Sonntag, 26. Juni 2016

336 »Das verschwundene Schloss«

Teil 336 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: »Keltenschanze 2«, Holzhausen

Zugegeben: »Keltenschanze 2« von Holzhausen, Gemeinde Straßlach-Dingharting im Landkreis München, kann nicht mit. Monstermauern aufwarten. Zugegeben: Eine Weltsensation ist die über zwei Jahrtausende alte Keltenschanze nicht. Je intensiver ich mich aber mit Keltenschanzen beschäftige, desto mehr beeindruckt mich die »Keltenschanze 2« von Holzhausen. Sie ist nämlich sehr viel besser erhalten als ihre meisten »Kollegen«, die entweder – leider – so gut wie gar nicht mehr wahrnehmbar oder vollkommen verschwunden sind.


Foto 2

Vom Ferienhof »Zum Damerbauer« in Holzhausen, wo ich logierte, zur Schanze sind es nur einige wenige Minuten. Immer wieder habe ich das Relikt aus uralten Zeiten besucht, morgens, mittags, nachts. Und viele Stunden saß ich in meiner gemütlichen Ferienwohnung über Bergen von Unterlagen in Sachen Keltenschanzen. Folgen Sie mir bitte weiter auf weiteren Spurensuchen. Vielleicht finden Sie Geschmack und machen sich selbst auf die Suche?


Foto 3

»Die Flurnamen in der Gemeinde Schlangen machen ein alte Natur- und Kulturlandschaft sichtbar, die sich im Übergangsbereich von Teutoburger Wald, Senne und Paderborner Hochfläche über Jahrhunderte hinweg entwickelt hat«, so schreibt Annette Fischer in »Heimatland Lippe« (1). Und weiter: »Heute können die Flurnamen als Geschichtsquelle gelesen werden.«

Das gilt nicht nur für die Gemeinde Schlangen, sondern ganz allgemein. Bei meinen Recherchen in Sachen Keltenschanzen führten mich immer wieder Flurnamen auf die richtige Spur. Flurnamen mit »Burg« führen oft zu Jahrtausende alten Anlagen der Kelten. Einige Beispiele mögen genügen!

Foto 4

»Die Pfaffenburg im Großen Mühlholz« in meiner fränkischen Heimat findet sich im Landkreis Kitzingen, Unterfranken, unweit der Ortsmitte von Willanzheim. Laut Klaus Schwarz war der Wallkörper vor fünfzig Jahren (2) »nur noch an wenigen Stellen erhalten«. Vor einem halben Jahrhundert war kaum noch etwas von der einst stolzen Keltenschanze zu sehen, heute dürfte sie vollkommen verschwunden sein. Ein oberfränkischer Theologe und Heimatforscher, der anonym bleiben möchte im Gespräch mit dem Verfasser: »Die Bezeichnung ›Burg‹ deutet darauf hin, dass man die Keltenschanze für die Überbleibsel einer alten Burg hielt, die im Laufe der Zeit verschwunden war. Die Kombination mit der Bezeichnung ›Paffen‹ lässt auf eine ursprünglich sakral-religiöse Bedeutung der Anlage  schließen.«


Foto 5
»Der große Burggraben« lautet der Flurname, der in entsprechende Karten von Riedenheim, Landkreis Würzburg, eingetragen ist. Keltenschanzen waren von Wallanlagen umgeben. Wollten Angreifer so eine Keltenschanze erobern, mussten sie erst einen oftmals tiefen Graben überwinden, bevor sie sich überhaupt an den schützenden Wall heranwagen konnten. Und oben stand ja die Abwehr nicht gerade untätig herum! Von Keltenschanzen blieben manchmal die Wälle, manchmal die Gräben übrig. Besonders tiefe Gräben waren manchmal noch zu sehen, wenn von der übrigen Keltenschanze nichts mehr übrig war. Wieder glaubte man, dass eine Burg längst abgetragen worden, der große Burggraben übriggeblieben sei.

Die Gemeinde Bachern im Landkreis Friedberg (Schwaben) hat auch einen interessanten Flurnamen aufzuweisen: »Die alte Burg im Heilachwald«. Das Areal ist leicht zu finden, 1.000 Meter südwestlich der Kirche. Von der einstigen Keltenschanze indes ist wenig übrig geblieben.

Klarer sind Hinweise auf ehemaligen Keltenschanzen wie die Bezeichnung »Erdburg«. Dort gab es einst eine der ominösen Keltenschanzen, anno 1588 hieß sie »Erdburg«,1753 wurde sie offiziell »Bauernschantz« genannt (4).

Foto 6

Foto 7

Aussagekräftiger sind Flurnamen wie »Im Schanzfeld« (5), »Schwedenschanze« (6), »Römerschanze« (7) und »Das Viereck« (8). Keiner Interpretationen bedürfen Flurnamen wie »Die Schanze«, die – manchmal leicht variiert – häufig vorkommen (9).

Schanzen gab es wohl bundesweit sehr viele. Von den meisten sind nur kärgliche Reste zu finden. An manche erinnern nur von Generation zu Generation überlieferte Erzählungen. So berichtet der Keltenschanzenexperte schlechthin, Klaus Schwarz über die Maierhof-Schanze (10): »Die Schanze ist um 1880 abgetragen worden. Sie wäre heute ohne ältere Nachrichten nicht mehr auffindbar. Die Höhenflurkarte von 1885 läßt Orientierung und Größenverhältnisse noch erkennen.«

Vielen Schanzen, die rund zwei Jahrtausende überstanden hatten, ging es im 19. Jahrhudert an den Kragen, als immer größere Gebiete landwirtschaftlich erschlossen wurden. Keltenschanzen wurden abgetragen und in Ackerland verwandelt. So beklagt Karl Schwarz das traurige Los eines Keltenbaus im Bereich der Gemeinde Mainburg, Landkreis Kehlheim, Niederbayern (11): »Die Schanze ist durch Überpflügen fast bis zur Unkenntlichkeit verschleift. Sie wird jedoch in der topographischen Karte vom Jahre 1869 noch im Grundriß wiedergegeben.«

Und immer wieder sind es mündliche Überlieferungen, die man leider oft nur mitleidig belächelt. Ich machte vor Jahren auf einer Studienreise durch Deutschland – rein zufällig – in Marxheim, Landkreis Donau-Ries, im Schwabenländle gelegen, Rast. Eine von schwerer Arbeit gebeugte und stolze alte Bäuerin berichtete mir mit leuchtenden Augen, dass es einmal »ganz in der Nähe« ein herrliches Schloss gegeben habe (12):

Foto 8
»Es war ein prachtvoller, glanzvoller Bau, der den Neid vieler Menschen aus nah und fern auf sich zog. So mussten die edlen Herren des Schlosses, so friedlich und ohne Arg sie auch waren, auf der Hut vor bösen Feinden sein. Sie mussten sich also schützen, denn des einen Hab und Gut lockt den bösen anderen herbei. Das machte sie traurig. Hatten nicht ihre Altvorderen weniger besessen und doch glücklicher gelebt? Wussten sie doch, dass sie durch den erforderlichen Schutz auch von guten und lieben Menschen getrennt sein würden. Alle Bedenken halfen nichts. Wollten sie sich nicht leichtsinnig der Gefahr aussetzen, dann mussten sie handeln. So beratschlagten sie, wie denn ihr Schloss am besten zu verteidigen sei. Betrübt stellten sie fest, dass durch die Anlagen zum Schutze die Schönheit des Schlosses nicht mehr sichtbar sein würde.

Sie errichteten also um ihr herrliches Schloss herum einen tiefen, tiefen Wall. Und außerdem gruben sie rundherum einen tiefen, tiefen Graben. Die Untertanen der hohen Herrschaften halfen bereitwillig, das Werk zu vollenden. Waren doch die Herrschaften ob ihrer Güte, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit weithin beliebt. Als alles vollendet war, da feierten alle noch einmal im Schloss, die Herren, die edlen Damen, die fleißigen Bauern und braven Knechte.

Foto 9
Die Schutzanlage freilich ließ das Schloss zu einem noch begehrteren Ziel von Neidern und habgierigen Menschen werden, die nach dem Eigentum anderer trachten. Die sprachen, wer so ein Schloss auf diese Weise so gegen Angreifer rüstet, der muss viel Hab und Gut besitzen.

Die Anstrengungen aber haben alle nichts genützt. Mit List und Tücke ging ein neidiger Graf ans Werk. Er kam als Gast, wollte bis zum Morgen bleiben und öffnete nachts das Tor für seine Kumpane. Seine bösen Burschen strömten lachend hinein ins Schloss. Sie schlugen, mordeten und raubten. Das Schloss wurde geplündert, dann niedergebrannt. Bald schüttete man mit dem Erdreich des Walls den tiefen Graben zu. Die mächtigen Steine trug man davon.

Geblieben sind nur Erinnerungen an das Schloss von einst. Die Namen derer, die darin lebten und jener, die es erstürmten, brandschatzen, sie sind vergessen.«

Foto 10
Ein »Schloss« hat es im Raum der Gemeinde Marxheim, nie gegeben, von einem Gemetzel ganz zu schweigen, wohl aber eine Keltenschanze. Sie ist weitestgehend verschwunden. Vor  etwa 100 Jahren – also um 1916 –  sind angeblich noch Wälle zu erkennen gewesen. Wo? 1800 Meter nordöstlich der Ortsmitte. Der Flurname? »Das Viereck«.

Fußnoten

1) Fischer, Annette: »Flurnamen der Gemeinde Schlangen«, erschienen in »Heimatland Lippe«, April 2016, Seite 16
2) Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 96, Kapitel »Willanzheim«
3) Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 106, Kapitel »Bachern«
4) Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Kapitel »Bütthard, Schanze 2«, Seite 98
5) Gemeinde Arberg, Landkreis Ansbach, Mittelfranken. Quelle: Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 86, Kapitel »Eyburg«
6) Gemeinde Thalmässing, Landkreis Roth, Mittelfranken. Quelle: Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 92, Kapitel »Thalmässing«
7) Gemeinde Eurasburg, Landkreis Aicach-Friedberg, Schwaben. Quelle: Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 107, Kapitel »Eurasburger-Forst«
8) Gemeinde Marxheim, Landkreis Donau-Ries, Schwaben. Quelle: Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 104, Kapitel »Graisbach«
9) Gemeinde Egling, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, Oberbayern. Quelle: Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seiten 47 und 48, Kapitel »Endlhausen«
Gemeinde Rottenburg an der Laaber, Landkreis Landshut, Niederbayern. Quelle: Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 75, Kapitel »Schaltdorf«
10) Gemeinde Ruhstorf a. d. Rott, Landkreis Passau, Niederbayern. Quelle: Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 56, Kapitel »Maierhof«. Die Rechtschreibung wurde unverändert übernommen und nicht der heutigen Rechtschreibung angepasst.
11) Quelle: Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 65, Kapitel »Sandelzhausen«
12) Reisenotizen von Walter-Jörg Langbein, Datum nicht mehr feststellbar.

Zu den Fotos: Alle Fotos zeigen »Keltenschanze 2« von Holzhausen.
Alle Fotos: Walter-Jörg Langbein

Literatur zum Themenkreis »Kelten«
Teil 2

Krause, Arnulf: Von Göttern und Helden/ Die mythische Welt der Kelten
     Germanen und Wikinger, Stuttgart 2010
Lehner, Thomas (Hrsg.): Keltisches Bewusstsein/ Wissenschaft, Musik, Poesie,
     München 1985
Lengyel, Lancelot: Das geheime Wissen der Kelten/ enträtselt aus druidisch-
     keltischer Mystik und Symbolik, 3. Auflage, Freiburg i.Br. 1985
Machalett, Walter: Die Externsteine/ Das Zentrum des Keltentums, Maschen 
     1963 (kleines Heftchen)
Markale, Jean: Die keltische Frau – Mythos, Geschichte, soziale Stellung,
     München 1984
Markale, Jean: Die Druiden – Gesellschaft und Götter der Kelten, München
     o.J.
Menghin, Wilfried: Kelten, Römer und Germanen/ Archäologie und
     Geschichte in Deutschland, Augsburg 1980
Meyer, Jürgen: Die Kelten/ geheimnisvoll und mystisch, Reutlingen 2012
Monroe, Douglas: Merlyns Vermächtnis, Freiburg 1997
Monroe, Douglas: The Lost Books of Merlyn, St. Paul 2002
Pennick, Nigel: Die heiligen Landschaften der Kelten, Engerda 1998
Protter, Eric und Nancy: Celtic Folk and Fairy Tales, New York 1966
Reiser, Rudolf: Götter und Kaiser/ Antike Vorbilder Jesu, München 1975
     (keltische Vorbilder Jesu, siehe Register!)
Reiser, Rudolf: Die Kelten in Bayern und Österreich, Rosenheim 1992
Reiser, Rudolf: Bayern und Salzburg um Christi Geburt/ Die keltisch-römische
     Vergangenheit, München 2001
Resch-Rauter: Auf den Spuren der Druiden, Wien ohne Jahresangabe
     (besonders Keltischer Festtagskalender, S. 285-370)
Resch-Rauter, Inge: Unser Keltisches Erbe/ Flurnamen, Sagen, Märchen und 
     Brauchtum als Brücken in die Vergangenheit, Wien 2007
Resch-Rauter, Inge: Keltische Gegenwart/ Eine Spurensicherung/ Von
     Bergbau, Kampf und Himmelskunde, erhalten in Sagen, Brauchtum und
     Ortsnamen, Wien 2008

Zu den Fotos: Alle Fotos zeigen »Keltenschanze 2« von Holzhausen.
Alle Fotos: Walter-Jörg Langbein



337 »Dreizehn Schanzen«,
Teil 337 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 03.07.2016




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Sonntag, 19. Juni 2016

335 »Spurensuche«

Teil 335 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Karl der Große, Kilians-Kirche Lügde

Wir leben in Europa, das einst »christliches Abendland« genannt wurde. Und so sind die Wurzeln unserer Kultur christliche, auch wenn unsere Gesellschaft eine weitestgehend säkularisierte ist. »Väter« Europas sind Regenten wie Konstantin der Große (275-337 n.Chr.) und Karl der Große. Kaiser Konstantin machte die antike Stadt zu seiner Hauptresidenz. Die Hagia Sophia war, was manche lieber vergessen wollen, einst eine prachtvolle christliche Basilika. Nach der Eroberung durch osmanische Truppen wurde eine Moschee daraus. Der Krieger Faith Sultan Mehmet ließ den Kolossalbau wieder restaurieren und wandelte ihn in eine Moschee um. Karl der Große machte das Reich zu einem straff organisierten Imperium. Er war Militärstratege und hat sich auch Bildung und Kultur aufs Panier geschrieben. Mit einer starken christlichen Kirche versuchte er, das Bildungsniveau anzuheben.

Foto 2: Konstantin der Große

Im Laufe meiner Reisen durch Deutschland habe ich neben herrlichen alten Kirchen und Kapellen immer wieder auch beklagenswerte Zustände erlebt. Auch in abgelegenen Regionen gab es bemerkenswerte Kirchlein und Kapellen, die dringend renoviert werden müssten. Aber offenbar fehlt es da am Geld. Auf meinen Reisen durch Deutschland, speziell durch Bayern, stieß ich auf Spuren eines Erbes, dessen Wurzeln in vorchristliche Zeiten reichen. Es bedarf schon detektivischen Spürsinns, um sie zu entdecken.


Foto 3: Die Herlingsburg

Unweit meines Heimatdorfs Niese am »Köterberg«, der einst wohl »Götterberg« hieß, gibt es die Spuren der Herlingsburg. Wer ob dieses Namens mächtige Mauern einer Burgruine erwartet, wird freilich maßlos enttäuscht sein. Vom (künstlich angelegten) Schieder-Stausee führte mich der Weg weiter nach Glashütte. Von da an aus ging‘s per pedes bergan. Alten Quellen zufolge soll die Herlingsburg noch im späten 19. Jahrhundert auf einem kahlen Berg gethront haben. Landwirtschaftlich – im Sinne von Feldanbau – konnte der Berg nicht genutzt werden, aber angeblich sollen Rinder durch emsiges Trampeln jeden Baumwuchs verhindert haben. Die landwirtschaftliche Nutzung immer größerer Flächen führte deutschlandweit zur Zerstörung solcher Anlagen. Man nennt sie zutreffender »Keltenschanzen«.

Foto 4: So sieht eine typische Keltenschanze aus

Folgen Sie mir auf einer ganz besonderen Spurensuche, nach den Überbleibseln unseres keltischen Erbes! Vielleicht – und das erachte ich als wünschenswert – suchen und finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, in Ihrer Heimat auch derlei Keltenschanzen.

Im Nordbayrischen findet sich, 2200 Meter südwestlich von der Gemeinde Hainsbach, Landkreis Straubing-Bogen, im »Biburger Holz« so eine Spur. Der Name »Biburg-Gingkofen« lässt aufhorchen. Die »Burg« deutet auf eine Keltenschanze hin. Von »Schanze 2« ist freilich kaum etwas übrig geblieben. Der einst stolze Wall ist weitestgehend abgetragen, vom Schutzgraben ist kaum noch etwas zu sehen. Nach meinen Unterlagen ist er nur an manchen Stellen nur noch 80 Zentimeter tief.

Foto 5: Teil eines Walls ...
Was dürfen wir uns unter einer »Keltenschanze« vorstellen? Bei Wikipedia gibt es eine gute Definition: »Als Viereckschanze oder Keltenschanze bezeichnet man die vor allem in Süddeutschland anzutreffenden Reste eines quadratischen, manchmal auch rechteckigen Areals mit umlaufendem Wall und Graben. Ihre Deutung ist noch nicht abschließend geklärt. Durch neuere Untersuchungen ist jedoch gesichert, dass manche der Viereckschanzen dauerhaft bewohnte keltische Gutshöfe oder Mittelpunkt einer ländlichen Gemeinde waren. Andererseits ist nicht ausgeschlossen, dass die Kelten auch ihre Kultstätten mit viereckigen Einfriedungen umgaben. Für die meisten Viereckschanzen liegen keine oder nur spärliche Untersuchungen vor, so dass allgemeine Aussagen über ihren Zweck noch nicht möglich sind.«

Es ist schon mehr als bedauerlich, dass die meisten dieser Anlagen so gut wie nicht wissenschaftlich erforscht wurden. Noch beklagenswerter ist freilich, dass sich die meisten in einem kläglichen Zustand befinden oder vollkommen verschwunden sind. Waren es einst hunderte oder gar tausende?

Folgen Sie mir bitte nach Oberbayern in den Landkreis Ebersberg, in die Gemeinde Forstinning. 400 Meter nordwestlich des Örtchens gab es einst eine Keltenschanze. Nach einer alten Flurkarte war sie anno 1855 noch vollständig erhalten. Im Jahr 1907 war nur noch ein Teil, nämlich die Osthälfte vorhanden. Und die wurde im Verlauf der letzten einhundert Jahre vollkommen zerstört. Wikipedia merkt an, dass die Keltenschanze (1) »allerdings durch landwirtschaftliche Bodenbearbeitung nahezu eingeebnet ist.« Und weiter: »Im Ortsteil Sempt wurde von einem Bauern ein bronzenes Widderfigürchen aus der Keltenzeit gefunden, welches in der prähistorischen Staatssammlung in München verwahrt wird.«

Foto 6: ... der Herlingsburg
Der Ortsteil von Forstinning, wo einst die Kelten wirkten, heißt heute »Aitersteinering«. Sollte das auf einen »alten Steinring« zurückgehen, der einst die keltische Anlage umgab? Eine Bushaltestelle gibt’s in der »Keltenstraße«. Ansonsten gibt s nur spärliche Erinnerungen an die Erbauer der Schanze. So gut wie nichts ist erhalten geblieben!

Ich gebe es zu: Wer in unseren Gefilden nach den Überbleibseln von Keltenschanzen suchen will, der benötigt häufig detektivischen Spürsinn und wird immer wieder enttäuscht sein, weil von den einstigen Anlagen und ihren Geheimnissen so gut wie nichts mehr zu finden, also auch nichts zu fotografieren ist!

Klaus Schwarz hat zwei fundamentale Werke zum Thema Keltenschanzen verfasst, die man mit Fug Recht als die vollständigsten Standardwerke bezeichnen darf. Bereits 1959 erschien sein (2) »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns – Pläne und Karten«. 2007 wurde der Textband zum voluminösen Atlas nachgereicht (3). Der Atlas hat derart gewaltige Ausmaße, dass man ihn nur auf einer stabilen Unterlage lesen sollte. Leider ist das wichtige Opus nicht mehr nachgedruckt worden und heute nur noch selten antiquarisch zu beziehen. Wer sich auf Spurensuche begeben und Keltenschanzen vor Ort erkunden möchte, ist mit Klaus Schwarz bestens beraten.

So hörte ich schon während meines Studiums in Erlangen in den späten 1970-ern von einer Keltenschanze in der Gemeinde Laufen. Ich hätte mir die Reise sparen können. Vor Ort erklärte man mir, man wisse ja gar nicht, ob es »Am Doppelloh-Feld« wirklich jemals eine Keltenschanze gegeben hat. Schwarz stellt fest (5): »Mutmaßliche Viereckschanze. Im Gelände sind keine Spuren einer Schanze erkennbar, auch liegen keine Nachrichten über ihre ehemalige Existenz vor.

Klarer sind die Verhältnisse in der Gemeinde Reisbach (6): Da ist auch nichts mehr zu sehen, man weiß aber, wo es einst etwas zu sehen gegeben hat! Klaus Schwarz berichtet (7): »Die Schanze ist vollständig verschleift, das Gelände wird nach mündlicher Mitteilung des Besitzers seit etwa 1880 überackert. Die Schanze läßt sich heute nur auf Grund dieser Nachricht  und mit Hilfe der ältesten Flurkarte von 1820 sowie der Geländesituation südlich des Weilers lokalisieren. Größe, regelmäßiger Grundriß und Orientierung, sprechen dafür, daß es sich um eine spätkeltische Viereckschanze gehandelt hat.«

Es ist traurig um unser keltisches Erbe bestellt!


Fußnoten

Foto 7: Das Standardwerk von Schwarz
1) Wikipedia-Artikel, Stichwort »Forstinning«
2) Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns – Pläne und Karten«, München 1959
3) Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007
4) Gemeinde Laufen, Landkreis Berchtesgadener Land, Oberbayern
5) Schwarz, Klaus: »Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns Textband«, München 2007, Seite 33, Artikel »20a Biburg«
6) ebenda, Seite 53, Artikel »46a Biberg«
7) ebenda, rechte Spalte, Rechtschreibung wurde unverändert übernommen und nicht nach den Regeln der Rechtschreibreform angepasst





 Zu den Fotos

Foto 8: Buchcover mit Keltensiedlung
Foto 1: Karl der Große, Kilians-Kirche Lügde, Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Konstantin der Große, Foto wiki commons/ UserJean-Pol Grandmont
Foto 3: Die Herlingsburg, Emil Zeiß 1863, Archiv Langbein
Foto 4: So sieht eine typische Keltenschanze aus. Foto Archiv Langbein
Foto 5: Teil eines Walls ... Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: ... der Herlingsburg. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Buchcover Schwarz. Sehr empfehlenswertes Werk! Siehe Literatur!
Foto 8: Buchcover Wieland. Sehr empfehlenswertes Werk! Siehe Literatur!
Foto 9: Von Bäumen »erobert« ...  Foto Walter-Jörg Langbein 
Foto 10: ... Wallanlage der Herlingsburg. Foto Walter-Jörg Langbein



Literatur zum Themenkreis »Kelten« 

Teil 1

Foto 9: Von Bäumen »erobert« ...
Anonymus: Die Kelten/ Europas Volk der Eisenzeit/ Untergegangene Kulturen,
     Amsterdam 1995            
Anonymus: Magische Welt der Kelten, Bindlach 2005
Badewannenmeditationen: Magische Welt der Kelten, Bindlach 2005
Barnes, Ian: Der große historische Atlas der Kelten, Wien 2009
Bernhardi, Anne: Die Kelten/ Verborgene Welt der Barden und Druiden,
     Hildesheim 2010
Bernstein, Martin: Kultstätten Römerlager und Urwege/ Archäologische
     Ausflüge von der Steinzeit bis zum Mittelalter in Oberbayern, München 1996
     (Keltenschanze von Holzhausen, S. 58-68)
Böckl, Manfred: Von Alraunhöhlen und Seelenvögeln/ Keltische Sagen aus
     Altbayern, Dachau 2007
Botheroyd, Sylvia und Paul: Lexikon der keltischen Mythologie, München
     1996
Botheroyd, Sylvia und Paul: Deutschland/ Auf den Spuren der Kelten,
     München 1989
Brunaux, Jean-Louis: Druiden/ Die Weisheit der Kelten, Stuttgart 2009
Concannon, Maureen: The Sacred Whore/ Sheela Goddess of the Celts,
     Neuauflage, Doughcloyne 2005
Cowan, Tom: Die Schamanen von Avalon/ Reisen in die Anderswelt der Kelten,
     München, 2. Auflage 1999
Dannheimer, Hermann und Gebhard, Rupert (Hrsg.): Das keltische
     Jahrtausend, Mainz 1993
Derungs, Kurt (Herausgeber): Keltische Frauen und Göttinnen/ Matriarchale
     Spuren bei Kelten, Pikten und Schotten, Bern 1995
Edel, Momo: Die Kelten/ Europas spirituelle Kindheit, Saarbrücken 2005
Geise, Gernot L.: Das keltische Nachrichtensystem, Peiting 2002
Geise, Gernot L.: Keltenschanzen und ihre verborgenen Funktionen,
     Hohenpeißenberg, 10. Auflage, 2014
Foto 10: ... Wallanlage der Herlingsburg

Göttner-Abendroth, Heide: Fee Morgane – Der Heilige Gral/ Die großen
     Göttinnenmythen des keltischen Raumes, Taunusstein 2005
Gschlössl, Roland: Im Schmelztiegel der Religionen/ Göttertausch bei Kelten,
     Römern und Germanen, Mainz 2006
Gunst, Reinhard: Der Himmel der Kelten, Göppingen 2014
Habiger-Tuczay, Christa: Magie und Magier im Mittelalter, München 1992
      (Magie der Kelten, S.165-175)
Haffner, Alfred (Hrsg.): Heiligtümer und Opferkulte der Kelten, Stuttgart 1995
Henze, Usch: Die Merowinger/ Eine historische und spirituelle Spurensuche,  
     Saarbrücken 2010 (siehe Kapitel Atlantisches Europa!)
Higgins, Godfrey: The Celtic Druids or An Attempt to shew, that the Druids
     were the priests of oriental colonies who emerged from India And were the
     introducers of the first or Cadmean system of letters and the builders of
     Stonehenge, of Carnac, and of other cyclopean works, in Asia and Europe,
     London 1829
Kaminski, Heinz: Die Götter des Landes Vestfalen/ Der Wormbacher Tierkreis
     –  Schlüssel zur Keltisch-Germanischen Kultstätte, Fredeburg 1988
Klein, Thomas F.: Wege zu den Kelten/ 100 Ausflüge in die Vergangenheit,
     Stuttgart 2004

336 »Das verschwundene Schloss«,
Teil 336 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 26.06.2016



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Sonntag, 12. Juni 2016

334 »Halloween und der Mord an John F. Kennedy«

Teil 334 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Halloween 1963
Es wird langsam Abend. Dunkelheit legt sich über die Straßen. Nach und nach tauchen grimmige Rundköpfe vor Türen und Fenstern auf. Und Horden von Monstern und Tierwesen erobern nach und nach Stevensville, ein kleines Dörfchen am Michigansee. Stockdunkel ist es, doch die Fratzen der Ballonköpfe sind deutlich zu erkennen.

Manche Menschen haben ihre Jalousien herabgelassen, alle Lichter im Haus gelöscht, Türen und Fenster geschlossen. Es klingelt immer wieder Sturm, aber sie reagieren nicht. Manche sind bewusst und gezielt verreist. Andere schreien durch die geschlossenen Türen, die ungebetenen Besucher mögen abhauen. Andere wieder warten hoffnungsvoll, öffnen bereitwillig. Vor ihnen stehen Kinder, als Monster oder Tiere kostümiert. Viele sind nur fantasievoll geschminkt. Alle sind aufs Gleiche aus. Alle haben es sehr eilig, denn die Konkurrenz ist groß. Je schneller man unterwegs ist, desto mehr Beute kann man einsacken.

Wir schreiben den 31. Oktober 1963. Es ist Halloween. Ich bin mit meinem Bruder und einer Gruppe anderer Kinder unterwegs. Wir eilen von Haus zu Haus, klingeln wie wild. Endlich öffnet jemand. Wir schreien »Trick o‘ treat«, was sich am ehesten mit »Scherz oder Süßes« übersetzen lässt, halten Tüten und Beutel hin, nehmen Naschereien entgegen. Schon geht es weiter. Es muss schnell gehen. Viele Kinder sind unterwegs. Wer keine Süßigkeiten herausrückt, wird »bestraft«. Wir haben Zahnpastatuben dabei. Damit beschmieren wir die Türen jener, die uns unverrichteter Dinge wieder abziehen lassen.

Foto 2: Martin Luther
So lernte ich anno 1963, am 31. Oktober, als Neunjähriger, Halloween kennen. Heute über ein halbes Jahrhundert später, ist »Halloween« auch in Deutschland angekommen, wenn auch nicht überall beliebt. Manche Kritiker wenden ein: »Müssen wir denn jeden Quatsch aus Amerika übernehmen?« In der Tat: »Halloween« kommt aus den Staaten, aber – zurück. »Halloween« hat seinen Ursprung in Europa!

Der Name »Halloween« lässt sich auf »All Hallows‘ Eve« zurückführen. Damit ist der Abend vor Allerheiligen gemeint. Auf das christliche Hochfest »Allerheiligen« (1.November) folgt unmittelbar »Allerseelen« Zu »Allerseelen« gedenken die katholischen Christen ihrer Verstorbenen. 

Nach altem Kirchenglauben kann man für die Verblichenen Gutes tun, besonders für die armen Sünder, deren Seelen im Fegefeuer schmoren. Sünder, die keine Nachkommen haben, sind schlecht dran. Niemand kauft sie frei. Sie müssen bis zum Ende abbüßen. Die Ostkirchen maßen der Lehre vom Fegefeuer nie wirklich große Bedeutung zu, die Kirchen der Reformation haben sie abgeschafft, nur die römisch-katholische Kirche hält bis heute an ihr fest.

Foto 3: Menschen im Fegefeuer


In den  frühen 1970er Jahren erlebte ich als Student in Theologenkreisen der evangelisch-lutherischen Kirche heftige Diskussionen. Der katholischen Kirche gehe es doch nur um schnöden Mammon! Man verbreite Angst, mache den Gläubigen ein schlechtes Gewissen, indem man ihnen gern auf drastische Weise das Leiden und die Qualen ihrer dahingeschiedenen Verwandten im qualvollen Fegefeuer schildere. Dann sei man ja gern dazu bereit, es sich etwas kosten zu lassen, die Seelen lieber Toter vorzeitig aus dem Fegefeuer zu befreien. Natürlich hofft man dann auf ähnliche Hilfen durch die Nachkommenschaft, so man denn dereinst selbst im Fegefeuer schmachtet und leidet. Wie hieß es einst so schön? »Die Seele in den Himmel springt, wenn das Geld im Kasten klingt.«

Foto 4: Noch eine sehr alte Darstellung des Fegefeuers

Seit Jahren werde ich immer wieder gefragt, ob es denn zutreffe, dass der Vatikan das Fegefeuer abgeschafft habe. Manchmal gehe ich in Vorträgen auch auf das Fegefeuer ein, werde dann – nicht selten etwas grob –  »korrigiert«: »Sie sind schlecht informiert! Diesen Ort der Qual gibt es nach neuern Aussagen der katholischen Kirche gar nicht!«

Foto 5: Fegefeuer im Vorraum einer Kirche
Es gibt ihn nach katholischer Glaubenslehre nach wie vor. Abgeschafft wurde nicht das »purgatorium« (zu Deutsch »Reinigungsort«, volkstümlich »Fegefeuer«), sondern der sogenannte »limbus«. Der »limbus« war nach offizieller Lehrmeinung eine Art Warteraum. Die Seelen von ungetauften Babys wanderten nach dem vorzeitigen Tod der kleinen Wesen zunächst in den »limbus«, wo sie bis ans Ende der Zeit ausharren mussten. Nachdem der Vatikan den »limbus« für nicht existent erklärt hat, gelangen die unschuldigen Babyseelen sofort ins Paradies. Nach der mittelalterlichen Vorstellung harrten in diesem Wartezimmer auch jene guten Menschen, die vor Christi Geburt lebten.

Im 1992 veröffentlichten Katechismus der katholischen Kirche suchte man nach dem »limbus« bereits vergeblich. Kardinal Joseph Ratzinger hatte bereits vor seiner Wahl zum Papst (anno 2005) die Vorhölle als »nur eine theologische Hypothese« bezeichnet und empfohlen, den Glauben daran abzulehnen. Ein Gremium von Theologen unter Leitung des Erzbischofs von Dijon Roland Minnerath folgte diesem Ansinnen und erklärte den mittelalterlichen Glauben im Frühjahr 2007 für obsolet. Am 20. April 2007 verkündete Papst Benedikt XVI. das Ende des »limbus«.

Foto 6: Flugblatt in Sachen Luther-Thesen

Zurück zu den Diskussionen in Lutheranerkreisen. Zur Sprache kam auch das damals in Deutschland so gut wie unbekannte »Halloween«. Am 31. Oktober gedenkt man doch der lutherischen Reformation und des heldenhaften Martin Luther, der anno 1517 am Abend vor Allerheiligen seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt hat! Und zwar just zum Themenbereich »Ablass und Buße«. Inzwischen wird in der Wissenschaft die schöne Geschichte von den Thesen an der Kirchentür stark angezweifelt. Und wenn sie tatsächlich erfolgt sein sollte, hat damals die allgemeine Bevölkerung nichts davon mitbekommen. Nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung war des Lesens kundig. Und Laien verstanden mit Sicherheit nicht Luthers Ausführungen, denn die waren in Latein verfasst.

Mit Abscheu blickte man auf den »amerikanischen« Brauch »Halloween« herab, der womöglich das altehrwürdige Reformationsfest beschmutzen könne. Damals stand freilich »Halloween« noch nicht vor Deutschlands Türen. Erst anno 1978 kam der Film »Halloween – Die Nacht des Grauens« von John Carpenter bei uns in die Kinos. Das Horrorspektakel war so erfolgreich, das nach und nach eine ganze Filmreihe daraus wurde. Immer wieder wurde auf der Leinwand in der Halloweennacht gemetzelt und gemordet.

Foto 7: John F. Kennedy. Foto Walter Langbein sen.

Was bei meinen lutherischen Mit-Studenten besondere Empörung auslöste, das war der »heidnische Ursprung dieses bösen Spuks«, wie es ein Professor der Kirchengeschichte formulierte. Nicht bedacht hat der gelehrte Mann freilich, dass so manch‘ vermeintlich urchristliches Glaubensgut ersten Ranges heidnische Wurzeln hat. So geht die christliche Lehre der Dreifaltigkeit auf sehr viel ältere und heidnische Götter-, ja gar Göttinnen-Triaden zurück! Woher aber kommt der »Halloween«-Brauch? Hat er auch heidnische Wurzeln?

Der amerikanische Brauch, zum »Halloween«-Fest Kürbisse aufzustellen, geht auf altes Brauchtum in Irland zurück. Allerdings höhlte man da Rüben aus, schnitzte Gesichter hinein und beleuchtet die kleinen Kunstwerke von innen mit einer Kerze. Man stellte sie vor Häuser und Stallungen, um böse Geister abzuschrecken. Irische Auswanderer nahmen den Brauch mit in die USA. Man stieg allerdings von Rüben auf Kürbisse um. In den USA ist »Halloween« längst zum Gaudium ohne tieferen Hintergrund geworden. Evangelikale Christen lehnen entsetzt »Halloween« als okkultes Teufelswerk ab.

James Frazer erklärte, dass sich da (1) »ein altes heidnisches Totenfest unter dünner christlicher Hülle verbirgt«. Sein Opus »The Golden Bough« (»Der Goldene Zweig«) erschien 1906 bis 1915 in zwölf Bänden. Auch die altehrwürdige »Encyclopaedia Britannica« führt das christliche Allerheiligen auf ein heidnisches Halloween zurück. Das »Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens« erkennt ein keltisches Totenfest als Ursprung von »Allerheiligen«.  So verwirrend die vielfältigen Thesen auch sind, mir leuchtet am ehesten ein, dass die Kelten eine Rückkehr der Toten aus der Welt der Geister für möglich hielten, ja befürchteten. Zum Sommerende wurde das Vieh von den Weiden in die heimischen Ställe zurück geholt. Und die Totengeister machten sich auf den Weg zurück in ihre einstigen Heime. Wollten sie nur noch einmal sehen, wo sie zu Lebzeiten gehaust hatten, bevor sie in die jenseitige Welt schritten? Wollten sie nur beobachten? Wollten sie sich still verabschieden oder doch die »lieben Nachkommen« piesacken? Offenbar waren sie keine willkommenen Gäste.

Foto 8: Präsident John F. Kennedy. Foto W. Langbein sen.

Feuer auf Berggipfeln wurden entzündet (2), um  böse Totengeister zu vertreiben. Und wenn sie es doch bis vor die Haustüre schafften? Dann trugen die Menschen Masken und Verkleidungen, um von den Verblichenen nicht erkannt zu werden. Ausgehöhlte Rüben, später Kürbisse mit fratzenhaften Gesichtern, scheinbar glühenden Augen und Mündern – ob sie wirklich Totengeister mit bösen Absichten fernhalten?

Foto 9: Präsident John F. Kennedy. Foto W. Langbein sen.

Ich erinnere mich jedenfalls an den 31. Oktober 1963, an die Halloweenkürbisse der Familie Langbein, an die Verkleidungen von uns Buben, an unsere Halloweenstreiche und reiche Ausbeute an Süßigkeiten. 

Und ich erinnere mich an den 22. November 1963, an den Tag, als der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika an der Dealey Plaza gegen 12 Uhr 30 Ortszeit ermordet wurde. Wenige Monate zuvor war mein Vater im Weißen Haus vom Präsidenten persönlich empfangen worden.

Fußnoten

1) »The New Golden Bough/ A new abridgement of the classic work by Sir James Frazer, edited, and with notes and foreword by Dr. Theodor H. Gaster«, New York 1959, S. 630, Zeilen 15 und 16 von unten. Im englischen Original: »… under a thin Christian cloak conceals an ancient pagan festival of the dead.
2) ebenda, S. 629-632: »Hallowe’en Fires«

Zu den Fotos

Foto 10: Präsident John F. Kennedy. Foto Walter Langbein sen.

Foto 1: Halloween 1963. Rechts im Bild - Verfasser Walter-Jörg Langbein. Links daneben in gestreifter Hose - Volker Langbein. Dahinter: Mutter Herty Langbein.
Foto 2 Martin Luther in einem Gemälde von Lucas Cranach d.Ä. 1528. Foto wiki commons
Foto 3: Fegefeuer-Darstellung,  Marienmünster, Diessen, Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Fegefeuerdarstellung, etwa 1419, Legenda Aurea, Foto wikimedia commons/ Aodh 
Foto 5: Fegefeuerdarstellung im Vorraum der Kirche von Reichersdorf. Foto Heidi Stahl
Foto 6: Flugblatt in Sachen Luther-Thesen, 16. Jahrhundert, Archiv Langbein
Fotos 7-10:  Präsident John F. Kennedy. Foto/copyright Walter Langbein sen./ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 11: Mein Vater Walter Langbein sen. wurde von Präsident John F. Kennedy persönlich empfangen. Foto privat. Copyright Walter-Jörg Langbein

Foto 11: Mein Vater im Garten des Weißen Hauses
335 »Spurensuche«,
Teil 335 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein,                      
erscheint am 19.06.2016


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Sonntag, 5. Juni 2016

333 »Der Schrei der Banshee«

Teil 333 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Die Mauer von Kuelap

Archäologie-Student Werner Kaiser (1) will in den Anden Nordperus in der mysteriösen Stadt der Wolkenmenschen, Kuelap, einen Spuk erlebt haben. Ich bat um möglichst viele Einzelheiten und hielt die Zeugenaussage Kaisers schriftlich fest.

Die Erscheinung glich nach den Aussagen Kaisers einer Mumie der Chachapoyas, wie sie in verschiedenen Gräbern in Felssteinwänden vorgefunden wurden.

»Das Ding war in ein arg verschlissenes, zerfetztes, sich seit Jahrhunderten auflösendes Tuch gewickelt. Man sah die Füße des Skeletts, auch die knöchernen Hände. Der Schädel flößte mir besonders intensive Angst ein. Das Maul der Kreatur war unnatürlich in die Länge verzerrt und weit geöffnet. Der Schädel war weiß, die Zähne ähnelten denen eines Raubtiers oder Vampirs. Fast perückenhaft wirkte dass rotbraune Haar.«

Foto 2: Zwei Mumien vom Chauchilla-Friedhof.

Ganz ähnliche Mumien-Skelette habe ich zu Dutzenden auf dem Friedhof von Chauchilla gesehen. Entdeckt wurde der Friedhof angeblich erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Genutzt wurde er mindestens seit dem späten zweiten nachchristlichen Jahrhundert. Vermutlich wird das riesige Areal unweit der legendären Ebene von Nazca auch heute noch von Grabräubern heimgesucht. Das anrüchige Gewerbe wird dort wohl schon seit vielen Jahrhunderten praktiziert. Man sucht nach Gräbern, zerrt die Mumien heraus und hofft, dass ihnen wertvoller Schmuck aus Gold auf die Reise ins Jenseits mitgegeben wurde. Vermutlich wurden zigtausende Mumien zerhackt. Wer über den Friedhof geht, muss erkennen, dass der Boden über Quadratkilometer übersät ist mit kleinen und größeren Knochensplittern. In Löchern hocken für uns Besucher Mumien. Oft steckt der gesamte Leib der Toten in einer sackartigen Hülle, auf die man den Schädel gesetzt hat. Prägnant sind die rotbraunen Haare der Mumien.


Foto 3: Schrei der Mumie.
Am »krassesten«, so Werner Kaiser, sei der laute, schmerzhafte, schrille Schrei gewesen. »Wie lange das entsetzliche Geräusch zu hören war, das weiß ich nicht mehr. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich denke aber, es waren eher nur einige Sekunden als Minuten!« Als wir uns schließlich verabschiedeten, raunte mir Werner Kaiser zu: »Plötzlich spürte ich, dass ich mich wieder regen konnte. Obwohl es schon recht düster war, rannte ich wieder der Blitz aus Kuelap und den steilen, schmalen Weg hinab. Als ich schon ein ganzes Stück zurückgelegt hatte, legte ich eine Verschnaufpause ein.« Angeblich habe er dann aus der Distanz erneut den grellen Schrei gehört – und seit weiter bergab gerannt, bis er völlig erschöpft an seinem Leihwagen ankam.

Wahrheit oder Fiktion, erlebte unheimliche Wirklichkeit oder blühende Fantasie? Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß: Schon vor Jahrzehnten hörte ich auf einer ausgedehnten Englandreise mehrfach vom Schrei der Banshee. Der soll auch durch Mark und Bein gehen! In England erzählte man mir bei meinen Recherchen in Sachen Mysterien unseres Planeten von Banshee, einem weiblichen Geist. Der Name leitet sich vom Irisch-Gälischen »bean sí«, zu Deutsch »Frau aus den Hügeln« ab. Nach altem keltischen Volksglauben, der in Irland noch recht lebendig ist, stammt sie aus dem »Feenreich«, als Geisterfrau könne die Banshee zwischen der Anderswelt der Toten und der Welt der Lebenden pendeln.

Das »Lexikon der keltischen Mythologie« verrät uns (2): »Ihr Rufen, das den Menschen die Haare zu Berge stehen und sie die unendliche Einsamkeit verspüren läßt, ertönt oft nur dreimal, manchmal dauert es jedoch die ganze Nacht an. Distanzen sind für sie gegenstandslos; in vielen Beispielen kündet sie den Tod von Verwandten in Amerika oder Australien an.«

Foto 4: Banshee. Darstellung aus der Zeit um 1825.

Banshees werden noch heute in Irland und Schottland als Todesbotinnen angesehen. Ihr Schrei wird unterschiedlich, oft als schrill und kreischend, beschrieben. Der Mumien-Geist von Kuelap mag ganz ähnlich geklungen haben, hatte aber rein äußerlich überhaupt nichts mit einer Banshee gemeinsam. Ich darf noch einmal das »Lexikon der keltischen Mythologie« zitieren (3): »In der Volkskunde gehört sie zu den bestbeschriebenen Figuren: Sie zeigt sich als ›kleine Alte‹, in weißen oder roten Gewändern, zuweilen rot beschuht. Ihr prächtiges Haar, ob weiß, golden, braun oder rot, trägt sie lang und lose und kämmt es mit einem goldenen oder silbernen Kamm.«

Zur Todesbotin wurde die Banshee freilich erst in christlicher Zeit. Ursprünglich war sie eine Göttin. Verehrt wurde sie von den »Tuatha Dé Danann« in Irland. Der Name des mysteriös-mythisch-legendären Volks lässt sich mit »das Volk der Göttin« übersetzen, was auf matriarchalische Ursprünge hinweist. Die Menschen vom »Volk der Göttin« sollen aus den »nördlichsten Inseln der Welt«, nach anderen Quellen aus Griechenland stammen.

Die Wurzeln der Banshee aufzuspüren, das ist nicht leicht. In der Sagenwelt wurde Banshee zu einem Gattungsbegriff, es gab nicht eine, sondern viele Banshees. In manchen Volkslegenden wird jeder Familie eine eigene Banshee zugeordnet. Banshees tauchen immer dann auf, wenn ein Familienmitglied bald sterben wird. Die Banshees haben als Königin Áine, die irische Muttergöttin. Über Áine verrät uns das »Lexikon der keltischen Mythologie« einiges (4):

»Im Irischen bedeutet ›Áine‹ ›Helligkeit‹, ›Hitze‹, ›Geschwindigkeit‹ und tritt sowohl als weiblicher als auch männlicher Name in der irischen Sage auf, was auf eine (vor)keltische Sonnengöttin und den keltischen Sonnengott schließen läßt, die täglich mit Pferd und Wagen, als Reiter beziehungsweise Reiterin … den Himmelsraum durchmessen.«

Offensichtlich waren die weibliche und der männliche Áine so tief im keltisch-irischen Volksglauben verwurzelt, so dass beide lange der Christianisierung trotzten. Da die beiden nicht offiziell abgeschafft werden konnten, durften sie weiterleben (5): »Die Christianisierung ließ dem Sonnengott Áine die Stellung als Stammvater der Eóganacht-Sippe, während die Göttin Áine zur Feenkönigin degradiert wurde.«

Foto 5: Die Keltin an der Kirchenwand.

Kurzer »Ausflug« in die Gegenwart: Auch heute noch gedenkt man kirchennah der keltischen Vergangenheit. Da gibt es zum Beispiel eine sehr schöne Grabstele mit Medaillon und Reliefbüste einer keltischen Frau aus alten Zeiten. Wo? An der Apsis der Filialkirche in Lendorf, im 14. Bezirk »Wölfnitz« der Landeshauptstadt Klagenfurt, Kärnten, Österreich. Wer Keltisches im Christlichen sucht, wird fündig: Göttin Danu bildete zusammen mit Brigid und Anu eine weibliche Dreifaltigkeit. Die drei keltischen Göttinnen kann man als drei Seiten der weiblichen Schöpfungskraft verstehen, oder als Pendent zur Trinität der christlichen Theologie.

»Tuatha Dé Danann« lässt sich, wie gesagt, »das Volk der Göttin« übersetzen. Es geht aber konkreter: »Volk der Göttin Dana/ Danu«. Danu (moderner Dana) war die große göttliche Urmutter, von der alle Lebewesen abstammen. Urmutter alles Lebenden war, was heutige Bibel-Übersetzungen leider verbergen, auch Eva. Ich darf aus meinem Buch »Als Eva noch eine Göttin war« (6) zitieren:

Foto 6 Als Eva noch eine Göttin war

»Die Hoffnung für Alle-Ausgabe der Bibel versucht dem Laien den Zusammenhang zu verdeutlichen, indem eine Übersetzung von Eva angeboten und in Klammern eingefügt wird: ›Adam gab seiner Frau den Namen Eva (›Leben‹), denn sie sollte die Stammmutter aller Menschen werden.‹

Eva, so meint der Laie verstehen zu müssen, heißt also Leben. Und weil Eva die ›Stammmutter aller Menschen‹ wurde, nannte ihr Mann Adam sie in prophetischer Weitsicht ›Eva‹, eben ›Leben‹. Die tatsächliche Brisanz des Textes geht allerdings in sämtlichen Übersetzungen verloren. Im hebräischen Original steht nämlich, wortwörtlich ins Deutsche übertragen: ›Und der Mann nannte seine Frau Eva, denn sie war die Mutter aller lebenden Dinge/ alles Lebendigen.‹

Im Originaltext ist Eva nicht nur Stammmutter aller künftiger Menschen, sondern alles Lebendigen: und das sind nach uralter Vorstellung die Pflanzen, die Tiere, die Menschen – und die Götter. Eva erhält also ihren Namen, weil sie als wirkliche Urmutter von Tieren, Menschen und Göttern und nicht nur von den Menschen angesehen wurde!«

Fußnoten

1) Name vom Verfasser geändert, strikte Vertraulichkeit wurde vereinbart und bleibt gewahrt.
2) Botheroyd, Sylvia und Paul F.: »Lexikon der keltischen Mythologie«, München 1992, S. 36, linke Spalte, Zeilen 15-21 von oben (Rechtschreibung wurde in Zitaten unverändert übernommen, also ß statt ss!)
3) ebenda, Zeilen 8-14
4) ebenda, Seite 13, Artikel »Áine«
5) ebenda, Seite 13, Artikel »Áine«
6) Langbein, Walter-Jörg: »Als Eva noch eine Göttin war«, Großgerau, Oktober 2015,
Foto 7

Zu den Fotos:

Foto 1: Die Mauer von Kuelap. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Zwei Mumien vom Chauchilla-Friedhof. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Schrei der Mumie. So soll die Spukerscheinung ausgesehen haben.
Das Foto zeigt zur Veranschaulichung eine Mumie aus dem Friedhof von Chauchilla, Peru. Das Foto wurde bearbeitet, um der Schilderung Werner Kaisers besser zu entsprechen. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Banshee. Darstellung aus der Zeit um 1825. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Die Keltin an der Kirchenwand. Foto wikimedia commons/ Johann Jaritz
Foto 6 Als Eva noch eine Göttin war, Buchcover. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7 Adam und Eva um 1550 gemalt/ wiki commons (rechts)


334 »Halloween und der Mord an John F. Kennedy«,
Teil 334 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         

von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 12.06.2016


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