»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 31.01.2016
Foto 1: Geysire weisen auf die unteriridische Hölle hin. |
»Wir stehen hier über dem Höllenschlund!«, schreit der kleine schmächtige Mann. »Unter uns brodelt das Höllenfeuer! Es wird ausbrechen und diese sündige Welt austilgen im Höllenfeuer! Bereut eure Sünden! Wendet euch ab vom sündigen Treiben und bereut! Bereut, bevor es zu spät ist!« Gestenreich unterstreicht der Prediger einer der vielen amerikanischen Sekten seine düsteren Worte. Die Menschen reagieren teils belustigt, teils verärgert. Sie wollen sich die gute Laune an einem sommerlichen Tag im August im weltberühmten Yellowstone Nationalpark nicht trüben lassen. Sie wollen speiende Geysire sehen, blubbernde Heißwasserquellen und fantastisch anmutende Landschaften.
Foto 2: Überall tummeln sich Bären ... |
»Überall tummeln sich hier Bären!«, so wütet der bärtige Prediger weiter. »Sie sind Boten des Teufels, Boten der Hölle! Bereut Eure Sünden, bevor es zu spät ist!« In der Tat: Der »Yellowstone Nationalpark« ist weltberühmt für Yogi Bears Brüder und Schwestern. Die putzig anmutenden Riesengesellen können aber auch sehr gefährlich werden. »Boten Satans« sind sie aber doch wohl nicht.
Verlassen wir erst einmal den zornigen Prediger. Reisen wir gemeinsam einige Jahrhunderte in die Vergangenheit. Wir schreiben das Jahr 1565. Spanische Truppen besetzen mit brachialer Gewalt die Philippinen. Die Ureinwohner fliehen entsetzt vor der brachialen Übermacht und verstecken sich an den dicht bewaldeten Berg. Der rettende Berg schlummert. Der Pinatubo-Vulkan, im Westen der Insel Luzon gelegen, konnte urplötzlich das Feuer der Hölle ausspeien. Um 1441 und anno 1991 brach der Pinatubo aus. Am 15. Juni 1991, nach 550 Jahren des Schweigens, tat sich ein Tor zur Hölle auf, Lavaströme flossen die Flanken des Bergkegels hinab. Weitere Lavamassen wurden kilometerhoch in den Himmel geschleudert und fielen als tödliches Feuer vom Himmel.
Zum Glück hatten Experten bei seismologischen Messungen deutliche Vorzeichen richtig gedeutet und vor einem nahenden Ausbruch des Pinatubo gewarnt. Die unmittelbar gefährdeten Regionen wurden evakuiert, Zehntausende wurden kurzfristig umgesiedelt. Trotzdem starben rund tausend Menschen im Höllenfeuer des Vulkanausbruchs.
Foto 3: Die Magmablase unter dem Vulkankrater |
So skurril das Gezeter des Predigers auch anmutete, so umschrieb er doch eine erschreckende Wahrheit. Seit Jahrzehnten gibt es Warnsignale, die auf einen Ausbruch des Supervulkans unter dem Yellowstone Nationalpark hinweisen. Eine gigantische Magmablase kann jederzeit an die Erdoberfläche und in den Himmel geschleudert werden. Mit katastrophalen Folgen!
Die Frage ist nicht, ob der Supervulkan ausbrechen wird, sondern wann das geschehen wird. Im Vergleich zu einer solchen Katastrophe wird der Ausbruch des Pinatubo wie ein lindes Lüftchen erscheinen. Eine unvorstellbare Explosion wird die Welt erschüttern. Der Höllenknall wird weltweit zu hören sein. Sieben Stunden wird der Schall von Amerika nach Deutschland unterwegs sein. Eine glühendheiße Lawine, 700 Grad Celsius heiß, wird sich mit rasender Geschwindigkeit ausbreiten. Das Höllenfeuer wird mit mehreren hundert Stundenkilometern rasen und alles in Asche verwandeln.
Unvorstellbare Mengen an Material werden fünfzig Kilometer empor geschleudert werden und die Sonne verdunkeln. Totale Finsternis wird über weite Flächen hereinbrechen und alles Leben in tödliche Eiseskälte tauchen. Pflanzen werden absterben, weil sie das Sonnenlicht benötigen. Tiere, die sich von Pflanzen ernähren, werden verhungern, Menschen werden sterben. Und die, die überleben, werden Hungerkatastrophen unvorstellbaren Ausmaßes erleben. Diese Horrorvorstellung ist höchst real. Am 1. Juli 2014 vermeldete die »Süddeutsche Zeitung«, dass die bevorstehende »Yellowstone-Apokalypse« noch sehr viel schlimmer ausfallen wird als bisher schon angenommen: »Unter dem Yellowstone Nationalpark in den USA schwelt die riesige Magmakammer eines Supervulkans. Und die ist zweieinhalb Mal so groß wie bisher angenommen!«, berichten Seismologen der University of Utah. Weiter vermeldet Andreas Frey: »Im Yellowstone-Nationalpark in den USA sieht es aus, als hätte jemand mit einer gigantischen Axt hineingeschlagen. Es blubbert, es zischt, es stinkt – und nicht weit unter den Füßen schwelt die riesige Magmakammer eines Supervulkans.
Jetzt haben Seismologen der University of Utah den Untergrund unter weiten Teilen des BundesstaatsWyoming neu vermessen – und ziemlich gestaunt. Denn die Magmakammer ist zweieinhalb Mal so groß wie gedacht.«
Foto 5: Kochende Quelle, von der Höllenglut erhitzt... |
Bob Smith berichtete auf der Herbstkonferenz der amerikanischen Geophysikalischen Vereinigung, dass 35.000 Kubikkilometer geschmolzenes Gestein in der Unterwelt des Yellowstone National Parks nur darauf warten explosionsartig an die Erdoberfläche zu drängen. Die gigantische Lavahöhle liegt nach neuesten Erkenntnissen 15 Kilometer unter der Erde. Sie ist neunzig Kilometer lang und dreißig Kilometer breit. Es droht kein lokales Unglück, sondern eine Katastrophe, unter der die ganze Welt leiden wird. Ich muss mich wiederholen: Wir wissen nicht, wann es zu diesem gewaltigen Kataklysmus kommen wird. Wir wissen, dass die Katastrophe irgendwann eintreten wird.
Die Dunkelheit als Folge des Vulkanausbruchs wurde recht realistisch schon in vorchristlichen Zeiten beschrieben: Das »Buch Henoch« entstand im zweiten vorchristlichen Jahrhundert, vielleicht auch wesentlich früher. Es wurde nicht in den Kanon der Bibel aufgenommen, gehört also zu den apokryphen Schriften des Judentums. Und doch wurden ganz offensichtlich Beschreibungen aus eben diesem Buch Henoch in Sachen Höllenfeuer von der katholischen Kirche herangezogen. Im »Buch Henoch« wird der Höllenpfuhl so beschrieben (103,7): »Und sei dir bewusst, dass sie (gemeint sind die Engel) eure Seelen in den Sheol (Hades oder Hölle) bringen werden und sie (die Seelen) werden Böses erleiden und eine schwere Prüfung durchzustehen haben, in Dunkelheit, Fesseln und brennenden Flammen.« In der Hölle wartet das Feuer auf die bösen Sünder (100,9): »Entsprechend der Taten der Bösen werden sie in lodernden Flammen brennen, schlimmer als Feuer!«
Sollten religiöse Visionäre als Höllenvisionen beschrieben haben, was sich höchst real ereignen wird, wenn ein »Supervulkan« wie jener unter dem Yellowstone Nationalpark in einer gigantischen Explosion die Hölle auf Erden ausbrechen lassen wird?
Auch der Koran kennt das Höllenfeuer. Von den Griechen zur Buchreligion des Islam. Auch der Koran (Sure 4, 56) beschreibt es recht drastisch so: »Diejenigen, die nicht an unsere Zeichen glauben, die werden wir im Feuer brennen lassen: So oft ihre Haut verbrannt ist, geben wir ihnen eine andere Haut, damit sie die Strafe kosten. Wahrlich, Allah ist allmächtig, allweise.« In Sure 11 (106–107) steht zu lesen: »Die Unseligen werden dann im Höllenfeuer sein, wo sie laut aufheulen und hinausschreien, und wo sie weilen, solange Himmel und Erde währen, – soweit es dein Herr nicht anders will. Dein Herr tut, was er will.«
Im Koran (Sure 89,23) heißt es, dass die Hölle am Tag der Apokalypse »nahegebracht« wird. Das deutet darauf hin, dass das Höllenfeuer aus dem Leib der Erde zu den Menschen gelangt. Diesen Ausbruch der Hölle beschreibt die als heilig angesehene Hadith-Literatur, die zu den Werkender Überlieferung gehört. Die Sahih Muslim, die »Sechs Bücher«, gelten als Kanon der Hadith-Sammlungen. Während im Christentum apokryphe, nicht in den Kanon aufgenommene Bücher eher wenig beachtet werden, sind die apokryphen Texte des Koran höchst bedeutsam. »Sahih Muslim« (9. Jahrhundert) wird auch als »gesunde« oder »authentische Sammlung« bezeichnet. Dort heißt es über die Hölle: »Die Hölle wird an jenem Tag mit Hilfe von siebzig Tausend Seilen hervorgebracht werden, jedes Seil wird von siebzig Tausend Engeln gehalten.«
Foto 7: Gleich bricht »Old Faithful« aus! |
Mit anderen Worten: Bis zum »jüngsten Tag« des Weltgerichts ist die Hölle noch in der Erde. Zum Tag des Weltuntergangs wird sie aus der Erde hervorgehoben. Für den Geologen wird hier, im religiösen Gewand, auf aus dem Erdinneren strömende Lavamassen hingewiesen: wie bei einem mörderischen Supervulkanausbruch etwa.
Wird der Supervulkan des »Yellowstone National Parks« vielleicht schon bald die nächste Apokalypse bewirken? Hank Heasler, Park Geologe, lässt keine Zweifel aufkommen: »Die Frage ist nicht, ob er ausbrechen wird, sondern wann.« Vor 2,1 Millionen Jahren spie der Supervulkan 2450 Kubikkilometer Magma empor. Vor 1,3 Millionen Jahren waren es »nur« 280 Kubikkilometer. Vor 640.000 Jahren kam es zur bislang letzten gewaltigen Entladung: 1.000 Kubikkilometer. Zum Vergleich: Der gewaltigste Vulkanausbruch der jüngsten Vergangenheit war der von 1815 in Indonesien. Der »Tambora« schleuderte 50 Kubikkilometer glühende Magma in die Luft. Bei der Apokalypse im Gebiet des »Yellowstone Nationalparks« vor 2,1 Millionen Jahren war es fast 50 Mal so viel!
Foto 8: Unterirdisch brodelt es, oberirdisch sterben die Bäume ... |
Die Stärke eines Vulkanausbruchs hängt von den Magmamengen ab, die zur Verfügung stehen. Um Vulkanausbrüche miteinander vergleichen zu können, wurde der »Explosivitäts-Index« (»VEI«) eingeführt. Die Skala reicht von 0 bis 8. Ein Punkt mehr auf der Skala bedeutet die Verzehnfachung des ausgespuckten Magmas. Ein Vulkan mit einem Index von 3 beispielsweise speit zehn Mal so viel Magma aus wie ein Kollege mit dem Index 2 und 100 Mal so viel wie einer mit Index 1. Eine Vulkaneruption der Indexstärke 8 ist schon unvorstellbar stark. Der Vulkan des »Yellowstone Nationalparks« wird den Rahmen der Skala sprengen und ihre höchste Markierung bei weitem überschreiten. Er wird mit der in der Wissenschaft akzeptierten Messlatte gar nicht mehr in seiner gewaltigen Größe erfasst werden können.
»Spüren Sie denn nicht, wie das Höllenfeuer anklopft? Gleich wird es einen siedenden Vorboten schicken, der zur Reue mahnt! Old Faithful mahnt: Bereut! Bereut! Bereut! Oder Ihr Sünder landet alle in der Höllenglut!« Der Prediger schweigt plötzlich. Denn tatsächlich ist etwas zu vernehmen: ein Rumoren, ein Fauchen, das aus dem Erdinneren zu kommen scheint. »Bereut! Bereut! Bereut!« ruft fast triumphierend der Prediger. Auch so etwas wie Schadenfreude schwingt in seiner Stimme mit.
Übrigens: Schon Karl May hat über den »Yellowstone National Park« geschrieben!
Zu den Fotos:
Fotos 1, 2, 4, 5, 7, 8: Walter Langbein Sen. 1963
Foto 3 (Die Magmablase unter dem Krater): wiki commons/ Kbh3rd
Foto 6 (Islamische Darstellung der Hölle): wiki commons/ Snailwalker
Übrigens: Schon Karl May hat über den »Yellowstone National Park« geschrieben!
Zu den Fotos:
Fotos 1, 2, 4, 5, 7, 8: Walter Langbein Sen. 1963
Foto 3 (Die Magmablase unter dem Krater): wiki commons/ Kbh3rd
Foto 6 (Islamische Darstellung der Hölle): wiki commons/ Snailwalker
Teil 316 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 07.02.2016
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