Freitag, 31. August 2012

Leistungsschutzrechte im Internet – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Kommerzielle Websitebetreiber tun sehr viel, um ihre Seite im Netz bekannt zu machen und sie mit Besuchern zu beleben. Das höchste Ziel dabei ist ein gutes Ranking in der Suchmaschine Google, die für einen kontinuierlichen Leserstrom sorgt. Wem dies nicht auf Anhieb gelingt, der zahlt unter Umständen hohe Summen für Online-Anzeigenkampagnen, um den erhofften Ansturm einzukaufen. Klar ist: Die Suchmaschinen, allen voran Google, sind inzwischen der wichtigste Faktor für den kontinuierlichen Erfolg, wenn sich der finanzielle Aufwand im Rahmen halten soll.

Diese Grundlagen des Internetmarketings haben selbst kleine und kleinste Firmen längst begriffen. Bei größeren Anbietern jedoch ist es nicht immer sicher, dass sie solch einfache Zusammenhänge durchschauen. Nur so ist es zu erklären, dass das von großen Zeitungsverlagen angestrebte »Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse im Internet« am vergangenen Mittwoch im Bundestag abgenickt wurde.

Kostenlose Besucherströme


Kurz zusammengefasst geht es den Großanbietern von Presseerzeugnissen darum, dass Google und Co. Werbeeinnahmen erzielen, indem Ausschnitte (Snippets) der Inhalte in den Suchergebnissen und auf News-Seiten verfügbar gemacht werden. Über das Nutzungsvolumen von Google News kann nur spekuliert werden. Klar ist: Eine Meldung, die über Google News zugänglich gemacht wird, erreicht mühelos Tausende von Lesern und generiert so für die Verlage Seitenaufrufzahlen, von denen diese ohne Google News nur träumen könnten. Google News trägt so in erheblichem Umfang zum Erfolg entsprechender Online-Angebote bei, und das völlig gratis für die Zeitungsverlage. Die Leserströme, die von Google News auf die großen Nachrichtenportale kommen, stellen für die Seitenbetreiber einen Mehrwert dar, der sich in vorteilhaften Mediadaten niederschlägt und die Preise für Anzeigenplätze in die Höhe treibt, analog zur Auflagenhöhe von Druck-Erzeugnissen.


Ein Stück vom großen Kuchen


Doch das alles ist den Zeitungsverlagen nicht genug. Sie möchten ein Stück des Google-Kuchens abbekommen, der Einnahmen, die Google durch sein Kleinanzeigensystem erwirtschaftet. Das neue Gesetz soll dafür sorgen, dass Suchmaschinenbetreiber an die Zeitungsverlage Tantiemen abführen müssen, wenn sie deren Inhalte auffindbar machen. Jemand hier, der mir Geld dafür bezahlt, wenn er im Gegenzug meinen Wagen waschen darf?

Ich nehme an, dass die Suchmaschinenbetreiber auf dieses Ansinnen völlig anders reagieren werden als erhofft. Sie werden die fraglichen Inhalte aus den Suchergebnissen und Newsströmen herausfiltern und damit den Großverlagen die kostenlosen Besucherströme abschneiden. Diese werden dann dazu übergehen müssen, bezahlte Inserate im Google AdWords-System zu schalten, um das gewohnte Niveau zu halten und ihre Anzeigenkunden zufriedenzustellen. Dass das ein verdammt teurer Spaß werden wird, der die Frage nach weiteren Refinanzierungsmodellen für die Verlage noch immer unbeantwortet lässt, steht auf einem völlig anderen Blatt.


Sonntag, 26. August 2012

136 »Der Astronaut von Palenque«

Teil 136 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Die Palenque-Briefmarke von
Paraguay
Foto: W-J.Langbein
Am 6. Dezember 1974 brachte Paraguay eine besonders schöne Briefmarke heraus, die ein fantastisches Thema gestaltet: Außerirdische besuchen in grauer Vorzeit Planet Erde. Konkret wird auf Erich von Dänikens These hingewiesen, die Möglichkeit vorgeschichtlicher Astronautenbesuche postuliert. Im Bild wird eine Verbindung zwischen moderner Raumfahrt und mexikanischer Kunst hergestellt ... zwischen Raumschiffen, wie wir sie kennen ... und der geheimnisvollen Reliefarbeit aus dem Tempel der Inschriften. Das Hauptmotiv der »Grabplatte von Palenque« erinnert in der Tat in verblüffender Weise an einen schwerelos schwebenden Astronauten in seiner Raumkapsel ...

Der dickliche kleine Mann redet sich in Rage: »Und nach diesem Däniken haben Außerirdische diesen Tempel gebaut ... und in der unterirdischen Gruft einen verunglückten Astronauten bestattet!« Der kleine Herr wischt sich den Schweiß von der Stirn und deutet theatralisch auf den »Tempel der Inschriften« von Palenque. »Nichts davon ist wahr!« Die kleine Reisegruppe lässt Laute des Unmuts und der Empörung vernehmen. Ein Teilnehmer ruft: »Unmöglich, dieser Däniken! Aber diese Österreicher glauben ja, sie könnten die ganze Welt an der Nase herumführen!« Applaus brandet auf.

Der mysteriöse Tempel der Inschriften
Foto: W-J.Langbein
Der rundliche Reiseführer – ein Magister der Theologie, wie ich später erfahre – trumpft auf: »Kein Stein dieses Tempels ist Werk von Außerirdischen! Und ein Außerirdischer wurde niemals in der Gruft bestattet! Däniken ist doch schon längst widerlegt!« Vorsichtig nähere ich mich der kleinen Gesellschaft: »Ich habe die Bücher des Schweizers Erich von Däniken alle gründlich gelesen. Nirgendwo hat er so einen Unsinn behauptet, wie Sie ihm unterstellen ... Oder sollte es einen Schriftsteller gleichen Namens aus Österreich geben, der solchen Quatsch von sich gibt? Der bekannte Erich von Däniken jedenfalls ist Schweizer, kein Österreicher!«
Eine sachbezogene Antwort erhalte ich nicht. »Sie gehören nicht zu unserer Reisegruppe ...« Danach folgt nur Schweigen.

Tatsächlich aber gibt es Hinweise auf Außerirdische in Palenque ... nur dass sie nicht als solche bezeichnet werden. Es ist das uralte Volk der Hopi-Indianer, das die Erinnerung an Besucher von außerhalb der Erde bis in unsere Tage am Leben erhält. Über dieses Thema habe ich mich mehrfach mit dem leider verstorbenen ehemaligen NASA-Mitarbeiter Josef Blumrich (1913-2002) unterhalten. Josef Blumrich, einst ein führender Mann bei der NASA, machte sich als Chronist der Hopi-Indianer verdient. Der Stammesälteste White Bear Fredericks (1905- 1996), vermutlich einer der letzten Eingeweihten seines Volkes, erzählte Blumrich die rätselhafte Geschichte der Hopi. Immer wieder begegnen uns Außerirdische, die den Hopi wohlvertraut waren.

Fünf Kachinas, fünf Boten
aus dem All.
Fotos: Archiv Langbein
Seit 1968 Dänikens »Erinnerungen an die Zukunft« erschien, fasziniert mich der »Tempel der Inschriften«. Laut Überlieferung der Hopi-Indianer gab es einst himmlische Lehrmeister, die in der Universität von Palenque die Menschen in den Wissenschaften unterrichteten. Waren diese »Himmlischen« höchst reale Astronauten, kosmische Besucher von fernen Welten? Erich von Däniken bejaht diese Frage.
Wurden seine Gedanken zur Grabplatte von Palenque wirklich längst widerlegt, wie so oft behauptet wird? Stellt das steinerne Relief auf dem monströs anmutenden Sarkophag in der Gruft von Palenque zwei Meter unter der Basis der »Pyramide der Inschriften« etwas ganz anderes als einen Astronauten dar?

Ein Kuriosum ist die aus einem einzigen Monolithen gefertigte Grabplatte (Maße 3,80 Meter mal 2,20 Meter) allemal: Über den Verwinkelten Abstieg durch den steinernen Leib ist das mysteriöse Kunstwerk sicher nicht an ihren Bestimmungsort gebracht werden. Die Platte ist einfach zu groß, der Gang ist zu schmal und zu niedrig. Man kann mit gewaltigem Aufwand die tonnenschwere Steinplatte drehen, wenden oder kippen wie man will ... sie passt nicht durch den steilen und verwinkelten Gang. Es gibt nur eine Lösung: Man muss die Pyramide (Gang inklusive) über die bereits bestehende Gruft (mit dem Sarkophag darin) gebaut haben!

Die umstrittene Grabplatte
von Palenque
Foto: Ingeborg Diekmann
Keine Frage: Der Sarkophag muss eine ganz besonders wichtige Bedeutung gehabt haben. Aber welche? Vor allem: Was zeigt das Relief auf der Grabplatte, das auf der Briefmarke von Paraguay verewigt wurde? Einen Astronauten als Pilot in einer Art Spaceshuttle vielleicht? Diese fantastisch anmutende Erklärung ist bis heute von der Schulwissenschaft nicht widerlegt worden. Im Verlauf meiner Reisen durch Zentralamerika suchte ich immer wieder Palenque auf. Und immer wieder gab es neue Erklärungen für die mysteriöse, in den Stein gemeißelte Darstellung.

Und das verwundert mich: Wieso trägt jeder einzelne Wissenschaftler in Sachen Grabplatte von Palenque seine ganz persönliche Interpretation als der Weisheit letzten Schluss vor? Wieso geben die Vertreter der angeblich so wissenschaftlichen Mayaforschung nicht zu, dass zehn Wissenschaftler zehn grundverschiedene Erklärungen haben? In den rund sechs Jahrzehnten seit der Entdeckung der Grabplatte wurden unzählige Erklärungen vorgetragen: und alle widersprechen einander!

So manches Mal stieg ich hinab in die unterirdische Gruft von Palenque, quälte mich durch saunaartige Hitze und extreme Luftfeuchtigkeit ... Manches Mal bin ich auf einer der glitschigen Steinstufen ausgerutscht, zum Glück aber nie gestürzt. Und bei jedem Besuch war wieder eine neue Erklärung der Grabplatte aktuell, die allen bisherigen zum Teil radikal widersprach. Bei jeder dieser ach so wissenschaftlichen Lösungen des Palenque-Problems fragte ich mich:

Detail von der Grabplatte
Foto: W-J.Langbein
Welche »Erklärung« erfordert mehr Fantasie: die »Astronautengötter-Theorie«? Oder die wissenschaftliche? Aber halt: die wissenschaftliche Antwort auf die Reliefdarstellung von Palenque gibt es ja gar nicht! Es herrscht ein geradezu babylonisches Durcheinander in Sachen Palenque. Wer sich die widersprüchlichen Aussagen der gelehrten Herrschaften vor Augen führt, die alle so tun als hätten sie die Wahrheit gepachtet... wird an der Wissenschaftlichkeit vieler »wissenschaftlicher« Forschungsergebnisse zweifeln! (2)

Auch wenn Schulwissenschaftler gern so tun: Wie ein Buch lesen kann man die Grabplatte von Palenque bis heute nicht. Wir sind auf Spekulationen angewiesen!

Fußnoten
1 Blumrich, Josef: »Kasskara und die sieben Welten«, Wien und Düsseldorf 1979
2 Siehe hierzu Langbein, Walter-Jörg: »2012«, München, 2. Auflage 2011




In Memoriam Neil Armstrong - 5.8.1930 - 25.8.2012

»Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.« Diese Worte sind legendär. Gesprochen hat sie Neil Armstrong, der er als erster Mensch den Mond betrat.

Armstrong war der Kommandant der Apollo-11-Mission. Am 21. Juli 1969 betrat er als erster Mensch den Erdtrabanten. Am 25. August 2012 ist Neil Armstrong im Alter von 82 Jahren an den Folgen eines Herzeingriffs verstorben.

Für US-Präsident Barack Obama war Neil Armstrong einer »der größten amerikanischen Helden, nicht nur zu seiner Zeit, sondern für alle Zeiten«. Die Mondlandung 1969 beflügelte die Diskussion um die fantastischen Thesen Erich von Dänikens. Sein erstes Buch »Erinnerungen an die Zukunft« war wenige Monate zuvor erschienen ... mit dem »Astronauten von Palenque« auf der Titelseite.

Weltweit wurde damals diskutiert: Wenn wir Menschen heute Raumfahrt betreiben können ... warum soll dies nicht intelligenten Bewohnern fremder Planeten schon vor Jahrtausenden möglich gewesen sein? Gibt es Hinweise auf Besuche Außerirdischer in grauer Vorzeit auf Planet Erde?

Vor einigen Monaten zeigte sich Armstrong in einem offenen Brief an den Präsidenten Barack Obama sehr besorgt um die Zukunft der amerikanischen Raumfahrt. Mit anderen namhaften Unterzeichnern kritisierte Armstrong die Entscheidung, keine weiteren bemannten Flüge zum Mond durchführen zu lassen. Mit Neil Armstrong starb der erste Mensch, der den Mond betrat.

Ich bin davon überzeugt, dass es auch in Zukunft bemannte Missionen zum Mond geben wird. Wird der nächste »Mann im Mond« ein Chinese sein?

»Aufbruch in den Kosmos?«,
Teil 137 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 02.09.2012


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Freitag, 24. August 2012

Breivik: Endlich hat der Spuk ein Ende – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Es hatte etwas durchweg Bizarres, mit welcher Ernsthaftigkeit sich Justiz, Medien und Öffentlichkeit mit den verqueren Thesen des Massenmörders Anders Behring Breivik auseinandersetzten. Für ihn mag sich seine entsetzliche Tat schon alleine wegen dieser medialen Aufmerksamkeit für seine Kreuzritter-Fantasien mehr als gelohnt haben. Wie einen Tanzbären am Nasenring hat Breivik die Weltöffentlichkeit hinter sich hergeführt und über mehr als ein Jahr lang die Illusion aufrecht erhalten, dass es sich ernsthaft lohne, den weltanschaulichen Ballast der letzten tausend Jahre im Rahmen der juristischen Aufarbeitung eines 77-fachen Mordes genauer zu betrachten.

Soeben hat das entwürdigende Schauspiel endlich ein Ende: Vor einer halben Stunde wurde der Massenmörder Anders Behring Breivik in Oslo zur Höchststrafe verurteilt: 21 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Ein Urteil, für das man keine 10-wöchige Breivik-Show vor Gericht gebraucht hätte, da seine Schuld von Anfang an zweifelsfrei feststand.


Massenmörder oder Kreuzritter?

Die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, die Breivik im Rahmen seines Prozesses gebührend auskostete, ist ein gefährliches Signal für Nachahmungstäter aller Art. Wer auch immer nach medialer Aufmerksamkeit dürstet, der weiß nun endgültig, dass ihm immer noch dieser Weg offen steht, um endlich über genügend »Relevanz« für eine eigene Wikipediaseite zu verfügen. Dank fleißiger Helfer aus Justiz und Medienwelt kann sich jeder Behämmerte seinen Platz in der Geschichte sichern. Hier enthüllt sich die faktische Unmenschlichkeit eines Rechtsstaates, der sich immer wieder aufs Neue selbst zitiert und sich in seiner Gutmenschlichkeit zur Karikatur macht. Ja: Ein unbestrittener und geständiger Massenmörder hat selbstverständlich das Recht auf einen fairen Prozess, während die überlebenden Opfer und Zeugen die Pflicht haben, den Horror vor den Augen der Öffentlichkeit im Zeugenstand aufs Neue zu durchleben.

Die Bereitschaft der Justiz, sich mit ideologischem Ballast auseinanderzusetzen, mit dem ein Massenmörder sich zum Kreuzritter hochzustilisieren versucht, zeigt eine bedenkliche Tendenz. Die Botschaft ist: Wenn wir nur tief genug graben, dann finden wir etwas, was den Mord an 77 Menschen rechtfertigt. Was die Tat nicht nur weniger monströs aussehen lässt, sondern sie vielleicht sogar verständlich macht. Eine höhere Idee, der sich die paar Toten unterzuordnen haben. Die vergessen macht, dass die Begriffe Massenmörder und Kreuzritter Synonyme sind. Welchen Grund könnte es sonst geben, jemandem wie Breivik eine derartige Plattform zu bieten?


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Sonntag, 19. August 2012

135 »Gold, Gold ... Gold«

Teil 135 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein








Santo Domingo
Foto: Håkan Svensson (Xauxa)
»Als Pizarro am 15. November 1533 in Cusco (Cuzco) einritt, muss die Stadt unermesslich reich und schön gewesen sein. Pizarro ließ fast alles Gold und Silber zusammentragen und einschmelzen, die Paläste zerstören, doch gegen viele Mauern hatte er – zum Glück – keine Chance. Sie dienten dann meist Grundmauern der Kirchen, die die Spanier auf ihnen errichteten – Sinnbild einer aufgepfropften, fremden Kultur.« Mit diesen knappen Worten fasst Kai Ferreira Schmidt (1) treffend den Zusammenprall zweier Kulturen in Peru zusammen: Christliches Abendland begegnet dem »heidnischen« Inka-Reich. In kürzester Zeit wird eine uralte Kultur ausgeplündert und ausgelöscht. Im Foto markiert: die stattliche Inkamauer im christlichen Gotteshaus, die allen Erdbeben trotzte ...

Wer im Theaterstück »Eroberung des Inkareiches« den Part der Barbaren spielt ... verdeutlichen Pizarros Gefangennahme des Inka-Herrschers und die anschließende Lösegelderpressung. Ein großer Raum – fünf Meter lang, drei Meter hoch – wurde von den Inkas mit Kostbarkeiten aus Gold gefüllt, der Inka-Herrscher aber dann doch nicht – wie versprochen – freigelassen, sondern erwürgt. Die Vertreter europäischer Kultur erwiesen sich als übelste Verbrecherbande. Die Plünderer hatten bereits riesige Reichtümer zusammengerafft ... das gewaltige Lösegeld für Atahualpa bereitete ihnen dann Probleme (2):

Santo Domingo,
Inkamauer von innen
»Dieser Handel war ganz nach dem Geschmack der Spanier. Sie hatten schon gewaltige Beute gemacht, doch jetzt gingen ihnen die Augen über, als sie sahen, wie die Kammer gefüllt wurde. Und dann wußten sie nicht, wie sie all die kunstvollen Teller, Schüsseln, Gefäße, Schmuckstücke und Kunstwerke untereinander verteilen sollten.
So mussten fünf Wochen lang indianische Goldschmiede die Erzeugnisse ihrer Kunstfertigkeit in gleichmäßige Barren von gleichem Gewicht einschmelzen – ein überzeugender Beweis für das überragende Kulturniveau des abendländischen Menschen.«
Was für eine Barbarei! So wurden Kunstschätze in unvorstellbaren Massen unwiederbringlich zerstört. Dieses Schicksal wurde auch den Kostbarkeiten aus dem Qoricancha zuteil. Qoricancha war keineswegs nur ein Tempel, sondern ein sakraler Bezirk in Cuzco ... das zentrale Heiligtum des Inkareiches. Was die Inka-Baumeister errichteten, das hatte Bestand! So wurden der zum Teil kunstvoll rund geschwungene Inkamauer an der Rückseite von Santo Domingo von mehreren Erdbeben keine nennenswerten Schäden zugefügt.

Die millimetergenau zugeschnittenen und glatt polierten Steine der Inkas behielten weitestgehend ihren Platz ... späteres Mauerwerk fiel oft in sich zusammen.

Santo Domingo,
Inkamauer von innen
Der legendäre erste Inka-Herrscher, Manco Capac, hatte sich eine fürstliche Residenz bauen lassen. Der Inka Capac Yupanki weihte die altehrwürdigen Bauten dem Sonnengott Inti. So wurde aus einem weltlichen ein sakral-göttlicher Palast.
Die Gold- und Silberschätze aus dem Tempel-Areal sind von den Spaniern geraubt worden ... die Tempelmauern, so nahm man an, hatten die Conquistadores allesamt eingerissen. Dann kam es im Jahr 1950 zu einer schlimmen Erdbebenkatastrophe ... und die Naturgewalten brachten Überreste des ehemaligen Sonnenheiligtums zutage! Im Kloster und in der Kirche Santo Domingo sind heute noch Teile der einstigen Sakralbauten zu besichtigen.

Betritt man das Kloster, so sieht man schon vom Eingang her den weiträumigen Hof der Mönche. Rechts und links von den Kreuzgängen finden sich die traurigen Überbleibsel uralter Inka-Baukunst.

Das düster wirkende Mauerwerk
war einst von Gold und Silber
überzogen. Foto: W-J.Langbein
Auf mich macht das Gemäuer einen tristen Eindruck ... zu Zeiten der Inkas aber glänzte hier das pure Gold! Zur linken Seite hin trifft man auf Überbleibsel des »Tempels des Regenbogens«. In steinernen Trapez-Nischen wurden hier Götterstatuen aus purem Gold verehrt. Die Spanier ließen sie einschmelzen. Im »Zentralheiligtum« herrschte zu Zeiten der Inkas absolute Stille. Auf goldenen Thronen saßen die Mumien der Inka-Herrscher. Ihre Gesichter waren von Masken aus Gold bedeckt. Als Zeichen der Autorität hielten die Mumien Szepter ... aus Gold. Ihre Kleidung entsprach dem hohen Rang der Herrscher, aus kostbarer Vicuna-Wolle gewebt. Üppiger Goldschmuck zierte die als »heilig« angesehenen Mumien. Die Spanier schändeten die Toten. Rissen ihnen Goldmasken und Goldschmuck ab, raubten die goldenen Ehrenzeichen und verbrannten die Toten.

Es grenzt an ein Wunder, dass heute noch im christlichen Heiligtum Santo Domingo altehrwürdiges Inka-Mauerwerk zu sehen ist. So überstanden Teile des Mondtempels die Zerstörungswut der Spanier und der christlichen Bauherren. Im Mondtempel, so wird überliefert, huldigte man dem Mond, der als massive Scheibe aus Silber präsent war. Verehrung des Mondes weist auf die Tradition der Göttin hin ... die im Christentum auch heute noch nicht nur geduldet, sondern gefördert wird. Allerdings wurde aus der heidnischen Mondgöttin die christliche »Mutter Gottes«. In zahllosen Darstellungen aus vielen Jahrhunderten steht sie ... auf einer Mondsichel.

Santo Domingo - Der Tempel in der
Kirche - Foto: Upload Bot (Colegota)
So nimmt es nicht wunder, dass die Mumien der verstorbenen Frauen der mächtigen Inka-Herrscher im Mondtempel auf silbernen Thronen saßen. Und es bedarf eigentlich nicht der Erwähnung, dass auch diese Toten von den Spaniern geschändet, beraubt und verbrannt wurden! Wo blieb da der Respekt vor der Totenruhe?

Von den Gold- und Silberschätzen der Inkas ist so gut wie nichts geblieben. Von den Bauten des Tempel-Bereichs von Cuzco überstanden Mauerreste die Jahrhunderte ... und die sind nach wie vor imposant! So erinnern manche Türen zwischen einzelnen »Zimmern« an Tresore unserer Zeit. Sie sind aber nicht aus Metall, sondern aus Stein. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Präzision oftmals härtester Stein geschnitten und poliert wurde!

Wenn man es schafft, den aufmerksamen »Wächtern« der Kirche zu entkommen, dann kann man auch da oder dort gespannte Seile missachten und so manches »versteckte« Mauer-Relikt aus Inka-Zeiten bewundern. Ich stand vor so manchem »Eingang« aus Stein ... und fragte mich, wie wohl die Tür ausgesehen haben mag. Waren die Türen ebenso massiv wie die »Rahmen«? Dienten sie als Schutz für die Kostbarkeiten aus Gold und Silber? Ich glaube nicht: Den Inkas waren die Heiligtümer ihrer Göttinnen und Götter sakrosankt. Kein noch so armer Bauer hätte sich an den Kostbarkeiten vergriffen!

Tresortüren aus Stein
Fotos: W-J.Langbein
Was mir trotz mehrerer Anläufe nicht gelang ... Die Kirche von Santo Domingo wurde auf Tempelmauern der Inkas gebaut. Und die wichtigsten Tempel der Inkas waren nicht zufällig positioniert: Sie standen auf unterirdischen Gängen, auf einem angeblich gewaltigen unterirdischen System von Tunneln. Von den Tempeln aus konnte man in die mysteriöse Unterwelt hinabsteigen. In dieser Unterwelt sollen noch heute gewaltige Goldschätze versteckt sein, die von mutigen Inkas vor den geldgierigen Spaniern in Sicherheit gebracht werden konnten.

Mir wurde wiederholt versichert, dass mehrere Eingänge in die Unterwelt von Cuzco entdeckt wurden ... auch in der Kirche von Santo Domingo. Man zeigte mir einen Bretterverschlag, hinter dem sich angeblich so eine Tür befinden soll! Warum bleibt sie verschlossen? Warum wurde es nicht schon lange einer Kommission von internationalen Forschern ermöglicht, in die mysteriöse Unterwelt zu steigen.
Ein Pater erklärte mir in Santo Domingo: »Das Lösegeld für Atahualpa kam aus allen Teilen des Inkareiches. Die schwer bepackten ›Karawanen‹ waren oft viele Wochen unterwegs, bis sie in Cuzco ankamen! Nachdem Atahualpa ermordet worden war, trafen immer noch unermessliche Schätze ein. Es soll einer nahen Verwandten Atahualpas gelungen sein, beträchtliche Schätze vor den Spaniern zu verbergen und in den Chinkanas unter Cuzco zu verbergen!«

Von den Spaniern
zerschlagenes
Mauerwerk.
Foto: W-J.Langbein
Bewundernswert ist die Steinmetzkunst aus Inka-Zeiten. Keine Frage: Die Baumeister der »wilden« Inkas waren jenen der »zivilisierten« Europäer überlegen! Die Inkas hatten wahre Meister der Goldschmiedekunst und der Steinbearbeitung ... die Eroberer waren »Meister« im Rauben, Zerstören und Töten! Wenn Nachfahren der stolzen Inkas wissen, wo noch Goldschätze aus Atahualpas Zeiten verborgen sind .... warum sollten sie das Geheimnis den Nachkommen jener Räuber offenbaren, die einst den Inka-Regenten ermordeten und die Kultur der Inkas zerstörten?

Fußnoten
1 Schmidt, Kai Ferreira: »Peru Bolivien«, 2. vollständig überarbeitet und erweiterte Auflage, Markgrönningen, 6/ 2000, S. 192 unten und S. 193 oben
2 Leithäuser, Joachim G.: »Ufer hinter dem Horizont«, Berlin 1968, S. 191


»Der Astronaut von Palenque«,
Teil 136 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 26.08.2012


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Freitag, 17. August 2012

Vorsicht Baustelle! - die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
So langsam scheint System in das Chaos zu kommen: Brach liegende Großbaustellen sind inzwischen strategisch über das Land verteilt. Neben dem Bahnhof Stuttgart 21 (wird inzwischen weitergebaut) und der Hamburger Elbphilharmonie (Eröffnungstermin steht weiter in den Sternen) ist es vor allem der neue Flughafen Berlin-Brandenburg, der beweist, dass unser politisches System bereits faktisch handlungsunfähig ist. Alle drei Großprojekte zeichnen sich nicht nur durch eine extrem verschleppte Bauphase aus, sondern auch durch die Tatsache, dass sie allesamt wesentlich teurer werden als zuvor geplant. Klar: Dass Lärmschutzmaßnahmen für die Flughafenanwohner nötig werden könnten, war nun wirklich nicht absehbar. Wer hätte auch ahnen können, dass all die Häuser tatsächlich bewohnt sind? *ironie off*

Da trotz aller Aufsichtsratssitzungen, Planfeststellungsverfahren und einem personellen Wechsel in der technischen Leitung des Vorhabens niemand mehr den Durchblick hat, passt es ins Bild, dass ausgerechnet ein polizeibekannter Islamist beim Sicherheitsdienst der Baustelle arbeitete, was den Verantwortlichen wohl im Eifer des Gefechts entgangen sein mag.

Drei Baustellen. Drei leuchtende Symbole für das nervenaufreibende Klein bei klein, das für unsere Gesellschaft symptomatisch geworden ist. Nach den Grundsätzen des Teamworks (Team: gutmenschliche Abkürzung für »Toll, Ein Anderer Machts!«) werden Verantwortlichkeiten einfach immer auf den jeweils anderen geschoben: »Dafür ist das Parlament zuständig!« – »Nein, das Verfassungsgericht! Oder ist es nicht sowieso Ländersache?« – »Machen wir eine Volksabstimmung!« – Dass es in diesem System überhaupt noch möglich ist, auch nur ein Dixie-Klo irgendwo aufzustellen, grenzt wirklich an ein Wunder!

Ob Stuttgart seinen Bahnhof, Hamburg sein Konzerthaus oder Berlin seinen Flughafen tatsächlich noch bekommt, steht in den Sternen. Die Erkenntnis, dass schon längst niemand mehr die Zügel in der Hand hält, lässt sich nicht mehr länger verschleiern. Kein Problem, denn in diesem Chaos kommt ein weiteres Prinzip zum Tragen: »Toll, ein anderer wars!«


Montag, 13. August 2012

Das Haus vom Nikolaus

Franken-Thriller von Volker Backert,
vorgestellt von
Walter-Jörg Langbein


Blick in den Gottesgarten
Foto: W-J.Langbein
Einst war das Maintal im Oberfränkischen ein echtes Idyll. Man nannte die Region um Michelau, Lichtenfels und Bad Staffelstein zu Recht den »Gottesgarten«. Als Schulknabe fuhr ich oft vom heimatlichen Michelau zum Gymnasium im etwa fünf Kilometer entfernten Lichtenfels und wieder zurück. Heute grenzt es schon fast an Todessehnsucht, will man diese Strecke mit dem Fahrrad absolvieren. Das einst so schöne Maintal ist förmlich auseinander gerissen worden ... Ein Opfer wurde dem Straßenverkehr gebracht.

Und doch ist das einstige Gottesgärtchen immer noch eine Reise wert: Schloss Banz, Vierzehnheiligen, Staffelberg, die Veste Coburg und so manches Fest zur Sommerszeit locken.

Volker Backert spricht diesen traurigen Sachverhalt in seinem Thriller »Das Haus vom Nikolaus« an:

»›Erst mal drüberfliegen!‹, entschied Charly. Links thronte Kloster Banz, gegenüber ragte Vierzehnheiligen empor. Genau dazwischen hatte die A 73 samt Ein- und Ausschleifungen den einstigen ›Gottesgarten am Obermain‹ plattgemacht.«

In Backerts Thriller wütet ein Serienkiller im Fränkischen. Er sucht sich seine Opfer auf der »Berch Kerwa« in Erlangen, beim »Coburger Samba-Festival«, bei der »Obermain-Beach-and-River-Party« ... kurz gesagt dort, wo recht viele Menschen ausgelassen feiern.

Schloss und Kloster Banz - Foto: W-J.Langbein
Volker Backert, 1962 in Coburg geboren und am Obermain aufgewachsen, studierte in München und Bayreuth. In Coburg hat er einen Job als »Abteilungsleiter für Öffentliche Sicherheit«. Seit Jahren arbeitet er eng mit der Polizei zusammen. So verwundert es nicht, mit welcher Präzision er die Arbeit der Polizei bei der Suche nach einem gefährlichen Serienkiller schildert.

Auch ist ihm die Pressearbeit vertraut. Und so überzeugt er auch mit seiner glasklaren Analyse des Umgangs von Sensationsmedien mit der Realität ... wenn es um die Berichterstattung über blutrünstige Verbrechen geht. »Das Haus vom Nikolaus« - eine mysteriöse »Signatur«, die der Mörder seinen Opfern in den Leib schneidet – ist bestechend in seiner Beschreibung von eigentlich unfassbarer Realität.

Wer glaubt, Serienmörder würden – wie der fiktive Hannibal Lecter – nur in reißerischen Romanen ihr Unwesen treiben, der irrt. Und wer glaubt, dass Serienkiller nur weitab von deutschen Landen Menschen morden, der irrt genauso gewaltig.

Richard Harris erfand die Horrorgestalt Lecter, machte den Arzt und Kannibalen weltberühmt. Anthony Hopkins übernahm die Rolle des psychopathisch-morbiden Mörders in »Das Schweigen der Lämmer«, »Hannibal«, »Roter Drache« und »Hannibal Rising – Wie alles begann« (2007). Was viele Kinogänger nicht wissen: Die Realität ist oft nicht weniger grausam als die Fiktion!

Robert John Maudsley, 1953 geboren, war der wirkliche, der reale Hannibal Lecter. Als jugendlicher, drogenabhängiger Stricher peinigte der Brite einen »Kunden« auf so grausame Weise zu Tode, dass er – ganz ähnlich wie Hannibal Lecter – in einem Hochsicherheitsgefängnis untergebracht wurde. Dort begann er eine Mordserie der grausamsten Art.

Hochsicherheitsgefängnisse wurden sein Zuhause. Seit nunmehr fast drei Jahrzehnten ist er im Wakefield-Gefängnis untergebracht, in Einzelhaft, in einer Doppelzelle ohne Fenster. Eine dicke Panzerglasscheibe trennt ihn von den Wächtern, die den gefährlichen Psychopathen ständig beobachten können. Sein Essen wird ihm auf Papptellern gereicht. Nur Plastikgeschirr darf er benutzen, weil ein metallenes Essbesteck in seinen Händen zur tödlichen Waffe würde. Sechs bis acht Wächter, unterstützt von äußerst scharfen Wachhunden, passen auf ihn auf, wenn er seinen »Spaziergang« auf einem streng bewachten Gang absolviert. Die Tiere wurden eigens für Maudsley angeschafft. Ein Kontakt zu Mitgefangenen sollte vermieden werden. Das gelang aber nur bedingt, was einige Mithäftlinge mit dem Leben bezahlen mussten.

Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen mordete der reale Hannibal Lecter im Gefängnis weiter, stets im Hass auf Homosexuelle und pädophile Straftäter. (1) Wiederholt soll es dabei zu Kannibalismus gekommen sein.

Am 5. März 2012 vermeldete »Daily Mirror«, Robert John Maudsley sei »bei schlechter Gesundheit«. Zwei Ärzte behandeln ihn, wohl nicht ohne Angst. Die Bevölkerung muss aber keine Angst haben: Maudsley gehört zu einer kleinen Minderheit von Häftlingen, die unter keinen Umständen je wieder in die Freiheit entlassen werden. Der gefährliche Mörder wird den Rest seiner Tage in Einzelhaft verbringen. Nur so kann die Öffentlichkeit vor der menschlichen Bestie geschützt werden.

Der Staffelberg - Foto: W-J.Langbein
Von England nach Deutschland. Auch im »Schatten des Staffelbergs« wurde gemordet... Im Frankenland suchte die Polizei vor Jahrzehnten 357 Tage lang nach dem Mörder von drei jungen Mädchen. Am 2. Weihnachtsfeiertag 1959 schlug der damals sechzehnjährige Manfred Wittmann erstmals zu und fiel über eine 19-Jährige her. Der Täter zwang sein Opfer, sich auszuziehen. Mit seinem Taschenmesser verletzte er die junge Frau schwer. Sie überlebte aber zum Glück. Zu einer Verhaftung kam es damals nicht. Gerüchte kursierten damals, wonach Manfred Wittmann Kratzwunden an den Händen hatte. Wie hatte er sich die Wunden zugezogen?

Fast ein Jahrzehnt verstrich. Dann, am 19. Dezember 1968 ermordete er auf bestialische Weise Nora Wenzl. Zwei weitere, grausame Morde folgten. Am 28. August 1969 tötete er Helga Luther, am 15. November 1969 Sieglinde Heubner. Jetzt erinnerte sich ein Zeuge an den Mordversuch von 1959 ... und an die Kratzspuren an den Händen von Manfred Wittmann. Er wurde verhaftet.

Am 15. Dezember 1971 wurde das Urteil verkündet: drei Mal lebenslänglich für drei Morde »zur Befriedigung seines sadistischen Geschlechtstriebes. Inzwischen wurde die Haft von der Strafvollzugskammer Regensburg auf Bewährung ausgesetzt. Bis zum 30. September 2012 soll, so das Gericht, »eine geeignete Unterbringung« gefunden werden für den inzwischen 69jährigen gefunden werden. Nach fast 42 Jahren Haft, so heißt es, mache eine weitere Inhaftierung des »gesundheitlich schwer Angeschlagenen keinen Sinn«. Eine »geeignete Unterbringung«, etwa bei einer karitativen Organisation, scheint bislang nicht gefunden worden zu sein. Möglicherweise wird Manfred Wittmann in einer Pension untergebracht werden müssen.

In Volker Backerts Roman »Das Haus vom Nikolaus« taucht Manfred Wittmann am Rande, aber mit Namensnennung auf:

»Angespannte Stille herrschte unter den zwölf Kripobeamten. Nur Charly klapperte ungeniert mit der Kaffeetasse, während Polizeidirektor Frank Ritter an einem PC die Tatortfotos studierte. ›Grausam … so was haben wir hier in der Region seit Wittmann in den Sechzigern nicht mehr erlebt.‹«

Fahrt durch den Gottesgarten - Foto: W-J.Langbein
Volker Backert ist mit »Das Haus vom Nikolaus« ein in höchstem Maße spannender Krimi, ein Thriller von Klasse und Format, gelungen. Autor Backert, wie der Rezensent am Obermain aufgewachsen, hat mit seinem Erstling überzeugt. Wie? Die »Neue Presse«, Coburg, brachte es in einer angemessenen Rezension auf den Punkt (2):

»Gründlich recherchiert, geschickt aufgebaut und flüssig geschrieben, bietet der 250-Seiten-Krimi professionelle Hochspannung, süffisanten Lesestoff und jede Menge Lokalkolorit. Allerdings auch drastische Gewaltszenen und unbehagliche Exkurse in menschliche Abgründe.«

Auch der Rezension des »Nordbayerischen Kurier« kann ich voll inhaltlich zustimmen. Da heißt es (3): »Der Autor Volker Backert hat mit seinem Erstling einen äußerst gelungenen Krimi hingelegt: Spannend konstruiert, gut erzählt, kenntnisreich angelegt und mit einem überraschenden Ende. Backert ist nämlich durchaus Profi: Als Abteilungsleiter für öffentliche Sicherheit arbeitet er eng mit der Polizei zusammen. Ein Umstand, der seinem Krimidebüt wohl tut. Backert hat einen Frankenkrimi geschrieben, der erzählerisch und kompositorisch auf einem hohen Niveau liegt."

Kenntnisreich ist Backerts Werk in jeder Hinsicht: in Sachen Ermittlungsarbeit der Polizei bei der Jagd nach einem Serienkiller, in Sachen Erstellung eines Täterprofils. Realistisch ist er auch in Sachen tagtäglicher Polizeiroutine. Spätestens als der Verdacht, ein Serienkiller könne »aktiv« sein, publik und von der Sensationspresse genüsslich zelebriert wird, arbeitet die Polizei unter wachsendem Erfolgsdruck. Schlagzeilen treiben die zunächst im Trüben fischenden Ermittler an. Die Politik will Erfolge sehen. Kaum gerät jemand unter Verdacht, droht verfrühter Jubel. Polizeiobrigkeit und Politik möchten so rasch wie möglich den Verdächtigen ... den Schuldigen präsentieren. Das Risiko ist groß. Leicht kann verfrüht der Falsche zum Täter erklärt werden. Und dann hat der wahre Killer freie Hand.

Es stimmt einfach alles: Der geschickte Aufbau des Romans vom Anfang bis zum packenden Finale hat mich überzeugt. Die Spannung wächst von Seite zu Seite, ohne dass das auf Kosten von Logikfehlern geht. Backert versteht es meisterlich, stets realitätsnah zu bleiben. Er stellt so manchen amerikanischen Megabestseller in den Schatten!

Volker Backert
Mir ging es so: Ich habe Backerts »Haus vom Nikolaus« zu lesen begonnen, weil der Thriller in meiner fränkischen Heimat spielt. Ich wollte – durchaus kritisch – überprüfen, in wieweit reale Szenarien beschrieben werden. Würde ich das schöne Frankenland erkennen? Mich hat bald das liebevoll-präzise Lokalkolorit begeistert. Dann aber geriet ich in den Sog der Handlung. Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ich musste einfach weiter und weiter lesen. Ich wurde förmlich in den Strudel der immer schneller ablaufenden Handlung gezogen.

Lesend folgte ich dem Geschehen von Tatort zu Tatort im Oberfänkischen, von grausiger Mordtat zu grausiger Mordtat, in die Finsternis der Seele eines Serienmörders. Mörder und Polizei arbeiten beide gegen die Zeit. Der psychopathische Mörder hat sein Ziel im Auge, seinen finalen »Höhepunkt« in einer Mordserie. Der wahnsinnige Kranke will seine Macht demonstrieren: seinen Opfern gegenüber, aber auch der Polizei gegenüber. Am Schluss möchte er als triumphierender Allmächtiger erkannt, anerkannt werden.

Die Polizei ist im Nachteil. Der Täter ist ihr immer um Schritte voraus. Die Polizei kommt ihm langsam auf die Spur. Wird es den Ermittlern gelingen, den Täter einzuholen? Kann die Polizei zugreifen, noch bevor ein weiterer Mord geschieht? Ist es möglich, den Täter zu manipulieren? Kann man ihn durch gezielte Pressemeldungen beeinflussen? Ist es möglich, den nächsten Mord zu verhindern ... oder zumindest hinauszuzögern? Oder muss die Polizei ohnmächtig weitere Untaten geschehen lassen?

Positiv fällt auf: Die Gewaltszenen, die Backert beschreibt, sind durchaus drastisch, aber nie reine Effekthascherei, nie übertrieben, nie Selbstzweck. Natürlich will ich das überraschende Ende nicht verraten. Klar ist, dass am Ende das Gute obsiegt, sprich der blutrünstige Serienmörder zur Strecke gebracht wird. Natürlich wird sein letztes Opfer noch gerade rechtzeitig befreit.

Eigentlich lese ich so gut wie keine Krimis oder Thriller. Aber »Das Haus vom Nikolaus« habe ich in einem Rutsch verschlungen. Ich weiß jetzt, wer der Mörder ist. Das Ende war für mich überraschend, obwohl ich als Autor vieler Kurzkrimis »vom Fach« bin. Ich frage mich, wann es erste Hinweise auf den Täter gab, die ich womöglich übersehen habe. Auf alle Fälle werde ich »Das Haus vom Nikolaus« ein zweites Mal lesen – und jetzt in Ruhe genießen!

Ich kann »Das Haus vom Nikolaus« nur wärmstens empfehlen. Auch was Krimis angeht, muss es nicht immer nur »Amikost« sein! Und ein Besuch im Frankenland ... lohnt sich wirklich. Die Basilika von Vierzehnheiligen ist eine Perle sakraler Baukunst. Sie liegt am Jakobsweg ... und just in der Region, in die uns Volker Backert mit seinem Roman entführt!

Fußnoten
1 Die Angaben über Robert John Maudsley, seine Haftbedingungen und Straftaten variieren in den zahlreichen Berichten. Jaques Bauval hat ein Buch über den Serienmörder verfasst.
Bauval, Jaques: Der wahre Hannibal Lecter, Augsburg 2003
2 »Neue Presse«, Coburg, 08.07.2010
3 »Nordbayerischer Kurier«, Bayreuth, 2.10.2010 (links: Vierzehnheiligen, Foto Ingeborg Diekmann)


Volker Backert: Das Haus vom Nikolaus, Emons Verlag 2010, 254 Seiten, Euro 9,90
Volker Backert: Das Haus vom Nikolaus" rel="nofollow" target="_blank">Das Haus vom Nikolaus, Emons Verlag, kindle-Edition 2011, Euro 8,49



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Sonntag, 12. August 2012

134 »Noch ein kurioser Stein und der Garten aus Gold!«

Teil 134 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Rückseite von Santo Domingo
mit  Inkamauern
Foto: Håkan Svensson (Xauxa)
Mächtig und wehrhaft wirkt auch heute noch die steinerne Mauer an der Rückseite von Santo Domingo. Sie ist Teil des einstigen Heiligtums »Nr.1« der Inkas und hat schon im Verlauf vieler Jahrhunderte so manches Erdbeben überstanden.
An der Rückseite der Kirche entdeckte ich Hunderte von präzise bearbeiteten Steinen aus den Zeiten der Inkas, von fleißigen Archäologen in der Art einer steinernen »Prozession« aneinandergereiht. Sie stammen wohl vom Coricancha- Tempel. Der von den Spaniern verfälschte Name lautete in Quechua, der Inka-Sprache, »Qoricancha«, zu Deutsch »Goldener Hof«. Aber auch das war wohl nicht der Originalname ... der lautete wohl »Intikancha«, zu Deutsch »Sonnentempel« oder »Sonnenbezirk«.

Auf der Rückseite des stolzen Sakralbaus der katholischen Kirche lagen sie in Massen ... die steinernen Zeugnisse der Inka-Steinmetze. Wie in Tiahuanaco und Puma-Punku hatte ich den Eindruck, dass es so etwas wie genormte Steinformate gab. Und die wurden vor vielen Jahrhunderten wie am Fließband gefertigt, mit welchen Werkzeugen auch immer.

Massenprodukt Stein - Foto W-J.Langbein
Zwischen diesen uralten Bauelementen entdeckte ich zwei steinerne »Motore«... und einen weiteren, länglichen Stein. Genauer gesagt: Es handelt sich um ein Bruchstück eines größeren Steins. Die Bezeichnung »Stein« kommt mir irreführend vor. Auf mich macht das mysteriöse Objekt den Eindruck, als habe man ein technisches Werkstück kopiert, sprich in Stein nachmodelliert. Und von dem merkwürdigen, nachgebauten »Apparat« ist nur noch ein Teil erhalten.

Ich versuche objektiv zu beschreiben, ohne zu interpretieren ... Auf der Oberseite erkennt man präzise in den harten Stein gefräste Rillen, fünf an der Zahl. Am Ende jeder dieser Rillen findet sich ein säuberlich gebohrtes Loch. Die Bohrung führt durch den Stein, tritt an der Seite aus ... mündet wiederum in ein gebohrtes Loch. Darunter befindet sich – aus dem Stein gemeißelt – so etwas wie eine schmale »Leiste«. In diese Leiste wurden – unter den Löchern – wiederum Rillen eingefräs t... und die führen wiederum in sauber gebohrte Löcher, die im Stein verschwinden. Zu welchem Zweck wurden diese millimeterkleinen Löcher gebohrt? Darf man den Stein technisch interpretieren?

Der mysteriöse »Lochstein« (oben),
darunter einige der Bohrungen
Fotos: W-J.Langbein
Wenn ich meiner Fantasie freien Lauf lassen darf: Dieses Werkstück wäre ideal für Kabel, Stromleitungen etwa, geeignet ... nicht für Wasser. Die eingefrästen Rillen sind so schmal, dass sie nur winzigste Wassermengen im Tropfenbereich aufnehmen können. Auch die Bohrungen durch den Stein sind völlig ungeeignet, um eine Flüssigkeit zu befördern. Kleinste Schmutzpartikel würden rasch die Minikanälchen verstopfen.

Die Inkas kannten aber keinen elektrischen Strom. Kabel waren ihnen ebenso unbekannt wie elektronische Bauteile. Könnte es sein, dass Inkas – oder schon ihre Vorfahren – so etwas wie nicht verstandene Technologie sahen und kopierten?

Die Cargo-Kulte verschiedener Südseeinseln beweisen: Naturvölker verstanden vor Jahrzehnten überlegene Technologie nicht. Flugzeuge waren für die »Eingeborenen« rätselhafte Fabelwesen, die sie staunend beobachteten ... Später haben sie diese scheinbar überirdischen Wesen imitiert, nachgebaut ... mit primitiven Mitteln. (1) Wenn wir nicht wüssten, dass diesen künstlerisch ansprechenden Objekten reale Begegnungen mit Flugzeugen zugrunde liegen ... würden wir die aus einfachen Materialien nachgebauten Objekte auch heute noch für imaginäre Fabelwesen halten.

Für Südseeinsulaner war es eine Art Fabelwesen ...
Wir erkennen es als Flugzeug. Foto: W-J.Langbein
Sollten die Inkas ... oder deren Vorläufer ... mit Technologie in Berührung gekommen sein: mit Motoren zum Beispiel? Diese Motoren können dann aber kaum irdischen Ursprungs gewesen sein. Sollten die Inkas Kontakt mit Außerirdischen gehabt haben?
Zurück zu den kuriosen Steinen von Santo Domingo in Cuzco. Ein zweites Mal tauchte der schwäbelnde Geistliche im wehenden Talar auf. »Kennen Sie die Geschichte vom ›Goldenen Garten‹?« Natürlich hatte ich mich auf meine Reise nach Cuzco gut vorbereitet. So war mir der »Goldene Garten« ein Begriff. Ich fasste – mit etwas Stolz – mein Wissen in Sachen Inka-Gold zusammen.

Santo Domingo,
die Inkamauer von innen
Foto: Ingeborg Diekmann
Der legendäre Tupac Capak und seine Nachfolger erbeuteten auf ihren Feldzügen unermessliche Mengen Goldes – bei den Chimú, deren Kunstfertigkeit mehr als meisterhaft war. Und so vereinnahmte Tupac Capak nicht nur das kostbare Metall. Er verschleppte auch die besten Goldschmiede der Chimú, die von nun an für den Inka arbeiten mussten. Chimú-Goldschmiede waren es, die ein riesiges Standbild des Sonnengottes Inti kreierten. Sie fertigten auch – ebenso aus purem Gold – eine gewaltige Sonnenscheibe an: für die religiöse Metropole Cuzco. Vielleicht noch bedeutsamer war eine Statue von »Mama Ocllo«. »Mama Ocllo« war eine jener Urgöttinnen aus den Zeiten des Matriarchats, als Göttinnen die Schicksale der Menschen bestimmten.

»Wenn man nur diese Inka-Mauern wie ein Buch lesen könnte ... « murmelte ich vor mich hin und fotografierte weiter das Mauerwerk an der Rückseite von Santo Domingo. »Was wir dann erfahren könnten ...«

Der katholische Geistliche nickte zustimmend. »Mama Ocllo war so etwas wie eine Urgöttin ... eine Art göttliche Eva. Es gibt verschiedene Überlieferung über die Herkunft von Mama Ocllo. Sie sei die Tochter von Sonnengott Inti und Mama Qilla, heißt es. Nach einer anderen Überlieferung war sie eine Tochter von Viracocha und Mama Cocha.« Mama Qilla galt bei der Inkas als Mondgöttin ... Mama Cocha war die Göttin des Meeres.

Unvorstellbare Schätze fanden die
Spanier im Tempel der Inkas.
Fotos und Collage: W-J.Langbein
Der Geistliche fiel mir ins Wort: »Die Namen der Göttinnen sind nicht so wichtig. Von Bedeutung ist nur, dass in dieser religiösen Mythologie festgehalten wurde, dass es einst eine Herrschaft der Muttergöttin gab ... die die später mächtig werdenden männlichen Götter gebar. Die goldenen Statuen der Göttinnen befanden sich zuletzt in Räumen des Tempels, die noch zum Teil in und unter der Kirche Santo Domingo erhalten sind!«

Ob es denn wirklich diese Goldschätze gab, fragte ich ein wenig provokativ meinen Gesprächspartner. »Natürlich!« schnaubte er wütend. »So wie es auch den ›goldenen Garten‹ gab! Garcilasso de la Vega hat ihn ausführlich beschrieben!«

Auch der »goldene Garten« gehörte zum Superheiligtum Coricancha in Cuzco. Der »goldene Garten« war so etwas wie ein paradiesisches »Eden«. Von üppiger Pracht waren die schönsten Blumen und Pflanzen, die Bäume und Maisfelder mit prallen Kolben an jeder Maispflanze. Mit Sorgfalt ausgewählt waren die den Inkas wohlbekannten Heilpflanzen. An Büschen warteten reife Beeren darauf, geerntet zu werden. Käfer und Eidechsen krabbelten ... Lamas wurden von Hirten beaufsichtigt. Greise passten auf Enkelkinder auf. Bauern kümmerten sich um ihre Felder ... ein naturgetreues Szenario ... und alles aus purem Gold!

Santo Domingo bei Nacht.
Foto: Martin St-Amant
Der berühmte Archäologe und Inka-Kenner Prof. Dr. Miloslav Stingl kommentiert (2): »Dieses Wunder aller Wunder, das wohl auf der ganzen Welt nicht seinesgleichen hatte, ist wahrscheinlich das Werk der in Cuzco lebenden Chimú-Goldschmiede gewesen, die nach der Unterwerfung ihres Reiches in die Hauptstadt der Inka umgesiedelt worden waren. Die Spanier haben, gleich nach der Eroberung der Stadt, diese funkelnde Pracht feiner zisilierter Blumen und Ähren, diesen ganzen Goldenen Garten von Cuzco in ihrer Gier nach dem goldglänzenden Metall zerstört und ausgeraubt, so wie 60 Jahre vorher die Inka die Goldschätze Chan-Chans geplündert hatten.«

Der Hinweis auf die plündernden Inkas ist keine Entschuldigung für das brutale, räuberische Vorgehen der christlichen Spanier ... die auch heute noch – leider – in weiten Teilen Südamerikas als Vertreter einer überlegenen, ja höher stehenden Zivilisation angesehen werden. Sachlich betrachtet waren die Conquisadores nichts anderes als ein goldgieriger Haufen von Räubern, die vor keinem noch so schlimmen Verbrechen zurückschreckten ... wenn nur Gold als Belohnung winkte!

Der seltsame Stein - Foto: W-J.Langbein
Fußnoten
1 Das Foto des nachgebauten Flugzeugs entstand am 29.08.2006 im »Mystery Park« (heute JungfrauPark) bei Interlaken, Schweiz.
2 Stingl, Miloslav: »Auf den Spuren der ältesten Reiche Perus«, Leipzig, Jena, Berlin, 2. Auflage 1990, S. 237

»Gold, Gold ... Gold«,
Teil 135 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 19.08.2012


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Freitag, 10. August 2012

Sippenhaft – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Schuldig oder nicht, das zählt nicht, wenn Gutmenschen das Ruder ergreifen. Das musste die deutsche Olympionikin Nadja Drygalla schmerzhaft erfahren, als ihr eben dieses abgenommen wurde. Statt mit dem deutschen Damen-Achter um Medaillen zu kämpfen, verließ sie das olympische Dorf mit einer beschädigten Reputation. Grund war die politische Gesinnung ihres Freundes Michael Fischer, der sich in der rechten Szene Rostocks bewegt hatte und bis vergangenen Mai Mitglied der NPD gewesen war.

Nadja Drygalla selbst war nach heutigem Informationsstand nie durch rassistische Äußerungen, die Teilnahme an rechtsextremen Demonstrationen oder gar Straftaten in Erscheinung getreten. Ob sie der rechtsextremen Haltung ihres Freundes wohlwollend, gleichgültig oder ablehnend gegenüberstand, ist unbekannt. Dennoch reichte die Sachlage, um Drygalla mit Schimpf und Schande aus dem olympischen Dorf zu jagen, wenngleich sich die offizielle Variante natürlich anders liest, wonach Drygalla ihren Rückzug »freiwillig« angetreten habe. – Klar, wer würde hinterher noch etwas anderes behaupten? Schließlich zieht jedes Mobbingopfer irgendwann »freiwillig« von dannen. Das Foto einer blonden Frau auf einer Nazi-Demo, welches angeblich Drygalla zeigen sollte, entpuppte sich schnell als Ente, da es eine andere Person zeigt. Welche konkreten Vorwürfe gegen Drygalla haben eigentlich Substanz?

Der Fall zeigt eine bedenkliche Entwicklung. Ob es uns gefällt oder nicht: Die NPD ist nach wie vor keine verbotene Partei und kandidiert demzufolge ganz offiziell bei demokratischen Wahlen. Kann heutzutage die Mitgliedschaft eines Freundes in einer legalen Partei schon genügen, um im Leben kein Bein mehr auf den Boden zu bekommen? Werden wir jetzt alle unsere Freundeskreise analysieren und diejenigen aussortieren müssen, die uns irgendwann mal schaden könnten? – Vorsichtshalber ja! Und wir sollten bei unseren Entscheidungen bedenken, dass sich Hexenjagd und Sippenhaft nicht ideologisch beschränken lassen, da sie ihren ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen. Also sollten wir vorsichtshalber alle aus dem Freundeskreis kicken, die jemals in irgendeiner kleinen Partei oder einer Sekte Mitglied waren oder sich an Demonstrationen beteiligt haben.


Und wenn es umgekehrt gewesen wäre?


Was wäre passiert, wenn es sich um einen unbescholtenen männlichen Ruderer gehandelt hätte, dessen Freundin in rechten Kreisen unterwegs ist? – Ganz klar: überhaupt nichts! Man hätte ihm zugetraut, genügend Hirn zu besitzen, um die Spinnereien seiner Freundin zu durchschauen und seinen eigenen Weg zu gehen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, ihn als »Nazi-Bräutigam« zu titulieren oder gar von der Olympiade wegzubeißen. Doch Nadja Drygalla ist das perfekte Opfer: weiblich, von eher zarter Statur und noch dazu aus Ostdeutschland (»sind die dort nicht sowieso alle …?«). Und da sie blond ist, kann man ihr auch kaum zutrauen, zu einer eigenen, von ihrem Freund unabhängigen Meinung fähig zu sein. Gut, dass ein Exempel an ihr statuiert wurde!


Sonntag, 5. August 2012

133 »Ein Motor aus Stein?«

Teil 133 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Vorderseite von Santo Domingo
Foto: Martin St-Amant
Für die Inkas war Cuzco – offizielle Schreibweise Qosqo, »Zentrum« - der »Nabel der Welt«. Für mich ist Cuzco die schönste Stadt Südamerikas. Gern habe ich sonntags am Nachmittag in einem der vielen Cafés einen starken Espresso getrunken und eine gute Zigarre geraucht. Manchmal war ich von zahlreichen Schuhputzern umlagert, die alle nach und nach und immer wieder meine Stiefel poliert haben ... immer gegen einen bescheidenen Obolus ... So verlockend es auch sein mag, gleich nach Ankunft die Stadt zu erkunden: Man bedenke die Höhe – 3440 Meter über Normalnull. Am hilfreichsten ist der in jedem Hotel als Begrüßungstrunk angebotene Coca-Tee, der die Höhe erträglicher macht!

Leider haben die »kultivierten« Spanier vor Jahrhunderten gewütet wie die sprichwörtlichen »Berserker«. Ohne Skrupel haben sie vermeintlich »Wilde« in großer Zahl gefoltert und ermordet, haben sie gezielt sakrale Bauten der Inkas zerstört. Die Spanier bauten die verwüstete Stadt wieder auf. Sie nutzten häufig Inka-Fundamente, um darauf im kolonialspanischen Stil das neue Cuzco entstehen zu lassen. Beim Bau der Kirche Santo Domingo wurde massives Inkamauerwerk integriert.

Mauern aus der Inkazeit
Fotos: W-J.Langbein
Was die Inkas bauten, das überdauerte im Lauf der Jahrhunderte manches Erdbeben, so zum Beispiel das im Jahre 1650. Kolonialspanische Bauten wurden weitestgehend zerstört, die uralten Inkamauern blieben erhalten. Die jüngeren Gebäude, von den »zivilisierten« Spaniern errichtet, bestanden derlei Bewährungsproben meistens nicht. Die Baukunst der vermeintlich »Wilden« erwies sich immer wieder als standhafter.

Wer das ursprüngliche Qoso sehen will, nehme sich einige Tage Zeit ... und erkunde vor allem Nebensträßchen wie jene um den »Plaza de Armas«. Es ist ein eigenartiges Gefühl, als ob man einige Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit gereist sei ... besonders, wenn man Einheimischen in Landestracht begegnet.

Atahualpa wird überwältigt,
Bild: etwa 1800
Archiv Langbein
Nachdem die Spanier Cuzco eingenommen hatten, versuchten die Inkas ihre Metropole zurück zu gewinnen. Sie starteten eine gewaltige Großoffensive. 200.000 ihrer Krieger attackierten Cuzco unter Manco Ina ... und hätten die Spanier fast – aber eben leider nur fast – vertrieben. Zurück blieben unzählige Tote ... und eine verwüstete Stadt. Pizarro, der ehemalige Schweinehirt, blieb Sieger ... Dabei hätten die Inkas die goldgierigen Eindringlinge leicht überwältigen können. Atahualpa, der letzte Inkaherrscher, ermordet von den Spaniern am 26. Juli 1533 in Cajamarca, sandte den Spaniern Boten mit üppigen Geschenken entgegen.

Joachim G. Leithäuser (1) schreibt in seinem Werk »Ufer hinter dem Horizont«: »Er konnte nicht ahnen, was für eine Brut sich in seinem Reich einnisten wollte.« Pizarro lud Atahualpa in sein Feldlager ein. Atahualpa nahm an ... und erschien, begleitet von den Vornehmsten des Reiches. Der kultivierte Inka war den blutrünstigen Spaniern unterlegen. Die räuberischen Europäer suchten und fanden einen Anlass, den ahnungslosen Atahualpa gefangen zu nehmen.

Schwarze Inkamauer in der
Kirche Santo Domingo.
Foto oben: Håkan Svensson
(Xauxa), Foto unten:
Ingeborg Diekmann
Leithäuser (2): »Pizarro schickte den Dominikanerfrater Vincente de Valverde mit einem Dolmetscher zu Atahualpa. Der Mönch hielt eine kurze Ansprache und reichte dem Inka eine Bibel .... Valverde streckte den Arm aus, doch der Inka, solche Zudringlichkeit nicht gewöhnt, schlug ihm auf den Arm, öffnete das Buch, betrachtete es und ... warf es fort.« Der Dominikanerfrater zeterte (3): »Ich rufe euch, meine Brüder in Christo, auf, die Schmach zu rächen, die hier unserem heiligen Glauben angetan worden ist!« Es war eine geradezu groteske Szene: Die Spanier, die wie mörderische Bestien raubten und eine hochstehende Kultur auslöschten, beriefen sich auf's Christentum ...

Dann lief alles wie geplant (4): »Und nun brach die Hölle los. Trompetensignale, Kanonenschüsse, Berittene, die aus den Verstecken hervorstürmten, angreifendes Fußvolk ... Unter den Indianern entstand eine Panik, keiner setzte sich zur Wehr, zumal ihre Führer alle um den Inka geschart waren und Mann für Mann niedergemacht wurden. Binnen einer halben Stunde waren einige Tausend Eingeborene getötet, die anderen flohen, Atahualpa gefangen – Pizarro war der Herr des Inkareichs!«
Atahualpa wurde gefangen genommen. Ein gigantischer Goldschatz wurde als Lösegeld geliefert, Atahualpa aber dann doch nicht wie versprochen freigelassen. Vielmehr wurde ihm ein Scheinprozess gemacht und das von Anfang an feststehende Urteil gesprochen ... die Todesstrafe.

Atahualpa wurde auf dem Marktplatz öffentlich erdrosselt. Die christlichen Eroberer erwiesen sich als die wahren Barbaren der schlimmsten Sorte. Sie metzelten, plünderten, folterten, mordeten ... und fielen schließlich – wie sollte man es bei solchem Gesindel anders erwarten – auch übereinander her. Sie misstrauten einander. Keiner der »christlichen« Barbaren gönnte seinen Glaubensbrüdern die reiche Beute ...

Motor in Stein ..
Fotos: W-J.Langbein
Angesichts der Grausamkeit der spanischen Eroberer wundert es mich doch sehr, dass die Nachkommen der Inkas den Glauben der Mörder aus Europa angenommen haben. Meine Sympathie liegt, ich gebe es zu ... bei den »wilden« Inkas. Und so suchte ich stets auf meinen Reisen Spuren der einstigen Herrscher, aus Zeiten vor der spanischen Eroberung. Während Touristengruppen durch eine Kirche nach der anderen geführt wurden ... versuchte ich, hinter die Kulissen zu schauen. So gelangte ich auf der Rückseite der Kirche Santo Domingo hinter das Inka-Mauerwerk. Und als ich die schwarzen Inkasteine fotografierte ... sprach mich ein katholischer Geistlicher an.

»Wollen Sie sehen, was sonst kaum jemand zu sehen bekommt?«, fragte er mich in seltsam schwäbelnder Mundart. Der Mann hatte in Deutschland Theologie studiert ... und kannte mein Buch »Astronautengötter«. Zögernd folgte ich ihm. Dann zeigte mir der Gottesmann zwischen Hunderten von Bausteinen aus der Inkazeit ... zwei fast identische Plastiken, in harten Stein gemeißelt. »Sieht das nicht wie ein Motor aus?« fragte er mich, die Stimme zu einem Flüstern senkend.

Ich muss zugeben: Ich bin nach wie vor perplex. Was stellen diese beiden seltsamen Steinplastiken – von Inkas angefertigt – dar? Etwa tatsächlich einen Motor? Die beiden »Dinger« wirken technisch auf mich, wie eine motorbetriebene Töpferscheibe, zum Beispiel. »Die Inkas sollen den Motor gekannt haben?«, frage ich den Geistlichen. Er lacht verschmitzt. »Oder jemand hat ihnen einen Motor gezeigt ... und sie haben diese primitiven Kopien in Stein angefertigt ...« Ich will noch fragen, wer denn den Inkas einen Motor gezeigt haben soll. Der Theologe lacht nur ... und entschwindet mit wehendem Priesterrock.

Einer der »Motoren« von oben
Foto: W-J.Langbein
Ja ... Wer sollte den Inkas so etwas wie einen Motor gezeigt haben? Oder haben Steinmetze der Inkas nur in Stein gemeißelt, was ihre Vor-Vor-Vorfahren irgendwo gesehen haben? Aber ein Motor passt weder in die Zeit der Inkas, noch in die Epoche vor den Inkas ... wenn diese kuriosen Kunstwerke aus Inkazeiten ... überhaupt etwas Motorähnliches darstellen.

Wenn es nichts Technisches ist ... was dann? Ich frage mich: Dürfen wir Inkaplastiken mit unseren Augen sehen? Wir müssen es ... haben wir doch keine anderen!

Fußnoten1 Leithäuser, Joachim G.: »Ufer hinter dem Horizont«, Berlin 1968, S. 189
2 ebenda, Seite 190
3 ebenda, Seite 190

»Noch ein kurioser Stein und der Garten aus Gold!«,
Teil 134 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 12.08.2012

Samstag, 4. August 2012

Poesie am Samstag: »Der Traum« von Sylvia B.

Illustration: Sylvia B.
der traum kam in kleinen schritten
ich stand in einem kalten raum
mit kaltem licht
kalt gefliest
nur mir war nicht kalt

dann
später
träumte ich von dem weißen tuch
das über einem kalten körper lag
in diesem kalten raum
und ich hatte keine angst
und mir war nicht kalt



Im Zwillbrocker Venn
und irgendwann zog
irgendwer
dieses tuch zur seite
und mein blick fiel
auf den leblosen körper
der aufgeschnitten und kalt dort lag

und irgendjemand sagte
irgendetwas zu mir
und ich dachte

besser er
als ich



und mich erfüllte wärme
und ruhe
und frieden

und ich wurde wach
und war traurig
dass ich nur
geträumt
hatte



__________

Wenn Sie wissen möchten, wessen Gedankengänge das sind, dann lesen Sie:
Der Tote im Zwillbrocker Venn: Ein Münsterland- Krimi







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