»Lieber Gustl, die aktuelle Situation veranlasst mich leider, nach einem Jahr der intensiven Beschäftigung mit Deiner Sache nunmehr eine Zwischenbilanz zu ziehen. Du wirst Dich über diese brutale Formulierung wundern, doch ich kann sie Dir nicht ersparen, wenn ich weiterhin authentisch bleiben will, was ich definitiv will: Momentan muss ich leider feststellen, dass Du auf dem besten Wege bist, alles, was sich zu Deinen Gunsten aufgebaut hat, mit dem Arsch wieder einzureißen.« [Quelle]
Obiges Zitat stammt aus einem Brief, den ich am 25. November 2013 an Gustl Mollath geschickt hatte. Der Empfang wurde am 29. November von einer empfangsbevollmächtigten Person auf dem Rückschein quittiert. Anlass für diese dreiseitige briefliche Einlassung meinerseits waren telefonische Nachfragen seines Verteidigers Gerhard Strate gewesen, der schon in dieser Zeit offenbar starke Probleme hatte, seinen Mandanten zu erreichen. Eine mehr als peinliche Situation für mich, denn Mollath rief mich in dieser Zeit öfter mal an oder besuchte mich auf der Durchreise, reagierte jedoch nur zögerlich bis gar nicht auf meine dringenden Appelle, seinen Anwalt zu kontaktieren. Strate hatte durchaus Anlass, zu vermuten, den Kontakt über mich herstellen zu können, hatte Mollath doch in den ersten drei Tagen nach seiner überraschenden Entlassung bei mir gewohnt, bis er eine Bleibe für die Anfangszeit gefunden hatte. Das Problem der Erreichbarkeit sollte sich in der Folgezeit noch etliche Male wiederholen, doch meinem Eindruck nach scheint es immer einseitig gewesen zu sein: Stets erlebte ich Gerhard Strate auf der Suche nach Gustl Mollath, niemals umgekehrt.
Strate: »Wir hatten Gelegenheit, die Verteidigung vorzubereiten!«
Landgericht Regensburg |
Rechtsanwalt Strate verwahrt sich entschieden dagegen, zu wenig Zeit für seinen Mandanten gehabt zu haben: Er sei auch am Wochenende über das Handy erreichbar gewesen. Am Sonntag dann habe er selbst Mollath angerufen, um 20.15 Uhr, doch dieser habe nicht abgenommen. Die Behauptung im Raum müsse er dementieren: »Wir hatten Gelegenheit, die Verteidigung vorzubereiten!« Die implizite Diffamierung der Verteidigung sei ein starkes Stück: Mollaths 30 Beweisanträge seien Mist. Bis vergangenen Freitag sei der Prozess auf Kurs gewesen, um einen glatten Freispruch und die volle Rehabilitierung Mollaths zu erreichen. »Wenn andere ihn so dargestellt wissen möchten, wie er früher auftrat, bitte ich um Entbindung!«
Dass Strate durchaus Grund hat, derartige Kräfte im Hintergrund zu erwähnen, ergibt sich aus dem Twitter-Account des »Plagiatsjägers« Martin Heidingsfelder, der schon im Vorfeld des Prozesses keine Gelegenheit ausgelassen hat, Mollath absolut grenzwertig durch den Kakao zu ziehen.
Wo Mollath auftaucht, gibt es eben auch kaputte Autoreifen. Selten so gelacht. Quelle |
Erklärung: Zu einer Hauptverhandlung im Jahre 2003 war Mollath mit einer Zahnbürste in der Jackentasche erschienen, da man sowieso plane, ihn einzusperren. Heidingsfelder scheint daran gelegen zu sein, Mollath auf diesem Niveau zu halten. Quelle |
Da ihm der müde Lacheffekt solcher Gags längst nicht mehr ausreicht, hat Heidingsfelder nun noch eine Schippe draufgelegt. In der BR-Abendschau vom 28. Juli war er folgendermaßen zu vernehmen:
»Ich beobachte vom ersten Tag den Prozess und weise immer auf kleine Fehler hin und versuche da auch ein bisschen Einfluss zu nehmen, auch auf die Prozessführung und so weiter.« [Quelle: BR, bei ca. 1:40]
Noch deutlicher geworden war er bei regensburg-digital.de bereits am 24. Juli 2014:
»„Ich habe diese Auseinandersetzung mit Strate befeuert“, räumte etwa ein Vertrauter Mollaths am Mittwoch gegenüber unserer Redaktion ein. „Das hätte eine richtig große Nummer werden können, aber der Strate zieht einfach nicht mit.“«
Diese Aussage erfuhr anschließend eine leichte Umformulierung: »Über Twitter« habe er die Auseinandersetzung befeuert, heißt es dort nun. Dass dem nicht ausschließlich so ist, hatte ich in meinem Bericht vom 25. Juli unter dem Stichwort »Anwaltliches Schattenkabinett« (letzter Absatz meines Artikels) bereits klargestellt.
Ich habe meine eigenen Grenzen
Ist es schon für interessierte Prozessbeobachter schwer zu glauben, dass ein Anwalt vom Format Strates sich nicht die Zeit genommen haben soll, mit seinem Mandanten die Führung eines solch wichtigen Prozesses abzusprechen, so ist das für mich, die ich ein Jahr lang erlebte, wie Strate immer wieder hinter seinem Mandanten her telefonierte, eine völlig ausgeschlossene Variante, hatte ich Mollath doch bereits am 25. November im oben schon zitierten Brief geschrieben:
»Doch auch ich bin ein erwachsener Mensch. Und ich habe meine eigenen Grenzen. Zu denen gehört, dass ich mir Ungerechtigkeiten nicht endlos lange ansehe. Dabei ist es mir egal, ob sie gegen einen Gustl Mollath begangen werden, oder von eben diesem.
Dir dürfte mehr als klar sein (auch wenn Du das momentan vielleicht verdrängen möchtest), dass Du ohne den unermesslichen Einsatz von Gerhard Strate wahrscheinlich noch immer im Bunker schmoren würdest. Kein anderer Mensch hat sich derart weit aus dem Fenster gelehnt, unter Einsatz seines guten Namens und seiner persönlichen Reputation. […]
Monatelang hast Du, noch aus der Gefangenschaft heraus, die Devise ausgegeben, das ordentliche Wiederaufnahmeverfahren sei Dein wichtigstes Anliegen. Nun machst Du Dich ausgerechnet für den Anwalt unerreichbar, der dieses Ziel gemeinsam mit Dir durchsetzen möchte. Dass die bayerische Justiz nicht so einfach zu handhaben ist, ist Dir hinlänglich bekannt. Ist nicht ebendies ein Grund, sich der bestmöglichen Unterstützung zu versichern?« [Quelle]
Ein Appell, der offenbar ungehört geblieben ist. Eine Antwort auf diesen Brief habe ich nie erhalten, jedoch folgte ihm eine sehr lange Sendepause vonseiten Gustl Mollaths. In der Zwischenzeit habe ich die weitere Entwicklung aus der Ferne verfolgt. Artikel wie der vom 26. Januar 2014, erschienen in der Nürnberger Nachrichten, ließen mich in dieser Zeit nichts Gutes erahnen:
»Ich wollte die Tätigkeit des Anwalts Ahmed in einem Wiederaufnahmeverfahren genießen. Ich habe schon immer versucht, seine Arbeit zu verfolgen, auch als ich in der Psychiatrie weggesperrt war. Auch aus Eigennutz: Das Wichtigste für jemanden in einem sogenannten Bezirkskrankenhaus ist ein ordentlicher Rechtsanwalt, eine ordentliche Verteidigung. Sonst wird es desaströs.« [Quelle]
Für seinen eigenen Anwalt findet er nicht ein einziges Wort des Dankes. Auf die Frage, wo er momentan wohne, antwortet er:
»Ein paar Tage bei meinem Nürnberger Freund Martin Heidingsfelder - auf einer Matratze. Ich habe gut geschlafen, besser als in den Betten in den sogenannten Krankenhäusern. Eine Wohnung habe ich noch nicht: Ohne Moos nix los.«
Warum nur war es, trotz der mit Vorsicht zu genießenden Quelle, für mich keine Überraschung, als die Print-Ausgabe der BILD-Zeitung (Jens Völkerling) vor wenigen Tagen auf Seite 2 meldete, Mollath stehe schon seit Monaten in Verhandlungen mit einem Rechtsanwalt aus München. Alles an Strate vorbei?
In meinem Schreiben vom 25. November hieß es:
»Klar ist für mich eines: Solltest Du Deinen Anwalt jemals so weit bringen, dass er das Mandat niederlegt, dann werde ich auch meinerseits keine Möglichkeit mehr sehen, weiter in der Sache tätig zu sein, denn ich müsste meine Kraft aufgrund der dann doch zweifelhaften Erfolgsaussichten als vergeudet betrachten.« [Quelle]
Wie gut also, dass dieser Prozess nun kurz vor seinem Ende steht. Nach allen Erfahrungen der vergangenen Monate dürfte es ausschließlich Gerhard Strates Langmut zu verdanken sein, dass es überhaupt bis zu diesem Punkt gekommen ist.
»Herr Dr. Strate arbeitet mehr als lege artis: Er hat sich in das Wiederaufnahmeverfahren mit Akribie eingearbeitet!«, bestätigt denn auch Oberstaatsanwalt Meindl in seiner Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft habe dies ebenfalls getan. Wie weit Mollath seine zweite Chance nutze, sei dessen Entscheidung. Sodann führt Meindl aus, es sei dem Angeklagten unbenommen, eigene prozessuale Maßnahmen zu ergreifen und Beweisanträge zu stellen. Dies allerdings möge er zu einem Zeitpunkt tun, der den Verfahrensablauf sicherstellt, denn den Zeitplan gebe das Gericht vor, niemand sonst.
Gerhard Strate fügt hinzu, dass genügend Zeit zur Vorbereitung gewesen und eine längere Frist nicht nötig sei. Ein Mandant, der Lügen verbreite, gehe gegen seine Ehre. Sodann bittet die Vorsitzende Richterin Gustl Mollath um seine Stellungnahme. Dieser führt aus, es sei seit Monaten unterlassen worden, höchst relevante Zeugen zu laden. Als Beispiele nennt er die Gutachter Dr. Weinberger sowie Dr. Dieckhöfer, doch »Strate wollte die Kiste nicht aufmachen. Das wird bis heute verhindert«.
Ich spüre Feindseligkeit
Die Vorsitzende Richterin möchte wissen, ob Mollath sich vorstellen könne, dass seine Verteidiger sich dabei etwas denken. Diese »haben wahnsinnig viel für Sie getan!« Mollath antwortet, er bitte darum, dem Antrag von Strate stattzugeben. Er spüre Feindseligkeit, denn er habe sich laufend bemüht. Sodann moniert er, dass ein Anruf um 20.15 Uhr nicht dazu geeignet sei, etwas so Wichtiges zu besprechen.
Strate entgegnet, dies könne er nicht so im Raum stehen lassen. 13 Tage lang habe die Verteidigung die Übernachtung Mollaths im Hotel in Regensburg vorfinanziert, denn dieser sei trotz Spendengeldern dazu nicht in der Lage. Darüber hinaus sei er »jederzeit erreichbar«. Anschließend übergibt Mollath dem Gericht die Auflistung der 27 Zeugen, deren Nichtbeantragung er seinem Verteidiger vorwirft. Nach einer fünfzigminütigen Verhandlungspause verkündet die Kammer den Beschluss, die Entpflichtungsanträge Strates und Rauwalds abzulehnen. Das Gericht erkenne »keine groben Pflichtverletzungen.« Die nichtgestellten Anträge seien kein Grund, eine nicht sachgerechte Verteidigung festzustellen. Es bestehe an der hohen Professionalität der Verteidigung keinerlei Zweifel.
Im Anschluss folgt die Verlesung einiger Dokumente, so auch des berühmten Sonder-Revisionsberichts der HVB und weiterer Schriftstücke aus dem Umfeld der Bank sowie die Anordnung des Selbstleseverfahrens für weiterführende Unterlagen.
Im Anschluss bittet Strate das Gericht, die Dokumente einsehen zu dürfen, die Mollath am Vormittag übergeben hatte. Sodann erklärt er, nun keine Probleme mehr mit der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht zu haben und bittet darum, die von Mollath gewünschte Zeugenaufstellung verlesen zu dürfen. Neben diversen Mitarbeitern der HVB, deren Ladung Strate teilweise selbst längst beantragt hatte, finden sich in dem Sammelsurium neben weiteren Bankern auch Politiker und einige durchaus wortmächtige Menschen, die vielleicht aus diversen eigenen Publikationen vortragen, jedoch nichts zur Aufklärung der in diesem Prozess angeklagten Taten beitragen könnten. Nach der Verlesung der Liste erklärt Oberstaatsanwalt Meindl, es handle sich seiner Auffassung nach um Beweisanregungen, zu denen seinerseits keine Stellungnahme erfolge.
Ein großer Sieg für Gustl Mollath
Nach einer langen Pause verkündet das Gericht den Beschluss über einige Beweisanträge der Verteidigung. Die Ladung der von Strate beantragten sieben Zeugen aus dem Mitarbeiterkreis der HVB sowie eines weiteren Zeugen wird abgelehnt. In ihrer Begründung verliest die Vorsitzende einige Dokumente zu diesem Komplex, die auf eine »bankseitig organisierte Beihilfe zur Steuerhinterziehung« erkennen. Die Anträge waren abzulehnen, erklärt sie abschließend, weil alle Beweisanträge so behandelt werden könnten, als wären sie wahr. Ob Gustl Mollath diese eigentliche Sensation des Tages zu seinen Gunsten wohl mitbekommen hat? Heidingsfelder jedenfalls hat wieder einmal nichts gerafft, wie sich wenig später auf Twitter zeigt:
Quelle |
Aus gut informierten Kreisen ist mir im Übrigen bekannt, dass es Menschen gibt, die über tatsächliche darüber hinausgehende Beweismittel zur Aufdeckung eines HVB-Skandals zu verfügen glauben. Hierbei soll es sich um dieselben Personen handeln, die angeblich bereits sechs Monate vor den Betreibern dieses Blogs handfeste Belege für den Haderthauer-Modellbaufall in der Hand gehabt haben sollen. Warum sie sie nicht veröffentlichten und damit den Stein schon früher ins Rollen brachten? – Keine Ahnung. Wie einfach das eigentlich ist, hatte unser Blog dazumal vorexerziert, als wir als bundesweit Erste, noch vor allen großen Medien, über die Sache berichteten. Wer auch immer also auf stichhaltigen Beweismitteln zum Thema HVB sitzt, sollte die Sachen nun schnellstens an Medien oder Blogger geben, damit ein eigener HVB-Prozess bald beginnen kann. Mit Gustl Mollath als Zeuge. Angebliche Beweismittel, so sie tatsächlich tauglich sind, nicht zu veröffentlichen und stattdessen der schwer arbeitenden Verteidigung in einem Strafprozess wegen angeblicher Körperverletzung und angeblicher Sachbeschädigung nach Heckenschützenart das Leben schwerzumachen, ist nichts als ein widerliches Pissding.
>> Wortprotokoll zum 14. Verhandlungstag
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