichen Größe bekam die Riesenstatue den Namen »Das große Idol von Tiahuanaco«. Seit etwa dreißig Jahren gibt es nun vor Ort Bestrebungen, den Koloss wieder in die Ruinen von Tiahuanaco zu schaffen.
Meine Meinung: »Das große Idol von Tiahuanaco« muss von herausragender Bedeutung für die Kultanlage von Tiahuanaco gewesen sein. »Die Statue gehört nicht in das Getöse der verpesteten Millionen-Metropole von La Paz, sondern nach Tiahuanaco, zurück in die Hochanden!« forderten nicht nur Lokalpatrioten. 2002 wurde sie – nach 70 Jahren – endlich wieder zurück gebracht.
Wiederholt habe ich staunend vor dem Riesenkoloss in La Paz gestanden, der alle anderen Artefakte im Freilichtmuseum geradezu klein erscheinen ließ. Selbst der Kolossalstatue, der zu Füßen der Riesenstatue lag, wirkte geradezu zierlich im Vergleich. Inzwischen ist das steinerne Haupt aus dem Museum entfernt worden. Man sieht es – wie auch »Das große Idol von Tiahuanaco« – nur noch auf alten, schon historischen Aufnahmen. Auch dieses mysteriöse steinerne Haupt stammte ursprünglich aus der Anlage von Tiahuanaco. Der zugehörige Rumpf wurde bis heute nicht gefunden. Allerdings wurde ja erst ein Prozent des Areals hoch in den Anden ausgegraben!
Der »große Steinkopf« aus dem
Freilichtmuseum - Foto:
Hans Schindler-Bellamy
Wiederholt habe ich staunend vor dem riesenhaften »Idol« gestanden. Ich bewunderte immer wieder die erstaunliche Größe des steinernen Riesen ... und habe dabei das eigentliche Geheimnis der Statue nicht erkannt! Prof. Hans Schindler-Bellamy legte mir bei mehreren persönlichen Begegnungen brisante Unterlagen vor: zum Beispiel millimetergenaue Zeichnungen der mysteriösen Bildwerke, die mit perfekter Präzision in den Rücken des Giganten gefräst worden sind.
Für den Gelehrten aus Wien stellt Tiahuanaco eines der großen Rätsel unseres Planeten dar. Prof. Schindler-Bellamy (1) in einem Vortrag 1975 in Zürich: »Die erstaunlichste Tatsache aber ist: Die Kultur von Tiahuanaco hat keine Wurzeln in diesem Raum! Sie ist weder dort aus unbedeutenden Anfängen heraus entstanden noch ist irgendwo anders ein solcher Ort des Ursprungs bekannt. Es mutet so an, als ob sie praktisch vollentwickelt ›plötzlich erschien‹«.
Prof. Schindler-Bellamy versicherte mir: »Mit steinzeitlichen Werkzeugen konnten diese komplexen Bildnisse nicht in den harten Stein gefräst werden! Die Steinmetze müssen ›modernes‹ Werkzeug besessen haben!« Mit derartigen »modernen Werkzeugen« wurden auch zahllose Zeichnungen mit größter Detailfreude in den – inzwischen aus dem Freilichtmuseum verschwundenen - »großen Steinkopf« gefräst: in härtesten Stein, millimeterbreit ... Prof. Hans Schindler-Bellamy: Leider wurden die Gravuren im »großen Kopf« nie wirklich untersucht.
Vorder- und Rückseite
des »großen Idols«
Fotos:
Archiv Langbein
Fast etwas provokativ fragte ich den Gelehrten, ob diese Verzierungen eine tiefere Bedeutung hätten. Milde antwortete der Wissenschaftler: »Man kann diese komplexen Zeichnungen wie ein Buch lesen!« Prof. Schindler-Bellamy hat das Sonnentor von Tiahuanaco als Kalender entschlüsselt (2):
»Unsere umfassende Analyse der Skulpturen auf dem Sonnentor führte uns zu der erstaunlichen Erkenntnis, dass der Kalender weniger eine Auflistung der Tage für den ›Mann auf der Straße‹ des damaligen Tiahuanaco war (etwa um den Markttag oder die Freizeit anzuzeigen), sondern tatsächlich und insbesondere ein einzigartiges Dokument der astronomischen, mathematischen und den damit in Verbindung stehenden Wissenschaften, ein Dokument des wesentlichen Inhalts des Wissens der Begründer der Tiahuanaco-Kultur.«
Prof. Hans Schindler-Bellamy weiter (3): »Der Kalender zeigt sowohl den Jahresbeginn an, als auch die Tag- und Nachtgleichen, die Sonnenwenden, die Häufigkeit der Schalttage, Mitteilungen über die Schiefe der Ekliptik und die geographische Breite sowie viele andere geographische und astronomische Hinweise, die von uns Heutigen berechnet werden können und die offensichtlich auch den Wissenschaftlern von Tiahuanaco nicht unbekannt waren. Sie wussten zum Beispiel, dass die Erde eine Kugel ist, die sich um die eigene Achse dreht (nicht, dass die Sonne die flache Erde umkreist), weil sie auch genau die Zeit vorausberechneten, in denen Sonnenfinsternisse in anderen Teilen der Welt zu sehen waren. Man beginnt sich zu fragen, ob sie nicht wirklich dazu in der Lage waren, rund um die Welt zu reisen, und darüber zu spekulieren.« (4)
Einer der gravierten Riesen
von Tiahuanaco - Fotos:
Anakin (rechts)
und W-J.Langbein
Bei diesen sensationellen Erkenntnissen blieb es aber nicht. Peter Allan und Prof. Hans Schindler-Bellamy nahmen sich auch die Gravuren auf der Rückseite des »großen Idols« vor ... und siehe da: Sie stellten ebenfalls einen höchst komplexen Kalender dar ... wie die Gravuren auf dem Sonnentor. Die ältesten Daten auf der großen Statue reichen fast 30.000 Jahre zurück in die Vergangenheit! Vergeblich hat Prof. Schindler-Bellamy gehofft, dass seine Untersuchungen etwa an anderen Riesenstatuen von Tiahuanaco fortgesetzt werden würden. Das ist bis heute leider nicht geschehen.
Fußnoten Auch diese Folge meiner Serie basiert auf meinen Recherchen vor Ort, also in Tiahuanaco und La Paz. Vor Ort sprach ich mit Experten und sah Fachliteratur ein. 1 Schindler-Bellamy, Prof. Hans: »Tiahuanaco und das Sonnentor«, Vortragsmanuskript, Zürich 1975
2 ebenda 3 ebenda
4 Die Thematik »Tiahuanaco-Kalender« ist sehr komplex und kompliziert. Prof. Schindler-Bellamys Hauptgedanken zu wiederholen, würde den zur Verfügung stehenden Rahmen bei weitem sprengen. Ich muss daher auf die von ihm verfasste Literatur verweisen: Bellamy, H.S.: »Built before the Flood«, London 1953 Bellamy, H.S. und Allan, P.: »The Great Idol of Tiahuanaco«, London 1959 Beide Werke sind nur noch antiquarisch erhältlich. Sie liegen meines Wissens nur in englischer Sprache vor.
Persönliche Widmung von Prof. Hans Schindler-Bellamy
Foto: Archiv Langbein
Dank
Gern spreche ich Prof. Hans Schindler-Bellamy meinen aufrichtigen Dank aus: für aufschlussreiche Gespräche und hervorragendes Manterial (Bücher, Manuskripte und Fotos).
Danken darf ich auch an dieser Stelle Erich von Däniken, der mich schon vor vielen Jahrzehnten auf die großen Rätsel unseres Planeten aufmerksam machte! Sehr zu empfehlen ist ...
Die Göttin und kuriose Steine,
Das Geheimnis der Anden VI,
Teil 127 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 24.06.2012
Schon in meiner Kolumne vom 27. Januar bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Kreditwürdigkeit Deutschlands auf Dauer stark zu bezweifeln ist. Grund für diese Annahme war die Tatsache, dass Deutschland sich selbst im Monat des Allzeitsteuerrekords neues Geld hatte leihen müssen. Wer die laufenden Kosten selbst mit Spitzeneinnahmen nicht zu decken vermag, der kommt um eine Insolvenz auf lange Sicht nicht mehr herum.
Dass deutsche Staatsanleihen noch vor wenigen Wochen als »Hort der Sicherheit« galten, die sogar zinslos reißenden Absatz fanden, ist eher ein Beweis für den maroden Zustand der gesamteuropäischen Wirtschaft, denn: Wenn ein total überschuldeter Staat wie Deutschland als »das Sicherste« gilt, wie sieht es dann erst in anderen Staaten aus?
Der erste Großinvestor springt ab
Ausgerechnet der weltgrößte Anleiheninvestor Pimco scheint nun endlich begriffen zu haben, wie der Hase läuft, und trennt sich im großen Stil von deutschen Staatsanleihen, meldet Spiegel Online am 13.06.2012. Das Kartenhaus beginnt zu bröckeln, der Einsturz ist nur noch eine Frage der Zeit. Lösbar wäre das Problem nur noch durch kühl rechnende Kaufleute, aber die haben bekanntlicherweise in Deutschland nichts mehr zu sagen, sodass wir innerhalb der nächsten paar Jahre mit dem kompletten Zusammenbruch des Finanzsystems zu rechnen haben.
Je schneller, desto besser!
Die komplette Staatspleite sämtlicher Euro-Länder steht uns defininitiv bevor. Natürlich stemmen sich die, die näher am Abgrund stehen, auch am stärksten dagegen und üben nun Druck auf Angela Merkel aus, europäische Staatsschulden zu vergesellschaften, was bedeutet, sie dem Land anzuhängen, das noch am ehesten Kredit erhält: Deutschland. Während wir Richtung Katastrophe marschieren, genießt der Verursacher, der uns in das Abenteuer Euro gehetzt hat, in aller Ruhe seine Pension: Helmut Kohl wird die Folgen seiner unbedachten Politik wohl nur noch am Rande mitbekommen.
Unser Motto kann jetzt nur noch heißen: Augen zu und durch. Je schneller der wirtschaftliche Doomsday da ist, desto rascher ist er auch wieder vorbei und das Spiel kann von vorne beginnen. Vielleicht kommen die werdenden Mütter und Väter einer künftigen neuen Verfassung ja auf die Idee, von Anfang an ein paar wirtschaftliche Grundsätze einzuarbeiten, die es verhindern, dass irgendwelche dahergelaufenen Politiker mit Staatsknete Monopoly spielen.
Das Geheimnis der Anden IV,
Teil 125 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Das Sonnentor von
Tiahuanaco.
Vorderseite (oben,
Foto: Ingeborg Diekmann)
und Rückseite
(unten, Foto: W-J.Langbein)
Eisiger Wind beißt sich durch meine zwei dicken Wollpullover. Jeder Schritt fällt schwer, jeder Atemzug schmerzt. Kein Wunder: Ich befinde mich in 4.000 Metern Höhe über dem Meeresspiegel, nicht im Flugzeug, sondern in den Hochanden Boliviens. Vor mir erhebt sich ein Monument aus schwärzlich-grauem Stein. Das seltsame »Sonnentor« wurde aus einem einzigen Andesitblock gemeißelt. Irgendwann einmal zerbracht es in zwei Teile ... wurde es von einem Erdbeben gestürzt? Wurde es in einer apokalyptischen Katastrophe umgeworfen, so als wäre es ein kleines Modell für die Spielzeugeisenbahn und nicht dreieinhalb Meter hoch und vier Meter breit?
Seltsam: Ich habe einige Grabungsberichte gelesen, in denen geschildert wird, wie die kostbaren Steinmonumente von Tiahuanaco »gefunden« wurden. Sie mussten ausgegraben werden, lagen unter einer oft meterdicken Schicht aus hart gebackenem Schlamm. Eine Vermutung drängt sich auf: Eine Flut zerstörte einen riesigen Tempel aus Stein, warf die Steine und Statuen durcheinander ... weichte den Boden auf, wühlte ihn förmlich auf ... und ließ Statuen und Steine im Schlamm versinken.
Im Lauf der Jahrtausende wurde der morastige Schlamm fast so hart wie Zement ... und bedeckte die uralten Zeugnisse der Kultur von Tiahuanaco mit einer schützenden Schicht.
Edmund Kiss (1886-1960) kam nach intensiver Recherche zu einer mehr als erstaunlichen Erkenntnis. Demnach war Tiahuanaco – ältere Schreibweise Tihuanaku – vor vielen Jahrtausenden ... Hafenstadt. Und es soll Epochen gegeben haben, zu denen die mysteriöse Ruinenstadt vollständig überschwemmt war. So schreibt Kiss (1): »Daß Tihuanaku einmal ganz unter Wasser gestanden hat, ist sicher. Die große Freitreppe der Sonnenwarte Kalasasaya in Tihuanaku ist von einer dünnen Schicht im Wasser abgesetzten Kalkes überzogen, der so fest haftet, daß man ihn mit dem Messer abkratzen muß, um eine Probe zu Versuchszwecken nach Hause zu nehmen.«
Rückseite des Sonnentors
Fotos W-J.Langbein
Kiss trägt fantastisch anmutende Thesen vor: Eine gewaltige Flutkatastrophe hat vor vielen Jahrtausenden Tiahuanaco zerstört (2): »Diese Annahme ist wahrscheinlich und entspricht auch dem Augenschein, denn die Anden-Metropole ist durch ein plötzliches Ereignis, wahrscheinlich durch eine Flutwelle vernichtet und ihr Bau jäh unterbrochen worden. Die Gebeine von Menschen und Tieren, darunter von heute ausgestorbenen Tierarten, liegen in wüstem Durcheinander meilenweit in den Alluvien (3) Tihuanakus. Dieses Knochensediment hat an einer Stelle, die der Beobachtung zugänglich ist, eine Mächtigkeit von etwa 3,50 m. Diese Stelle liegt in der Nähe von Tihuanaku. Die Eisenbahn fährt hier durch einen Hohlweg, und dieser hat eine Wandhöhe von 3,50 m, ohne daß das Knochensediment durchstoßen ist. Denn unter den Schienen liegt immer noch das gleiche unheimliche Sediment von weißgrauer Farbe, zusammengesetzt aus Abermillionen größerer und kleinerer Knochen, Bruchstücken von bemalter und glasierter Keramik, Schmuckstücken aus Bronze, mitunter auch aus Gold und Silber, Malachitperlen und anderem mehr.«
Edmund Kiss interpretiert das Durcheinander von Knochen von Menschen und längst ausgestorbenen Tieren als Beweis für Kataklysmen vor vielen Jahrtausenden. Wie ein Detektiv durchforstet er die Artefakte aus uralten Zeiten ... und kommt zu der Schlussfolgerung, dass die mysteriöse Stadt in den Hochanden Boliviens noch im Bau war, als die Apokalypse über sie hereinbrach.
Original (oben) und
»moderne« Kopie
(unten) - Fotos:
W-J.Langbein
Noch einmal zitiere ich Edmund Kiss (4): »Mit welch katastrophaler Plötzlichkeit die Bauarbeiten an der Stadt unterbrochen worden sind, beweisen die Funde silberner und kupferner Mauerlote, die neben begonnenen Bauten liegen geblieben sind, die Funde säuberlich nebeneinander aufgereihter Hausteinblöcke mit nagelneuer Skulptur, die wohl in den nächsten Tagen versetzt werden sollten, nun aber bis auf den heutigen Tag stehengeblieben sind und auch nicht mehr an die Stelle ihrer Bestimmung gelangen werden.«
Mich erinnert das von Kiss skizzierte Bild von den durch eine gewaltige Naturkatastrophe abrupt beendeten Bauarbeiten ... an die Osterinsel. Auch auf diesem einsamsten Fleckchen in der Südsee muss es eine Katastrophe gegeben haben. Von einem Tag auf den anderen wurden die Arbeiten in den Steinbrüchen abgebrochen. Halbfertige Statuen, noch mit dem Vulkan verbunden, warten seit vielen Jahrhunderten auf Fertigstellung. Andere Kolosse waren aus dem Vulkangestein herausgemeißelt worden, wurden aber nur einige Meter transportiert und blieben dann liegen. Wieder andere tonnenschwere Kolosse wurden offensichtlich fast bis an den Ort ihrer Bestimmung geschafft ... aber nicht mehr aufgerichtet!
Sonnentor von Tiahuanaco
Foto: Ingeborg Diekmann
Zurück nach Bolivien ins Hochland der Anden ... So manches Mal stand ich vor dem »Sonnentor«. Die Vorderseite wird von zahlreichen Bildnissen geziert. Halbreliefs wurden in den harten Stein geschnitzt. Zentrale Figur ist ein mythisches Wesen, dem Tränen über die Wangen rinnen. Strahlenförmig umrahmen, fast wie beim »Struwwelpeter«, Haare das Gesicht. Bei näherem Betrachten erkennt man, dass es Schlangen sind. Das seltsame Wesen hält rechts und links in nach außen gehaltenen Händen »Stangen«.
Insgesamt verlaufen über die gesamte Breite des »Sonnentores« vier Zeilen mit halbreliefartig in den Stein gravierten Bildern. Schon aus nur wenigen Metern Entfernung betrachtet wirken sie wie sich wiederholende »Stempel«. Im untersten, im vierten Band erkennen wir wiederum Gesichter, die dem Zentralmotiv »Struwwelpeter« ähneln. Kiss spricht von ihren »geflügelten Augen«, die (4) »den Eindruck erwecken, daß es sich bei den Darstellungen vielleicht um Sinnbilder einer fliegenden Bewegung, also vielleicht der Zeit, handeln könnte.«
Historische Aufnahme
Foto: Archiv W-J.Langbein
Bänder 1 und 3 lassen eine Schar mythologischer Wesen aufmarschieren. Sie alle tragen seltsame Zeremonialstäbe. In Bändern 1 und 3 meinen wir, gekrönte Wesen mit Flügeln ausmachen zu können. Sie erinnern uns an Engel mit mächtigen Schwingen. Die Wesen von Band 2 recken mächtige Schnäbel gen Himmel. Es könnte sich um »Mischwesen« aus Kondor und Mensch handeln.
Schon manches Mal stand ich vor dem »Sonnentor« von Tiahuanaco ... und versuchte vergeblich, die winzigen Einzelheiten in jedem der einzelnen Gestalten zu erkennen. Prof. Hans Schindler-Bellamy machte mich darauf aufmerksam, dass die millimetergenau in den harten Stein gefrästen, detailreichen Bildchen von einem Steinzeitvolk mit Faustkeilen nicht geschaffen werden konnten. Sie müssen fortgeschrittenes Werkzeug besessen haben.
Am 29. Mai 1975 hielt der Gelehrte einen viel beachteten Vortrag im Rahmen der »2nd World Conference« der »Ancient Astronaut Society« in Zürich zum Thema »Tiahuanaco und das Sonnentor«. Der höchst sympathische Österreicher, gebildet und ein präziser Analytiker, wusste die Zuhörerschaft für sich zu gewinnen und zu überzeugen.
Zeichnung Zentralmotiv
Prof. Schindler-Bellamy führte aus (5): »Wir kennen auch nicht die hochwertigen Werkzeuge, die sie für die Arbeit mit den unwahrscheinlich harten Andesiten ihrer Monumente benutzt haben: zum Schneiden, Polieren und Gravieren. Sie müssen Flaschenzüge zum Heben und Geräte zum Transportieren großer Lasten (bis zu 200 Tonnen) über beträchtliche Entfernungen von den Steinbrüchen bis zu ihrem derzeitigen Standort besessen haben. Es ist schwierig, sich vorzustellen, all die gewaltige Arbeit könne ohne irgendeine Form der Schrift und ohne ein System der Aufzeichnung bewerkstelligt worden sein.«
Ich darf zusammenfassen: Hoch in den Anden gibt es die Ruinen einer wahrlich mysteriösen Stadt. Sie wurde, so der Gelehrte Edmund Kiss, schon vor vielen Jahrtausenden in einer gewaltigen Naturkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes zerstört, und zwar bevor sie vollendet werden konnte. In der archäologischen Literatur wird sie einem primitiven Volk auf Steinzeitniveau zugeschrieben. Glaubwürdig ist das nicht. Historische Detailfotos – viele Jahrzehnte alt – offenbaren einen Detailreichtum, den der perplexe Besucher vor Ort in den Hochanden kaum zu erfassen vermag!
Mythologisches Wesen
Foto: Archiv W-J.Langbein
Vergleichen wir doch einmal eine moderne »Kopie« des Sonnentorreliefs mit dem Original. Die moderne Fassung kann nur als stümperhaft bezeichnet werden ... im Vergleich zum Original.
Edmund Kiss hat nun versucht, die unglaublich präzisen Einzelbilder mit ihren zahllosen Details wie ein Buch zu lesen (6). Und das ist ihm offenbar gelungen. In seinem umfangreichen Werk interpretiert er mit der detektivischen Pedanterie eines Sherlock Holmes ... als einen Kalender von geradezu unglaublicher Präzision! Es ist bewundernswert, wie Edmund Kiss die Symbole bis zum kleinen Häkchen übersetzt. Er belegt, dass das Sonnentor dem Betrachter einen Kalender zeigt, der das Jahr in zwölf »Monate« unterteilt. Sonnwendtermine wie Tagundnachtgleichen können abgelesen werden. Ein Tiahuanaco-»Monat« umfasst 24 Tage. »Februar« und »März« haben 25 Tage. Anders als heute hat der Tiahuanaco-Kalender 30 Stunden zu je 22 Minuten.
Rätsel über Rätsel machen uns staunen! Da gab es vor Jahrtausenden auf der Hochebene in den Anden Boliviens eine unglaublich fortgeschrittene Kultur mit einem fremdartigen Kalender. Das Sonnentor von Tiahuanaco erweist sich als komplexer Kalender von unglaublicher Präzision! Bestätigt wurden die kühn anmutenden Kalender-Thesen von Edmund Kiss Jahrzehnte später durch Prof. Hans Schindler-Bellamy! (7)
Der Sonnentor-Kalender nach Kiss
Foto: Archiv W-J.Langbein
Fußnoten 1 Kiss, Edmund: »Das Sonnentor von Tihuanaku«, Leipzig 1937, S. 28 2 Kiss, Edmund: »Das Sonnentor von Tihuanaku«, Leipzig 1937, S. 31 3 alluvium, das Angeschwemmte 4 Kiss, Edmund: »Das Sonnentor von Tihuanaku«, Leipzig 1937, S. 125 5 Schindler-Bellamy, Prof. Hans: »Tiahuanaco und das Sonnentor«, Vortragsmanuskript 6 Kiss, Edmund: »Das Sonnentor von Tihuanaku«, Leipzig 1937, siehe Kapitel III, »Das Sonnentor zu Tihuanaku. Versuch der Enträtselung seiner Ideographien«, S. 121-194 7 Bellamy, H.S. und Allan, P.: »The Great Idol of Tiahuanaco«, London 1959
Der steinerne Riese von Tiahuanaco
Das Geheimnis der Anden V,
Teil 126 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 17.06.2012
Wieder einmal hat eine Staffel von Germanys Next Topmodel ihr gewohnt fades Ende gefunden. »Krönender Abschluss« war eine inhaltsleere Finalshow, same procedure as every year. So gesehen nichts Neues von der Castingfront, deren Lack inzwischen deutliche Risse aufweist. Wie viele Top-Models, Supertalente und Superstars verträgt ein Land, bis die jeweiligen Titel sich derartig inflationiert haben, dass sie keine besondere Auszeichnung mehr darstellen? Topstars aus dem Boden gestampft. Produziert wie Gartenzwerge oder warme Semmeln. Nach knallharten Auslesestrategien und Marketingregeln.
Klar ist: Sieger von Castingshows schaffen es nur in absoluten Ausnahmefällen, ihren Sieg zu einer dauerhaften Karriere auszubauen. Meinem Wissen nach ist das bisher nur Kelly Clarkson gelungen, ihres Zeichens Siegerin der ersten Staffel von »American Idol«, der amerikanischen Version von DSDS. Die meisten anderen Castinghelden waren nach spätestens ein bis zwei Jahren wieder weg vom Fenster und mussten feststellen, dass ihr Name für den Aufbau einer »richtigen« Karriere weitgehend verbrannt war. Doch warum ist das so?
Echte Stars lassen sich nicht drangsalieren
Wer sich in einer monatelangen Castingshow Woche für Woche vor Millionen von Zuschauern öffentlich demütigen lässt, verschenkt damit den wichtigsten Faktor seines potenziellen Star-Appeals: seine Souveränität. Wie sollte jemand, der jede Woche mit Tränen in den Augen vor einer abgewrackten Jury steht und zittert, jemals wieder eine Aura der Unantastbarkeit aufbauen können, die ihn in den Augen der Menschen zum echten Star macht? Zu einem autarken Vorbild, das sich nicht von Hinz und Kunz drangsalieren lässt?
Klar: Auch echte Stars stecken viele Tiefschläge ein, ehe sie es bis ganz nach oben schaffen. Aber sie tun dies im Verborgenen, ärgern sich im Stillen und verlassen ihre Wohnung erst wieder, wenn sie ihre Aura des strahlenden Siegers repariert haben. An den Gewinnern von Castingshows klebt dauerhaft der Makel der öffentlichen Unterwerfung, die sie bis zum Exzess zelebriert haben und die man ihnen nie vergessen wird. Kaum jemals wird das deutlicher, als bei Germanys Next Topmodel, wenn das große »Umstyling« ansteht, das in jeder Staffel unvermeidlich ist. »Schnipp, schnapp!«, kreischt Heidi Klum mit schadenfrohem Grinsen in die Kamera, während ein weinendes Nachwuchsmodel von seiner Mähne lässt, weil es andernfalls kaum noch Chancen hat, die nächste Runde der Show zu überstehen. So werden Top-Stars gemacht? - Mit Sicherheit nicht.
Wer schlau ist, kassiert schnell ab
Die einzige Chance, dauerhaft von einem Sieg in einer Casting-Show zu profitieren, ist es, den kurzen Hype zu nutzen, um richtig Kasse zu machen. Wer dieses Schmerzensgeld für seine beschädigte Reputation gut anlegt, könnte es dann im Leben tatsächlich noch zu etwas bringen. Gegönnt sei dies jedem, der offenen Auges durch so eine Jauchegrube geschwommen ist.
Das Geheimnis der Anden III,
Teil 124 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Der Verfasser im
»Tunnel« - Foto
Selbstauslöser,
Archiv Langbein
Ein schmales, niedriges Törchen aus Stein ist hinter einem Bretterverschlag verborgen. Ein missmutig drein blickender Wächter schiebt einsam Posten. Wenn sich ein neugieriger Besucher auch nur in seine Nähe verirrt, wird er auch schon mit wilden Gesten vertrieben. Als ich schon aus einiger Entfernung mit einem Kistchen edler Zigarren winke ... darf ich näher treten. Und als ich dem schon deutlich freundlicheren Zerberus gar eine der Zigarren anbiete, lacht er freundlich.
Wir schmauchen beide meine Havannas und klopfen uns gegenseitig auf die Schultern. Schließlich schenke ich ihm das ganze Kistchen Zigarren ... und der Mann verlässt demonstrativ seinen Posten. Er hat verstanden, dass ich gern durch das »Törchen« in die Unterwelt von Tiahuanaco kriechen möchte. Unter seinen Augen darf ich das nicht. Also entfernt er sich diskret.
Auf Ellenbogen und Knien krieche ich durch den sehr schmalen und niedrigen Eingang ... hinein in die Dunkelheit eines »Tunnels«. Es riecht muffig. Wie weit mag mich der Minigang führen? Ob er abrupt im Nichts endet? Ich werde es erfahren!
Meine Taschenlampe gibt schon nach wenigen Metern ihren Geist auf. Ich taste mich langsam weiter, meine Hände streichen über den Boden, die Seitenwände und die Decke ... Glatt polierte Platten sind nahtlos aneinander gefügt. Zentimeter für Zentimeter spüre ich ... nichts, nicht die Spur einer Fuge.
Licht am Ende des
Tunnels - Foto:
W-J.Langbein
Plötzlich stoße ich mich an einem Hindernis. Ein Stein liegt im Weg. Ich wage ein Experiment. Tatsächlich gelingt es mir, meinen Fotoapparat auf »Selbstauslöser« einzustellen, auf dem Hindernis zu deponieren ... und ein Foto von mir im »Tunnel« aufzunehmen. Ich muss zugeben: Mehrere Versuche hab ich gewagt, alle bis auf einer schlugen fehl. Eine einzige Aufnahme lässt erahnen, wie »abenteuerlich« mir meine Kriecherei in der Dunkelheit vorkam!
Wie weit ich krieche ... ich weiß es nicht. Wie lange ich unterwegs bin ... ich weiß es nicht. Und plötzlich taucht Licht am Ende des »Tunnels« auf ... Meine Augen haben sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt. Der Lichtpunkt blendet mich förmlich. Ich mache ein Foto. Deutlich sind die glatt polierten Wände zu erkennen. Später erfahre ich: der »Tunnel« war ein simpler Abwasserkanal von einst.
Was ich nicht verstehe: Wieso hat man die Wände eines Abwasserkanals so extrem glatt poliert? Warum hat man die einzelnen Platten millimetergenau zugeschnitten, so dass sie sich ohne erkennbare Fuge förmlich aneinander schmiegen ... während an »Stempelwänden« von Tiahuanaco geradezu stümperhaft Stein auf Stein gesetzt wurde? Da hat man seltsam fremdartig wirkende Köpfe aus Stein in Wänden verarbeitet. Hier kamen nur roh behauene Steine zum Einsatz. Zentimeterdicke »Fugen« weisen auf stümperhafte Arbeit hin. Warum hat man im verborgenen »Abwasserkanal« so präzise ... bei den »Tempelwänden« so schlampig gearbeitet?
Steinerner Kopf in einer Tempelwand
Foto: W-J.Langbein
Die steinernen Köpfe – jeder weist individuelle Kopfform und Gesichtszüge auf – wurden bei Ausgrabungsarbeiten gefunden. Wo sie einst im Bauwerk von Tiahuanaco platziert waren ... wir wissen es nicht. Mauerwerk wurde schlampig »rekonstruiert«, wo seit Generationen nur einsame Monolithen standen. Steinerne Köpfe wurden nach Gutdünken eingesetzt, wo sich eine passende Lücke ergab ... Kurzum: Die bewundernswert präzisen Steinmetzarbeiten im Tunnel sind Originale der Erbauer von Tiahuanaco. Die »rekonstruierten« Mauern mussten so primitiv ausfallen, weil die Archäologen die Erbauer zu den primitiven Steinzeitmenschen zählten.
Die Gesichter dieser Köpfe wirken fremdartig, zum Teil fast fratzenhaft. Sollten reale Individuen gezeigt werden? Sollten unterschiedliche Rassen im Stein verewigt werden? Leider können wir die starren Mienen nicht wie ein Buch lesen. Was sie uns wohl zu erzählen hätten? Prof. Hans Schindler-Bellamy, österreichischer Archäologe, erkundete intensiv Tiahuanaco, zum Verfasser: »Womöglich begann die Geschichte Südamerikas vor vielen Jahrtausenden in Tiahuanaco. Womöglich war sie sehr viel älter als die Kulturen von Sumer und Ägypten!«
Das Werk von
Archäologen
Foto: W-J.Langbein
Zur Erinnerung: Das »Museo Submisubterraneo Tiwanaku«, La Paz, ist ein Freilichtmuseum der besonderen Art: Die archäologischen Kostbarkeiten werden auf einem weitestgehend im Erdboden versenkten Platz zur Schau gestellt. Diese besondere Form wurde ganz bewusst gewählt. Die Erbauer des Museums imitierten einen »Tempel« von Tiahuanaco, 4.000 Meter über dem Meeresspiegel!
Nähert man sich der Anlage von Tiahuanaco auf einem kleinen Trampelpfad, so stößt man auf einen im Boden versenkten Tempel. In den Wänden sind seltsame Kopfskulpturen eingelassen, nach Gutdünken der Archäologen. Prof. Hans Schindler-Bellamy: »Dieser versenkte Platz ist so etwas wie ein Vorhof zum eigentlichen ›Tempel‹ von Tiahuanaco gewesen!«
Vom »versenkten Tempel«, den das Freilichtmuseum von La Paz imitiert, führt – nach Westen – eine steinerne Treppe empor zu einem Tor. Dieses Tor, flankiert von zwei tonnenschweren Monolithen, ist weit mehr als »nur« ein Eingang. Just zur Tag-und-Nachtgleiche geht die Sonne präzise in diesem steinernen Tor auf. Und wenn man vom versenkten Tempel aus gen Westen blickt ... just zum Termin der Tag- und Nachtgleiche ... konnte man erkennen, dass ein steinerner Riese mit roboterhaften Zügen exakt diese Position der Sonne markierte!
Versenkter Tempel von Tiahuanaco
Foto: Dr.Eugen Lehle
So beeindruckend das heutige Tiahuanaco auch ist ... wie imposant muss das Original gewesen sein, bevor es von Vertretern der ach so hoch stehenden europäischen Kultur verwüstet wurde! So beklagt Edmund Kiss in seinem Werk über »Das Sonnentor von Tihuanaku« (1): »Es ist ein Wunder, dass in Tihuanaku überhaupt noch Stein vorhanden ist, und wenn die übrig gebliebenen Blöcke nicht so schwer wären, dass sie sich dem Abtransport passiv widersetzten, und wenn sie nicht so fest wären, dass sie den Pistolenschießübungen fremder Touristen Trotz böten, und selbst Sprengversuche mit Pulver und Dynamit nicht immer zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben, so wäre ganz sicher nichts mehr übrig.«
Weiter schreibt Kiss (2): »Zweifellos ist das Ruinenfeld schon seit Jahrtausenden von den vielen Völkern und ihren Herren … ausgeplündert worden, angefangen bei den Inkas bis zurück zu den Völkern aus dem Dunkel der vorgeschichtlichen Zeit. Dennoch war das, was an Plünderungen geschehen war, nichts gegen das, was das vordringende Christentum der Conquista in dieser Hinsicht geleistet hat. Spanische Chronisten der ersten Jahrzehnte der Eroberung erzählen von ragenden Mauern, die sie in Tihuanaku vorgefunden hätten.«
Die Treppe zum steinernen Tor
Foto: W-J.Langbein
Sie wurden als Steinbrüche benutzt, in christlichen Kirchen verbaut ... und mehr schlecht als recht von Archäologen »rekonstruiert«. Bedauernd stellt Kiss fest (3): »So ist die Kalasasaya, die weiträumige Sonnenwarte der vorgeschichtlichen Astronomen, verstümmelt worden.«
Als ich in den engen und niedrigen Gang kroch, hatte ich eine vage Hoffnung. Laut Prof. Hans Schindler-Bellamy gab es vor rund 90 Jahren auf dem Areal von Tiahuanaco noch Zugänge zu unterirdischen Räumen, deren Wände glatt wie Glas gewesen seien. Die mit unglaublicher Präzision zugeschnittenen Blöcke sollen millimetergenau aufeinander abgestimmt und zusammengefügt worden sein ... vor vielen Jahrtausenden. Diese Zugänge wurden, so Prof. Hans Schindler-Bellamy, zugeschüttet. Ich muss zugeben: Zumindest ein klein wenig hoffte ich, in einen dieser verschollenen Räume zu gelangen ... Eine solche Entdeckung war mir aber nicht gegönnt. Ich gelangte irgendwann wieder ins Freie ...
Wird man diese Räume je wieder entdecken? Sucht man überhaupt nach ihnen? Fakt ist: Allenfalls ein Prozent von Tiahuanaco wurde bislang ausgegraben. Es fehlt am Geld. Und ausländische Investoren kommen aus Nationalstolz nicht zum Zuge ...
Fußnoten 1 Kiss, Edmund: »Das Sonnenthor von Tihuanaku«, Leipzig 1937, S. 41 u. 42 2 ebenda, S.42 3 ebenda
Das Sonnentor
Das Geheimnis der Anden IV,
Teil 125 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein«,
erscheint am 10.06.2012