Sonntag, 30. April 2017

380 »Eine Köpenickiade und drei Exgöttinnen«

Teil  380 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein

Foto 1: Die drei Bethen von Worms.

Im altehrwürdigen Dom zu Worms fotografierte ich die drei Heiligen Bethen, in Stein formvollendet verewigt. Auf meinen Reisen begegneten die drei Heiligen Madeln unter verschiedenen Namen immer wieder. Auch in Freiburg im Breisgau sind sie nach wie vor nicht vergessen.

»Am Abend des 27. November 1944 brach die Hölle über Freiburg herein!«, erklärte mir ein greiser Mann, der die Bombenangriffe auf das malerische Schwarzwaldstädtchen leibhaftig miterlebt hatte. »Ich kann mich genau erinnern. Leichter Nebel lag über der Stadt. Der Vollmond stand hoch am Himmel. Es war Adventszeit. Irgendwie schien es friedlich zu sein. 8 Uhr läuteten die Kirchenglocken. Die Stille war trügerisch. Wenige Minuten später  gab es den Voralarm. Und fast gleichzeitig fielen die ersten Bomben vom Himmel. Lancaster-Bomber warfen Bomben ab, als gelte es, ganz Freiburg von der Karte zu tilgen. Dabei wollte man doch in erster Linie den angeblich so wichtigen Bahnhof von Freiburg zerstören.«

Foto 2: So manche Kirche war den Bethen geweiht
Fast 3.000 Menschen starben am 27. November in Freiburg, im Bombenhagel von über 300 Lancaster-Flugzeugen, die in nur zwanzig Minuten Tausende Spreng- und Brandbomben abwarfen (1). 80 Prozent der historischen Altstadt wurden vernichtet. Von 14 527 Gebäuden blieben nur 2148 unbeschädigt. Kapellen und Kirchen wurden nicht verschont. Massiv von Bomben getroffen wurde auch das Münster zu Freiburg. Wie durch ein Wunder »überlebte« der mächtige Turm, der das berühmte Tympanon beherbergt.

Am Montag, den 7. Mai 1945, kam es im »Obersten Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte« in Reims zur Unterzeichnung eines wichtigen Dokuments. Die deutsche Wehrmacht kapitulierte bedingungslos. Wenige Tage zuvor, am 21. April 1945, standen französische Truppen vor Freiburg. Die militärisch bedeutungslose, inzwischen fast vollkommen zerstörte Stadt, sollte eingenommen werden. Nur wenige verblendete Fanatiker glaubten noch an den so oft beschworenen »Endsieg«. So wurden gewaltige Sprengladungen an der Schwabentorbrücke angebracht. Der Einmarsch der französischen Truppen sollte durch Zerstörung der Brücke verhindert werden. Eine Sprengung der Brücke hätte vermutlich dazu geführt, dass Freiburg vollkommen von der Landkarte gefegt worden wäre. Da kam es zu einer echten »Köpenickiade«:

Clemens Rosset holte seine alte Hauptmannsuniform aus dem Kleiderschrank, erschien bei der Schwabentorbrücke und gab sich als »Beauftragter des Stadtkommandanten« aus. Er befahl den Soldaten, die Sprengladungen wieder abzubauen, zu entschärfen und sich zum Messplatz zurückzuziehen. So verhinderte er weiteres Blutvergießen. Sein Einsatz war alles andere als ungefährlich. Leicht hätte Clemens Rosset als Wehrkraftzersetzer erschossen werden können.

Foto 3: Aus Göttinnen wurden christliche Heilige
Anders als das Münster von Freiburg überstand die Pfarrkirche »St. Cyriak und Perpetua« die massiven Luftangriffe vom 27. November 1944 unbeschadet. Bereits 1748 war auf dem Adelhauser Friedhof nach Fundamenten einer alten Kirche gesucht worden. Man wurde fündig. Und so beschloss man, auf den Resten der Mauern neu zu bauen. Die Barockkirche, so ist es verlässlichen Dokumenten zu entnehmen, wurde anno 1753 begonnen. »St. Cyriak und Perpetua« wurde sie genannt. Im Volksmund hieß das kleine Gotteshaus »Annakirche«, weil es auf dem »Annaplatz« errichtet worden war.

Wie so häufig wurden die ältesten christlichen Kirchen auf einst heidnischen Sakralplätzen gebaut. Rund ein Jahrhundert vor der Stadtgründung von Freiburg gab es die Dörfer Wiehre und Adelhausen. Sie verschmolzen während des »Dreißigjährigen Krieges« anno 1643 zu einer Gemeinde. Der Name Wiehre setzte sich für das »neue« Dorf durch. Erst 1826 kam es zur Eingemeindung und aus dem selbständigen Dorf wurde schließlich ein Ortsteil von Freiburg. Und just dort soll es einst ein heidnisches Heiligtum gegeben haben. Es gab offenbar einst eine heidnische Pilgerstätte, die schließlich christianisiert wurde. Mag sein, und ich halte das für eine realistische Annahme, dass es Göttinnen waren, die hier einst verehrt und angebetet wurden. Aus ihnen wurden Einebth, Wilbeth und Worbeth, die »drei Heiligen Jungfrauen«, auch »die drei Heiligen Bethen« genannt.

Foto 4: Die Wiehre mit St. Cyriak und Perpetua, Gemälde - um 1820

Der kleine Kirchführer »Freiburg im Breisgau/ St. Cyriak und Perpetua« vermeldet (2): »Besonders in Pestzeiten pilgerten die verängstigten Menschen scharenweise zu den Heiligtümern der als christliche Nothelferin angerufenen Einbeth. Ihr Kult entwickelte sich in Straßburg und drang seit dem Ende des 12. Jahrhunderts in den südwestdeutschen Sprachraum vor. Nach der Legende, auf die auch vorchristliche Mythen eingewirkt hatten, sei die (nie heiliggesprochene) Einbeth mit ihren Kultgenossinnen im Gefolge der Heiligen Ursula nach Straßburg gekommen.«


Ich halte diese Beschreibung für richtig, wenngleich meiner Meinung nach es nicht vorchristliche Mythen waren, die auf eine christliche Legende einwirkten. Vielmehr war es eine alte heidnische Legende, die christlich eingefärbt wurde.

Foto 5: »St. Cyriak und Perpetua-Kirche«, Freiburg

Die Geschichte von Freiburg und Umgebung ist verwirrend. Die Region war über Jahrhunderte heftig umkämpft. Es folgte Krieg auf Krieg, die Herrschaftsverhältnisse änderten sich immer wieder. Was mich aber mehr interessiert als die Militärpolitik der vielen Jahrhunderte, das ist der Wandel in Sachen Religion vom Heidentum zum Christentum. Wie so oft konnte älterer, heidnischer Glauben nicht ausgemerzt werden. So versuchte man durch Verschleppung von »Heiligen« aus heidnischen in christliche Zeiten möglichst vielen Gläubigen den Wechsel zum Christentum zu erleichtern.

An Stelle der heutigen Kirche »St. Cyriak und Perpetua« stand früher die Kirche St. Einbeth, die ihrerseits ein heidnisches Heiligtum ablöste. Wie viele heidnische Kultplätze man es in vorchristlichen Zeiten in deutschen Gefilden gegeben haben? Wir wissen es nicht. Jahrhunderte der Christianisierung ließen sie in Vergessenheit geraten, nur die »drei Bethen« erinnern noch an sie.

An der Stelle der heutigen Kirche »St. Cyriak und Perpetua« stand im 13. Jahrhundert ein der »St. Einbeth« gewidmetes Gotteshaus. In Zeilarn, Gemarkung Schildthurn, Niederbayern, ragt der höchste Dorfkirchturm Bayerns 78 Meter hoch in den Himmel. Benannt wurde das Gotteshaus nach dem Heiligen Ägidius. Nebenpatrone sind bis auf den heutigen Tag die drei Heiligen Jungfrauen Einbeth, Wilbeth und Warbeth. Nach Max Heuwieser verehrte man hier einst die heidnischen Nornen, die den Frauen bei Geburten zur Seite standen. Max Heuwieser (1878-1944), Geistlicher und Hochschulprofessor, gilt nach wie vor als kenntnisreicher Heimat- und Geschichtsforscher.

Nach wie vor verehrt werden die drei Bethen auch in der »Kirche St. Tertulin« in Schlehdorf am Kochelsee. Und das wohl seit Mitte des 14. Jahrhunderts. Ihre Namen wurden als Wolbeth, Walbeth und Vilbeth überliefert. Aus dem 18. Jahrhundert (?) stammen ihre Statuetten, die den »Frauenaltar« zieren. Mag sein, dass nur der Altar so relativ jung ist, die drei Heiligenfiguren aber älter sind. Eine der Drei hält – wie ihre steinernen Pendants in Worms – ein Buch. Alle drei sind als Heilige dargestellt: jede verfügt über einen Strahlenkranz. Heilige Frauen, die als Attribut ein Buch tragen sind nach alter Symbolik Wissende, die mit uralten Mysterien vertraut sind, also altehrwürdige Eingeweihte.

Foto 6: »Drei Nornen«, Gemälde etwa 1844

Auch in Leutstetten wird fündig, wer nach den Heiligen drei Madeln sucht. Leutstetten war einst eine eigenständige Gemeinde in Oberbayern. Anno 1978 aber kam’s zur Gebietsreform in Bayern, Leutstetten wurde der Stadt Starnberg eingemeindet. Drei Kronen in Weiß auf blauem Grund zieren das Wappen von Leutstetten – eine Erinnerung an die drei Heiligen Bethen? Selbständig war auch einst das Dörfchen Einbettl bei Leutstetten. In der Kapelle von Einbettl genoss ein Gemälde in der Bevölkerung religiöse Verehrung. Es zeigte, wen wundert’s?, die drei Heiligen Bethen. Der Name des Dorfes Einbettl geht offensichtlich auf eine der drei Bethen, natürlich auf Einbeth, zurück.

Im altehrwürdigen Dom zu Worms fotografierte ich die drei Heiligen Bethen, in Stein formvollendet verewigt. Vorläufer dieser christlichen weiblichen Triade waren keltische Muttergöttinnen, die als Triaden verehrt wurden. Bis 1968 konnte man die drei Bethen noch im römisch-katholischen Heiligenkalender finden. Am 16. September wurden sie am »Bethentag« gefeiert. Noch heute soll in Meransen, Südtirol, eine Prozession zu Ehren der drei Bethen abgehalten werden. Und man findet sie nach wie vor – freilich versteckt – in uns vertrauten Märchen. In Schneewittchen wird auf die Drei angespielt: »Hätt‘ ich nur ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz.« Weiß, rot und schwarz sind die drei Farben der drei Bethen.

Foto 7: Die Heilige Warbede von Worms
Es lohnt sich, den Dom zu Worms zu besichtigen und den drei Bethen einen Besuch abzustatten. Es lohnt sich aber auch, überall nach den drei Bethen zu suchen – in Kirchen und Kapellen, in altem Brauchtum und langsam in Vergessenheit geratenden lokalen Überlieferungen, in Märchen und in Sagen.

Ein Hinweis möge zum eigenständigen Recherchieren anregen: Im Umfeld von Murnau kennt man seit alters her die »drei adeligen Jungfrauen«, die im Volksglauben da und dort im deutschsprachigen Raum den Ehrentitel »die drei Ewigen« tragen. Gerade dieser Name kann sehr wohl auf den weit in der Vergangenheit liegenden Ursprung der heidnischen »Bethen« verstanden werden.

Wer, nein was sind die heiligen drei Bethen? Es sind Exgöttinnen, die in Heilige verwandelt wurden, nachdem viele Christen den Glauben an die drei Himmlischen nicht aufgeben wollten!


Literaturempfehlungen zum Themenkomplex »Freiburger Münster«
Adam, Ernst: »Das Freiburger Münster«, Reihe »Große Bauten Europas«, 3.
     Auflage, Stuttgart 1981
Adam, Ernst: »Der Turm des Freiburger Münsters«, Artikel erschienen in
     »Schau ins Land/ Zeitschrift des Breisgau Geschichtsvereins«, Ausgabe 73,
    1955, Seite 65
»Freiburger Münsterbauverein« (Hrsg.): »Baustelle Gotik/ Das Freiburger
     Münster«, 2., durchgesehene Auflage, Petersberg 2014
»Freiburger Münsterverein« (Hrsg.): Das Freiburger Münster, Regensburg, 2.
     Erweiterte Auflage, 2011
Hart, Wolf: »Die Skulpturen des Freiburger Münsters«, Freiburg 1975
Herre, Chr. Louis: »Okkulte Symbolik des XIII. Jahrhunderts/ Der
     wissenschaftlich-philosophische und religiöse Ideengehalt der
     Bauhüttensymbolik des XIII. Jahrhunderts«, Freiburg i.Br., 2. Auflage 1922
Nußbaum, Norbert: »Deutsche Kirchenbaukunst der Gotik/ Entwicklung und  
     Bauformen«, 2. Auflage, Darmstadt 1994
Spath, Emil: »Das Tor zum Leben/ Die Hauptportalhalle des Freiburger Münsters«,
     Lindenberg 2004

Foto 8: Der Dom von Worms
Fußnoten
1) Die Zahlenangaben zu den am 27. November 1944 abgeworfenen Bomben variieren erheblich. So werden, je nach Quelle zwischen 14 000 und 150 000 Bomben vermeldet.
2) Brommer, Hermann: »Freiburg i. Br. – Katholische Pfarrkirche St. Cyriak und Perpetua«, Verlag Schnell & Steiner, München/Zürich 1980

Zu den Fotos
Foto 1: Die drei Bethen von Worms. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: So manche Kirche war den drei Bethen geweiht. Foto Walter-Jörg Langbein (Das Foto zeigt die drei Bethen von Worms.)
Foto 3: Aus heidnischen Göttinnen wurden christliche Heilige. Foto Walter-Jörg Langbein (Das Foto zeigt die drei Bethen von Worms.)
Foto 4: Auch in Freiburg wurden einst die drei Bethen verehrt. Die Wiehre mit St. Cyriak und Perpetua, Gemälde - um 1820 entstanden - von Rudolf Follenweider (1774-1847). Foto wikimedia commons
Foto 5: »St. Cyriak und Perpetua-Kirche«, Freiburg. Foto wikimedia commons/ Camrade obscura
Foto 6: »Drei Nornen«, Gemälde etwa 1844, Foto wikimedia commons/ talk  contribs
Foto 7: Die Heilige Warbede von Worms mit Buch. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Nicht nur im Dom von Worms lebt die Erinnerung an die drei Exgöttinnen fort. Foto Walter-Jörg Langbein

381 »Gibt es im Dom von Limburg die Darstellung eines UFOs? Teil 1«,
Teil  381 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 07.05.2017



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Sonntag, 23. April 2017

379 »Kelten, Maria und eine Heidenkirche«

Teil  379 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: St. Cyriak und Perpetua.
»Die Pfarrei St. Johann ist die alte Pfarrei Adelhausen-Wiehre. Die Entstehung dieser beiden Gemeinden geht in jene Zeiten zurück, da unsere Gegend von dem weit verbreiteten Volke der Kelten besiedelt war. Das beweist schon der Name der ältesten Kirche St. Einbetta. Jedenfalls wurden Adelhausen und die Wiehre schon in Urkunden vom Kloster St. Gallen vor über tausend Jahren erwähnt, also in einer Zeit, da an die Stadt Freiburg noch nicht zu denken war.« 

So (1) steht’s im Büchlein »Kirche und Pfarrei St. Johann Baptist zu Freiburg i.Br.«, zusammengetragen von Prälat Dr. Ernst Föhr, Pfarrer an St. Johann.

In Adelhausen strömten die Gläubigen in die »zu Ehren der Heiligen Perpetua eingeweihte Pfarrkirche«, wie Hochwürden Föhr zu vermelden weiß. Weiter lesen wir (2): »Diese wird in den alten Urkunden die Kilch zu St. Einbetten genannt.« (3) Unschwer ist im  Namen »St. Einbetten« eine der drei Heiligen Bethen zu erkennen, die ihrerseits heidnische Göttinnen in christlichem Gewand waren. Lesen wir nach bei Prälat Dr. Ernst Föhr (4):

»Die Kirche der zwei Gemeinden (Adelhausen und Wiehre) stammt aus der Zeit, als Missionare die Bewohner, meist Kelten, zum christlichen Glauben bekehrten. Zur Zeit der Stadtgründung im Jahre 1120 stand in der Wiehre ein Gotteshaus. Mittelpunkt des Dorfes Adelhausen war die Sankt-Einbeten-Kirche; sie war zugleich die Kultstätte beider Gemeinden. St. Einbet ist eine der Jungfrauen aus der legendären Schar der Begleiterinnen der Heiligen  Ursula. Der Name Sankt-Einbeten-Kirche spricht für das hohe Alter der Kultstätte.«

Foto 2: Maria von Guadalupe.

Auf meinen Reisen durch Zentral und Südamerika erfuhr ich immer wieder, dass christliche Kirchen just dort errichtet wurden, wo einst »heidnische Kultstätten« Pilger anlockten. Klaus-Rüdiger Mai (5): »Der Inbegriff des Christentums, die Theologie der Jungfrau Maria, ist im Grunde nicht christlichen Ursprungs, sondern eine Camouflage wesentlich älterer Kulte, nämlich der Kulte der Magna Mater, der Inanna, der Astarte, der Demeter, der Kybele oder Ceres, der großen … irdischen und unterirdischen Mutter- und Fruchtbarkeitsgottheiten der heidnischen Welt.«

Foto 3: Die riesige Pilgerkirche der Jungfrau Maria von Guadalupe

Ein Beispiel: Heute Pilgern Jahr für Jahr Millionen in einen Vorort von Mexico-City, um der »Maria von Guadalupe« zu huldigen. Die christliche Gottesmutter hatte eine heidnische Vorgängerin: Göttin  Tonantzin der Azteken. Tonantzin trug den Beinamen  »Unsere Heilige Mutter«. Aus Tonantzin wurde Maria. Das ist keine Spekulation, sondern Fakt! Denn Maria von Guadalupe wird auch heute noch in der Nahuatl-Sprache »Tonantzin« genannt. Professor Sandstrom weist darauf hin, dass viele Nachkommen der Azteken Maria von Guadalupe für die zurückkehrende Tonantzin gehalten haben.

Kurz zum göttlichen Stammbaum: Tonatiuh war ein Sonnengott der Azteken, seine Mutter war Tonantzin. Ihr wurden keine blutigen Tieropfer, sondern  Blumen und Früchte dargeboten. Zurück zu Maria, der christlichen Gottesmutter. Die christlichen Maria aber wurde als »Schlangenzertreterin« gepriesen. Aus der einst positiv bewerteten Schlange wurde das böse Reptil der Sünde. Interessant ist, dass in Mexiko die Gottesmutter als »Schlangenzertreterin« tituliert wird, während doch im Christentum Jesus als der Sohn Gottes beschrieben wird, der der Schlange (dem Teufel) den Kopf zermalmt.

Foto 4: »Göttermutter« Teteo Innan.
Im »Museo Nacional de Antropologia«, Mexico City,  stand ich vor einer steinernen Statue der »Göttermutter« Teteo Innan. Sie wurde in vorchristlichen Zeiten just dort verehrt, wo heute zur Maria von Guadalupe gebetet wird. Franziskanermönches Bernardino de Sahagún brachte Mitte des 16. Jahrhunderts einen Bericht über den Kult um Tonantzin zu Papier, der dokumentiert, was der Maria von Guadalupe vorausging (6):

»Einer von diesen (Kultplätzen) war ein kleiner Hügel, den sie (die Indios) Tepeacac und die Spanier Tepequilla nannten, und der heute ›Nuestra Señora de Guadalupe‹ heißt. An diesem Platz gab es einen Tempel, der der Mutter aller Götter geweiht war, die sie Tonantzin nannten, was ‚Unsere Mutter‘ bedeutet. Dort brachten sie viele Opfergaben zu Ehren der Göttin dar; sie kamen zu ihr aus weit entfernten Gegenden – aus mehr als 20 Meilen im Umkreis. Es kamen Männer, Frauen und Kinder zu diesem Fest.« Und aus der » Mutter aller Götter« wurde die christliche Mutter des göttlichen Sohnes, die Mutter Jesu.

Den Anhängerinnen der Muttergottheit fiel es dann besonders leicht, von Teteo Innan zu Maria zu wechseln. Allerdings wurde mir in Mexico City von zwei Priestern schmunzelnd versichert, dass so manche »Heidin« im Herzen nach wie vor Teteo Innan verehrt und »Maria« lediglich als christlichen Namen der uralten Aztekengöttin ansieht. Marias Sohn Jesus ist dann das christliche Pendant zum Sohn der Teteo Innan, zu Quetzalcoatl. Als ich den beiden Priestern von meinem Theologiestudium erzählte, wurden sie noch gesprächiger. So erfuhr ich, dass der aztekische Sohn der Göttin Quetzalcoatl gern als bärtiger Mann dargestellt wurde.

Foto 5: Maria von Guadalupe als Heiligenbildchen
Der Mediziner, Ethnologe und Ethnograph Georg Buschan(7) bringt es in seinem Werk »Altgermanische Überlieferungen« auf den Punkt, wenn er über die Motivation der missionierenden christlichen Geistlichkeit schreibt (8): »Die Geistlichkeit mußte also doch gemerkt haben, daß sie bei ihren Bekehrungsversuchen durch allzu große Strenge gegen die Heiden nichts ausrichtete; sie zog es also vor, mit einer gewissen Rücksicht vorzugehen, eine Brücke zwischen der neuen Lehre und dem alten Glauben zu schlagen, ihr gleichsam ein christliches Mäntelchen umzuhängen, um dadurch das Volk besser und leichter für sich zu gewinnen.«

Statt – wie so oft - »Heidnisches« zu zerstören, ging man vielerorts geschickter vor. Georg Buschan schreibt weiter (9): »Die Kirche ließ also die heidnischen Verehrungsstätten nach Möglichkeit weiter bestehen oder, wo sie bereits zerstört waren, ließ sie an der gleichen Stelle ihr Gotteshaus aufbauen, um den Zusammenhang zwischen den alten Göttern und dem neuen Gott zu wahren. Für eine ganze Reihe von christlichen Kirchen ist nachgewiesen, dass sie auf alten heidnischen, germanischen oder auch römischen Tempelruinen entstanden sind.«

Die Spuren der vorchristlichen Heiligtümer sind freilich in unseren Breiten weitestgehend verschwunden. Zudem, so habe ich den Eindruck, geriet mehr und mehr in Vergessenheit, was einst die Kultur in unseren Breiten ausgemacht hat. Spurlos verschwunden ist das einstige Heiligtum aus heidnischen Zeiten. Es befand sich just dort, wo dann die Bartholomäuskapelle und später ein Dom gebaut wurden. Das mit unzähligen Quellen gesegnete Gebiet von Paderborn – nach dem Fluss Pader benannt – lockte gewiss schon zu vorchristlichen Zeiten Heiden in die Region. Reste einer Inschrift, die nur wenige Meter vom Dom ausgegraben wurden, deuten auf eine sakrale Stätte hin. Karl der Große rühmte sich, den Drachen besiegt zu haben. Wem wurde im heidnischen Drachenheiligtum gehuldigt, welche Göttin oder welcher Gott wurde verehrt?

Foto 6: Bartholomäuskapelle am Dom zu Paderborn

Greifbare Fakten gibt es wenige. Richtig ist aber: Archäologen untersuchten penibel genau den Brandschutt, den sie bei Ausgrabungen nordöstlich der Bartholomäuskapelle sorgsam ausgruben. Dank ihrer geradezu pedantischen Geduld gelang es ihnen schließlich, Reste einer Inschrift zu entziffern. 

Sie mag einst einen Tempel geziert haben. Die Inschrift mag aber auch von Missionaren stammen, die das alte Heiligtum als heidnisch verabscheuten. Wie dem auch sei: Da ist von einem »Drachen« die Rede. Wurde Karl der Große als Sieger über das Heidentum der Sachsen gefeiert, als der Unterwerfer des Drachens?

Wo mag es noch heute Erinnerungen an einstige heidnische Heiligtümer geben, die stillschweigend vom Christentum übernommen wurden? Ich erinnere mich an einen Ausflug in meiner Kindheit. Gemeinsam mit den Großeltern erstieg ich den »Altenberg« bei Burgerroth in Unterfranken, Landkreis Würzburg. Staunend stand ich vor der »1000jährigen Linde« und der Kapelle, die damals auch noch unter dem Namen »Heidenkriche« bekannt gewesen sein soll. Eine geradezu furchteinflößende reliefartige Skulptur unter dem Chorerker geben Rätsel auf. Wurden sie von einem älteren Vorgängerbau übernommen? Sollen sie die heidnischen Göttinnen und Götter erschrecken und daran hindern, ins kleine christliche Gotteshaus einzudringen? Und vor allem: Was wird dargestellt? Deutlich zu erkennen ist eine Faust mit Dolch. Einen Körper scheint es nicht zu geben. Ein menschliches Haupt wird gewürgt, von wem oder was?

Foto 7: Mysteriöse(s) Wesen an der Kapelle

Von der »Heidenkirche« zum Staffelsee bei Murnau. Auch da gab’s einst heidnische Göttinnen. Auch hier begegnen wir wieder »unseren« drei Bethen! Fortsetzung folgt demnächst!



Foto 8
Fußnoten
1) Föhr, Dr. Ernst: »Kirche und Pfarrei St. Johann Baptist zu Freiburg i.Br.«, Erolzheim 1958, S. 6 (Foto 8!)
2) ebenda
3) Im Original steht »Kilch zu St. Einbetten«. Druckfehler? Sollte es »Kirch zu St. Einbetten« heißen?
4) Föhr, Dr. Ernst: »Kirche und Pfarrei St. Johann Baptist zu Freiburg i.Br.«, Erolzheim 1958, S. 7
5) Mai, Klaus-Rüdiger: »Die geheimen Religionen/ Götter, Sterne und Ekstase«, Köln 2012, S. 124, untere Hälfte der Seite
6) Zitat aus Wikipedia-Artikel »Tonantin«
7) * 14. April 1863 in Frankfurt/ Oder; † 6. November 1942 in Stettin
8) Buschan, Georg: »Altgermanische Überlieferungen in Kult und Brauchtum der Deutschen«, München 1936, S. 10
9) ebenda

Zu den Fotos:
Foto 1: St. Cyriak und Perpetua. Cover des kleinen Kunstführers Nr. 1216, Verlag Schnell & Steiner, 1. Auflage, München und Zürich 1980
Foto 2: Maria von Guadalupe. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Die riesige Pilgerkirche der Jungfrau Maria von Guadalupe. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: »Göttermutter« Teteo Innan. Foto wikimedia commons/ Éclusette
Foto 5: Maria von Guadalupe als Heiligenbildchen. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Bartholomäuskapelle am Dom zu Paderborn. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Mysteriöse Wesen an der Kapelle. Foto wikimedia commons Holger Uwe Schmitt
Foto 8: Kirche und Pfarrei St. Johann Baptist zu Freiburg i.Br. Archiv Walter-Jörg Langbein
Fotos 9 und 10: Göttinnen gab's auch im Raum Murnau. Fotos Archiv Walter-Jörg Langbein

Fotos 9 und 10: Göttinnen gab's auch im Raum Murnau
380 »Eine Köpenickiade und drei Exgöttinnen«,
Teil  380 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 30.04.2017



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Freitag, 14. April 2017

378 »Erich von Däniken zum 82.«

Teil  378 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Dänikens Erstling
Wikipedia, universelles Lexikon und weltweit anerkannter seriöser Quell der absoluten Wahrheit, schreibt: »Erich Anton Paul von Däniken (* 14. April 1935 in Zofingen) ist ein Schweizer Autor, der den pseudowissenschaftlichen Zweig der Prä-Astronautik einem breiten Lesepublikum bekannt machte. Seine Bücher wurden in 32 Sprachen übersetzt und haben bei einer Gesamtauflage von 63 Millionen verkauften Exemplaren teilweise Bestseller-Status erreicht. Zwei seiner Bücher wurden verfilmt, weitere Filme sind an Dänikens Ideen angelehnt. Seine stets aus archäologischen Funden und Befunden abgeleiteten Thesen werden durch von Däniken nicht wissenschaftlich bewiesen, sondern lediglich im Stil ›narrativer Sachbücher‹ präsentiert und daher auch als ›phantastische Wissenschaft‹ bezeichnet.«

Erich von Däniken hat sich nie als »Wissenschaftler« bezeichnet. Er beansprucht keinen Platz im Elfenbeinturm der Wissenschaften. Er ist in der glücklichen Lage alternative Lösungsmöglichkeiten zu sehen, wo Schulwissenschaftler dank ihrer mehr oder minder freiwillig getragenen Scheuklappen betriebsblind geworden sind.

Ohne Zweifel haben unzählige seriöse Wissenschaftler in den vergangenen Jahrhunderten unermessliche Wissensschätze angesammelt. Und immer wieder mussten als allgemein gültig angesehene Lehrmeinungen aufgegeben werden, und das gegen den Widerstand der etablierten Wissenschaftler. Denn wer Lehrmeinungen anzweifelt, sägt am Ast von Wissenschaftlern, die – und das ist nur zu menschlich – nicht gern zugeben, sich geirrt zu haben.

Besonders unbeliebt machen sich Laien, wenn sie der Gelehrtenwelt neue Denkanstöße liefern. Gern versucht man sie dann zu ignorieren. Selbst Wissenschaftlern geht das so.

Foto 2: Dänikens 2. Welterfolg
So ging die Forschung davon aus, dass es eiszeitliche Jäger waren, die vor 12.000 Jahren aus Asien Amerika »entdeckten«. Sie kamen, und das galt als gesichert, über eine Landbrücke zu Fuß. Seefahrt traute man den Altvorderen nicht zu, schon gar nicht transatlantische.  Es durfte, also konnte es nicht anders gewesen sein: Die vorgeschichtlichen »Entdecker« kamen aus Sibirien über die Behringstraße in das westliche Nordamerika! Von dort aus breiteten sie sich nach und nach gen Süden aus.

Wenn dem so gewesen wäre, dann müssten die ältesten Spuren frühester Siedler im Norden zu finden sein. Und je weiter man nach Süden kam und ausgrub, als desto jünger müssten sich die Spuren der »ersten Amerikaner« erweisen. Dem war aber nicht so. Im Süden waren die Funde sehr viel älter als im Norden. Somit war die Besiedlung über die Behringstraße vor 12.000 Jahren widerlegt. Sehr viel ältere Funde von präzise bearbeiteten Steinwerkzeugen wurden – kaum zu glauben – als »zufällig entstanden« deklariert, nur um die lieb gewordene Besiedlungsgeschichte aufrecht zu erhalten. Fakt ist aber: Bereits vor 30.000 Jahren wirkten und werkelten in der brasilianischen »Serra da Capivara« bereits Menschen. Woher kamen sie? Per Boot aus Nordafrika?

Foto 3: EvD unterwegs
Niède Guidon untersuchte als Erste Pedra Furada in der Serra da Capivara im brasilianischen Bundesstaat Piaui. Niède Guidon (* 12. März 1933, in Jaú, Brasilien) ist eine brasilianische Archäologin. Sie wagte es, eine echte »heilige Kuh« der Wissenschaften anzuzweifeln, ja vom altehrwürdigen Podest zu stoßen. Ihre Forschungen vor Ort erschütterten, nein widerlegten die »Clovis-Theorie«, wonach die Besiedlung Amerikas erst vor rund 12.000 Jahren über die Beringstraße erfolgt sein soll. Die energische Dame legte Beweise vor, etwa die Kohlereste einer Feuerstelle an der Felswand »Boqueirão da Pedra Furada« im Nationalpark »Serra da Capivara«. Fast 50 Jahre sollte es dauern, bis die »Clovis-Theorie« wohl als widerlegt angesehen werden muss. Am 19.2.2017 strahlte das ZDF eine faszinierende Dokumentation zum Thema aus (1).

Fast 50 Jahre kämpfte eine studierte Wissenschaftlerin gegen die sprichwörtlichen »Windmühlen«. Vor fast 50 Jahren – anno 1968 – wagte es Erich von Däniken, sehr viel intensiver an Fundamenten wissenschaftlicher Weltbilder zu rütteln. Im Februar 1968 erschien Dänikens Erstling »Erinnerungen an die Zukunft«. In der Einleitung zu seinem Erstling schrieb der Schweizer Bestsellerautor anno 1968 (2): »Dieses Buch zu schreiben, ist eine Mutfrage – es zu lesen nicht minder. Gelehrte werden es, weil seine Thesen und Beweise nicht in das mühsam gekittete Mosaik bereits zementierter Schulweisheit passen, als Utopie auf den Index jener Bücher setzen, über die man besser nicht spricht.«

Erst wurde Däniken von der Welt der Wissenschaft ignoriert. Als »Erinnerungen an die Zukunft« und der Folgeband »Zurück zu den Sternen« weltweit von Millionen Leserinnen und Lesern förmlich verschlungen wurden, hätte man wohl in den Elfenbeintürmen der hehren Wissenschaft weiter geschwiegen. Es waren Däniken-Leserinnen und Leser, die die Gelehrten mit Dänikens Thesen konfrontierten. Seither wird Däniken diskutiert, auch in Kreisen der Wissenschaft.

»Erinnerungen an die Zukunft« klingt optimistisch aus (3): »Der Mensch hat eine grandiose Zukunft
Foto 4: EvD und Tochter Cornelia
vor sich, die seine grandiose Vergangenheit noch überbieten wird. Wir brauchen Weltraumforschung und Zukunftsforschung und den Mut, unmöglich erscheinende Projekte anzupacken. Zum Beispiel das Projekt einer konzentrierten Vergangenheitsforschung, das uns kostbare Erinnerungen an die Zukunft bringen kann. Erinnerungen, die dann bewiesen sein werden und ohne den Appell, an sie glauben zu sollen, die Menschheitsgeschichte erhellen. Zum Segen künftiger Generationen.«

Und an anderer Stelle schreibt Däniken (4): »Es gibt einen Zwang für die Menschheit, mit allen ihr gegebenen Möglichkeiten die Zukunft vorauszudenken und zu erforschen. Ohne dieses Studium der Zukunft hätten wir wahrscheinlich keine Chance unsere Vergangenheit zu enträtseln.« Ich glaube, man kann noch einen Schritt weiter gehen: Nur wenn wir die fantastische Vergangenheit der Menschheit erkunden, haben wir eine echte Chance, als Menschheit auch noch eine ferne Zukunft zu erleben. Denn das Leben auf Planet Erde ist begrenzt, weil das »Leben« unseres Mutterplaneten begrenzt ist. Die Zukunft der Menschheit liegt in den Tiefen des Universums.

Erich von Däniken war es, der 1968 das Tor zur Zukunft weit aufgestoßen hat. Das ist das nicht hoch genug einzuschätzende Verdienst des unermüdlichen Schweizers, der auch mit 82 noch forscht und reist, reist und forscht.

Wie ist er, der Jubilar? Carmen Rohrbach (5): »Beim persönlichen Kontakt erwies er sich als liebenswürdig und entgegenkommend. Wohlwollend führte er uns in sein Heiligtum, das Archiv – einen Raum mit Schränken bis zur Decke, in denen, exakt geordnet und registriert, ein Schatz von Schriftstücken, Berichten, Notizen und Fotos lagert, der ungeklärte Rätsel und Seltsamkeiten auf unserer Erde beinhaltet. Großzügig gewährte er uns Einblick in Dokumente und Bildmaterial. Er erzählte begeistert von seinen Reisen in alle Teile der Welt, berichtete von neuen Entdeckungen und unschlagbaren Beweisen für seine Theorien.«

Foto 5: EvD beim Kartenstudium
Und weiter: »Statt aufgeblasen und eitel, wie ihn manche seiner Gegner beschreiben, fand ich einen offenherzigen und humorvollen Menschen, der passioniert und enthusiastisch für seine Ideen ficht. Ich war beeindruckt von seiner Leidenschaft, mit der er voneinander unabhängige Erscheinungen, Ereignisse und Kuriositäten sammelt, miteinander verbindet und alles in einer einzigen, für ihn gültigen Vorstellung enden läßt: die Existenz Außerirdischer und ihrer Landung auf unserem Planeten.«

Foto 6: Mit EvD auf Malta
Gewöhnlich gratuliert man Jubilaren zum Geburtstag. Das will ich auch von Herzen tun und Erich von Däniken für Jahrzehnte der Freundschaft danken. Auch wenn es in den Ohren mancher Zeitgenossen pathetisch klingen mag: Gratulieren muss man vor allem der Menschheit zu Erich von Däniken! Falls sie es kann, dann kann sie stolz auf diesen Vertreter der Gattung Mensch sein! Möge er noch lange leben und bei guter Gesundheit weiter forschen und schreiben!

Fußnoten
1) »Sensationsfund in Brasilien/ Die ersten Amerikaner«, ZDF, »TerraX«, 19.02.2017
2) Däniken, Erich von: »Erinnerungen an die Zukunft – Ungelöste Rätsel der Vergangenheit«, Düsseldorf und Wien, 1968, Seite 11
3) ebenda Seite 221
4) ebenda, Seite 220
5) Rohrbach, Carmen: »Botschaften im Sand«, München 1992, Seite 32
(Rechtschreibung wurde nicht an die Rechtschreibreform angepasst.)

Zu den Fotos
Foto 1: Dänikens Erstling. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Dänikens zweiter Welterfolg. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Erich von Däniken unterwegs im Mittelmeer. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: EvD und Tochter Cornelia. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: EvD beim Kartenstudium. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Mit EvD auf Malta. Foto Ilse Pollo
Foto 7: Mit EvD in einer unterirdischen Stadt. Foto Ilse Pollo


Foto 7: Mit EvD in einer unterirdischen Stadt
379 »Kelten, Maria und die Heidenkirche«,
Teil  379 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein,

erscheint am 23. April 2017 




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Sonntag, 9. April 2017

377 »Der Teufel im Stall von Bethlehem?«


Teil  377 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Mohammed und  Gabriel

Kürzlich war ich im Weserbergland im Bus unterwegs. Ich ließ die Landschaft an mir vorüberziehen, da und dort lag noch Schnee (1). Kinder rutschten auf Schlitten von abschüssigen Gärten. Mürrische Männer hackten Eis von Gehwegen, Frauen streuten Salz. Ein junger Mann setzte sich neben mich und begann Allah zu preisen. Dass ich seinen Redeschwall unbeeindruckt über mich ergehen ließ, schien ihn zu ärgern. »Du kennst doch den Erzengel Gabriel!«, fuhr er mich etwas unwirsch an.

»Nicht persönlich…«, wandte ich ein. »Scherze nur über solche Dinge! Das Lachen wird dir schon noch vergehen!«, gab der orientalisch anmutende Missionar grob zu bedenken. Er zupfte versonnen und selbstgefällig an seinem krausen Bart. »Wenn du dich nicht zu Allah bekennst, wirst du in der Hölle schmoren! Teufel werden dich in siedendes Öl werfen und mit Mistgabeln quälen!«

Foto 2: Die zur Rechten Jesu

Ich reagierte wohl anders als erwartet: »Ich bin müde, wollte eigentlich etwas schlafen…« Damit hatte ich ihm ein Stichwort frei Haus geliefert. »Du bildest dir wohl ein, einst zur Rechten von deinem Jesus zu sitzen? Du wirst schreien vor Schmerz, wenn du in der Hölle landest!« Schließlich begann der junge Mann mit missionarischem Eifer über Allah, Tag und Nacht und die Gnade des Schlafens zu schwadronieren. Er steckte er mir ein Zettelchen zu. Darauf stand zu lesen:

»Wer von euch einen schönen Traum hatte, soll wissen, er ist von Allah. Er soll dafür danken und ihn sofort anderen weitererzählen. Wenn ihr einen bösen Traum habt, ist er vom Teufel und man muss vor ihm fliehen und bei Gott Zuflucht suchen. Man soll ihn auch nicht weitererzählen, dann wird der Traum keinen Schaden zufügen können.« Eine Quelle war auch angegeben (2).

Fotos 3-6: Teufel und Engel.
»Überall ist er, der Teufel und seine Gesandten!«, gab mir der in meinen Augen reichlich aufdringliche Mann noch auf den Weg als ich ausstieg. »Auf Reklametafeln, im Freibad…« Ich stand noch einen Moment an meiner Bushaltestelle, der Bus entfernte sich. Mir kam das Tympanon im Westturm des Freiburger Münsters in den Sinn. Entstanden ist es wohl im späten 13. oder im frühen 14. Jahrhundert, also um das Jahr 1200. Es spiegelt den damaligen Volksglauben wieder, wonach es in der Welt nur so von bösen und guten Mächten wimmelt, die sich alle um den Menschen bemühen. Beide »Parteien« trachten nach der Seele von uns Menschen. Die einen wollen sie in die Hölle zerren, die anderen gen Himmel führen. Vertreter des Guten sind natürlich die Engel, die des Bösen die Teufel. Beide – Engel wie Teufel – tauchen im Figurengetümmel des Tympanons immer wieder auf. Erzengel Gabriel tritt an der Seelenwaage in der Erscheinung. Mit einfachen Mitteln ermittelt er, wer als Sünder bestraft, wer als guter Mensch belohnt wird. Er muss nicht in ein Buch des Lebens blicken, in welchem gute und böse Taten jedes einzelnen Menschen penibel dokumentiert sind.

Der Erzengel kann – so sieht es der unbekannte Künstler –  per Waage feststellen, welche Seele in den Himmel darf und welche ab ins Höllenfeuer muss. Der böse Teufel vom Tympanon wird – so zeigt es das sakrale Kunstwerk – bei einem plumpen Versuch zu tricksen ertappt. Er zerrt mit Gewalt an der Waagschale, in der eine Menschenseele hockt. Der Teufel möchte sich die Seele – salopp gesagt – unter den Nagel reißen.

Foto 7: Erzengel Gabriel an der Seelenwaage mit Teufeln. Foto Walter-Jörg Langbein

Immer wieder habe ich die zahlreichen Figürchen und Figuren im Eingangsbereich des Freiburger Münsters betrachtet. Je länger ich versucht habe, die Aussagen der Darstellungen zu verstehen, desto klarer wurde mir: Eigentlich müsste man nicht Tage, sondern Wochen einplanen für einen Besuch des Freiburger Münsters, um sich auch nur einen Überblick zu verschaffen. Unklar ist, was die einzelnen Statuen und Statuetten aussagen sollen, vor allem auch, warum sie so angeordnet sind, wie wir sie vorfinden. Telefonisch befragt erklärte mir ein Mitarbeiter der katholischen Kirche von Münster:

»Vieles kennen, erkennen wir natürlich! Aber nicht alles! Wir wissen nicht bei allen Figuren, wer da dargestellt werden soll. Wir wissen schon gar nicht, ob die Anordnung der Figuren etwas aussagen soll. Wir wissen nicht, wie die Figuren ursprünglich angeordnet waren und ob sie aus welchen Gründen auch immer umgestellt wurden, auch nicht warum sie womöglich ursprünglich in ganz anderer Konstellation aufgestellt wurden!«

Foto 8: Der geheimnisvolle Lichtbringer.

Ich frage mich: Wussten die Menschen um das Jahr 1200 so viel mehr als wir heute über biblische Geschichten und Heiligenlegenden? Verstanden die, die nicht lesen konnten, ohne geschriebene Worte, was ihnen da vor Augen geführt wurde? Standen womöglich Mönche bereit, um zu erklären, was da zu sehen war? Ein Bild, heißt es, sagt mehr als tausend Worte. Aber es besteht die Gefahr, dass man Bilder völlig falsch interpretiert, wenn es keine erklärenden Worte dazu gibt. Wer – zum Beispiel – ist die mysteriöse Gestalt am Kopfende von Marias Bett im Stall von Bethlehem? Sie hält einen Kerzenständer mit mächtiger Kerze, während »Gottesmutter« Maria das erwachsen wirkende »Jesusbaby« herzt.

Foto 9: Figuren links vom Eingang.

Kunsthistoriker Guido Linke kommentiert in seinem detailreichen Werk »Freiburger Münster« (3): »Maria liegt im großzügig drapierten Kindbett. … Am Fußende sitzt der mit dem Judenhut angetane Joseph … Von den anbetenden Engeln hebt sich eine Gestalt am Kopfende des Bettes ab, die einen Kerzenleuchter trägt und durch eine Krone ausgezeichnet ist. Sie ist vielleicht als Personifizierung der das Licht der Welt anbetenden Kirche zu verstehen.«

Ist die Gestalt mit dem Kerzenständer ein Engel? Mir scheint ja! Das Haupt der Gestalt schmückt eine Krone. Ein Engel mit Krone? Wer soll das sein? Mir kommt die »Offenbarung des Johannes«, auch »Apokalypse des Johannes« genannt, in den Sinn. Da heißt es (4): »Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel, und siehe, ein großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen.«

Die »Elberfelder Bibel« (5) vermeldet einen scheinbar abweichenden Sachverhalt: »Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel: Und siehe, ein großer, feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner und auf seinen Köpfen sieben Diademe hatte.« Krone oder Diadem? Eine Fußnote klärt auf: »Das Diadem, ein Stirnreif, war im Altertum das Zeichen der Königswürde.« »Hoffnung für alle« (6) erkennt »Kronen« auf den Häuptern des Drachen, ebenso die »Schlachter-Bibel« (7). Die »Neue Evangelische Übersetzung« (8) greift wiederum zum Terminus »Diadem« und erklärt in einer Fußnote: »Ein Diadem ist keine Krone sondern ein schmales Band aus Seide, Leinen oder Edelmetall, das oft mit Perlen oder Edelsteinen besetzt ist. Es symbolisiert königliche Würde und Macht.«

Foto 10: Figuren rechts vom Eingang.
Mir kommt beim Anblick des gekrönten Engels mit der Lichterkerze der Lichtbringer in den Sinn! Ich darf in Erinnerung rufen: Jesus will Satan wie einen Blitz vom Himmel stürzend gesehen haben (9): »Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz.«  Vom »Neuen« zum »Alten Testament« Bei Jesaja heißt es über den Sturz des Königs von Babylon (10): »Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern!« Jesaja bezeichnete den Herrscher von Babylon als gefallenen »Morgenstern«. Und den kannte man in der römischen Mythologie als Luzifer. Der König von Babylon trug als Zeichen seiner Würde ein Diadem oder eine Krone. Wenn wir im Stall von Bethlehem einen »Engel« sehen, der Licht bringt, kann das als Anspielung auf Luzifer gesehen werden, auf den teuflischen Lichtbringer? Wie der verteufelte König von Babylon alias Luzifer hat auch der Lichtbringer im Stall von Bethlehem eine Krone auf dem Haupt. Was aber hat Luzifer im Stall von Bethlehem zu suchen?

Jahrzehnte bereiste ich die Welt, besuchte mysteriöse Orte. Ich berichtete über erstaunliche Phänomene von Ägypten bis Vanuatu. In den vergangenen Jahren widmete ich Stätten viel Aufmerksamkeit, die ich Jahrzehnte lang leider vernachlässigt habe: Es geht mir um sakrale Bauten – von der kleinen Kapelle bis zur mächtigen Kathedrale. Ausführlich schildere ich, was es – zum Beispiel – im Münster zu Freiburg zu sehen gibt. Warum? Ich will keineswegs meine Meinung als die wahre propagieren. Ich möchte lediglich darauf aufmerksam machen, was mich immer wieder zum staunenden Nachdenken bringt.

Nach Vanuatu in der Südsee werden mir nur die wenigsten Leserinnen oder Leser folgen können. Doch jede Leserin, jeder Leser hat – wo auch immer in unserer Heimat – Kapellen oder Kathedralen vor der sprichwörtlichen Haustüre, die zu besuchen mehr als lohnenswert sind.


Fußnoten
1) Diesen Beitrag habe ich am 20. Januar 2017 geschrieben.
2) Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 114
3) Linke, Guido: »Freiburger Münster/ Gotische Skulpturen der Turmvorhalle«,
     Freiburg, 1. Auflage 2011, Seite 28, linke Spalte und rechte Spalte oben
4) »Offenbarung des Johannes«, Kapitel 12 Vers 3. Lutherbibel 2017
5) »Revidierte Elberfelder Bibel«, (Rev. 26) © 1985/1991/2008 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten
6) Ausgabe 2002
7) Genfer Bibelgesellschaft, Ausgabe 2000
8) © 2016 Karl-Heinz Vanheiden (Textstand 16 01)
9) »Das Evangelium nach Lukas« Kapitel 10, Vers 18
10) »Prophet Jesaja« Kapitel 14, Vers 12


Fotos 11 und 12: Die 12 Apostel.

Zu den Fotos
Foto 1: Mohammed und  Gabriel (etwa 1307). Foto wikimedia public domain/  Mladifilozof
Foto 2: Die zur Rechten Jesu ... Foto Walter-Jörg Langbein
Fotos 3-6: Teufel und Engel. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Erzengel Gabriel an der Seelenwaage mit Teufeln. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Der geheimnisvolle Lichtbringer. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 9: Figuren links vom Eingang. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 10: Figuren rechts vom Eingang. Foto Walter-Jörg Langbein
Fotos 11 und 12: Collage aus zwei Fotos. Die 12 Apostel. Fotos Walter-Jörg Langbein

378 »Erich von Däniken zum 82.«
Teil  378 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein,                      
erscheint am 16.04.2017



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Sonntag, 2. April 2017

376 »Ochs‘ und Esel und das Blut des Pelikans«

Teil  376 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Das Freiburger Münster
Auf meinen Reisen im In- und Ausland begegneten mir immer wieder religiöse Darstellungen in Kapellen, Kirchen und Kathedralen. Oft zierten sie den Eingangsbereich von Gotteshäusern aus alten Zeiten. Immer wieder bekam ich zu hören: »Diese Bildwerke waren für Menschen gedacht, die des Lesens unkundig waren. Ihnen sollte auf dem Weg der bildlichen Darstellung der christliche Glaube vermittelt werden!«

Diese Erklärungen leuchten natürlich ein. Freilich erschließt sich die Bedeutung steinerner Reliefs oder hölzerner Schnitzwerke nicht ohne weiteres von selbst. Man muss die Geschichten kennen, die dargestellt werden. Dann – und nur dann – weiß man zum Beispiel mit dem Tympanon über dem Haupteingang zum Münster von Freiburg etwas anzufangen.

Wenn da Ochs und Esel im Stall zu sehen sind, wie sie andächtig Heu fressen, während eine Frau auf einer Bettstatt liegend ein Baby liebkost, dann verstehen wir, worum es da geht: Um die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem. Wir erkennen das künstlerisch schön gestaltete Szenario in seiner Bedeutung, weil wir die Weihnachtsgeschichte von Bethlehem kennen. Wäre sie uns unbekannt, so könnten wir mit der Bildergeschichte nichts anfangen. Mit Fantasie könnten wir sogar ganz unterschiedliche Aussagen hineininterpretieren.

Foto 2: Ochs' und Esel im Tympanon
Wir kennen die christliche Vorstellung, dass auf jeden Mensch nach seinem Tode das »jüngste Gericht« wartet. Die Guten gelangen in den Himmel, die Bösen kommen in die Hölle. Betrachten wir nun das Tympanon von Freiburg, so wissen wir, was da geschieht: Zur rechten Seite von Jesus schleppt ein Teufel Menschen an einer schweren Eisenkette in den Höllenschlund, das sind die Sünder, die für ihre Untaten büßen müssen. Denen zur rechten Seite Jesu geht es viel besser, das sind die Gerechten. Es müssen die Gerechten sein, sagt uns unser Wissen. Zufrieden sehen sie aus, in der Erwartung auf Belohnung für ein gutes Leben nach den Regeln des christlichen Glaubens.

In Cuzco zeigte mir ein Geistlicher den »Nebenraum« einer alten Kirche. Da verstaubte ein Ölgemälde von bemerkenswerten Ausmaßen vor sich hin. Zwei mal drei Meter mag es gemessen haben. Große Teile des Bildes waren unter einer Schmutzschicht nicht einmal mehr zu erahnen. Andere Partien hatte man »gereinigt«, so dass wieder einiges zu erkennen war. In der Mitte stand eine Art Kreuz. Zur linken Seite des »Kreuzes« hingen Menschen aufgehängt an den Ästen eines weit ausladenden Baumes. Zur rechten Seite hingegen hatte sich eine ganz andere Schar Menschen versammelt. Im Gegensatz zu ihren Artgenossen auf der anderen Seite, die in Lumpen gehüllt waren, trugen sie sehr saubere, ordentliche Kleidung und sprachen fast  wie im »Schlaraffenland« allen möglichen Speisen zu.

Foto 3: Unterwegs in Cuzco
Was aber zeigte mir das Gemälde? Das »Jüngste Gericht« etwa, die Bestrafung der Sünder und Belohnung der Guten? Spielte das Geschehen im Jenseits, nach dem Tode, oder doch im Diesseits? Waren es auf der einen Seite die Inkas, die sich den Spaniern widersetzten und dafür aufgehängt wurden? Sollten dann die Menschen auf der anderen Seite die im Überfluss lebenden Inkas sein, die ihren Widerstand gegen die Eroberer aus Europa aufgegeben hatten und entsprechend belohnt wurden? Mit einem Geistlichen unterhielt ich mich kurz über das Werk. Es schien ihm Spaß zu machen. Mich zu irritieren. Dargestellt wurde womöglich etwas ganz anderes. Aber was? Schmunzelnd bot der Geistliche eine kurios anmutende Variante: »Das Geschehen spielt auf einem Kontinent, bevor er im Meer versank. Die Menschen hassten einander. Die einen lebten im Überfluss und stopften sich Taschen und Mäuler voll. Die anderen lebten in Armut und wurden für selbst kleine Vergehen mit dem Tode bestraft.«

Was mir das Gespräch mit dem Geistlichen von Cuzco verdeutlichte? Bilder ohne Worte können oft nicht nur auf eine Weise interpretiert werden. Ein Maler mag eine ganz bestimmte Aussage im Sinn gehabt haben, als er sein Werk schuf. Wer das Bild aber betrachtet, ist auf seine Fantasie angewiesen. Er erkennt, was er zu kennen meint.

Foto 4: Der Engel mit der Waage
Wenden wir uns wieder dem Tympanon in der Turmvorhalle zu. Wir picken uns eine kleine Szene heraus. Da stehen zwei Gestalten. Der eine ist unschwer als Engel zu erkennen. Er hält eine Waage. In der einen Waagschale sitzt ein Kind. In der anderen hockt ein kleines Wesen. Das Kind ist schwerer als das Wesen auf der anderen Seite, sinkt nach unten, ist also schwerer. Das Wesen ist offenbar leichter, freilich hängt sich ein Teufel an seine Waagschale und versucht, sie nach unten zu ziehen. Was ist dargestellt? Ein Engel entscheidet, ob eine Seele in den Himmel oder in die Hölle kommt. Wer als zu leicht befunden wird, hat verloren. Geht es um das »schwere Kind«, um die Seele eines Menschen? Sitzt in der anderen Waagschale ein Teufel, zerrt ein zweiter Teufel an der Waage, weil er die Seele des Kindes für sich beansprucht? Rechts neben der Waage steht ein Teufel, der zum Engel blickt. Warum faltet der Teufel die Hände wie zum Gebet?

Foto 5: Blick auf das Tympanon
Guido Linke ist Kunsthistoriker. Er lebt in Freiburg. Sein Spezialgebiet ist die historische Bauforschung.  Er kann sich kompetent zum Tympanon äußern. Ich darf zitieren (1):

»In der Mitte des Streifens ist der Erzengel Michael bei der Seelenwägung zu sehen (Foto 4). In einer Waagschale sieht man ein Menschlein, während zwei Teufelchen die andere Schale herabzusenken versuchen. Daneben steht der ob seiner zusammengelegten Hände fälschlich so genannte ›betende Teufel‹. Tatsächlich betet er nicht, er ringt die Hände, da er sieht, dass die Waagschale sich zum Guten neigt und ihm diese Seele wohl entkommen wird.«

Die Turmvorhalle des Freiburger Münsters bietet im Tympanon eine Folge von Szenen in mehreren Etagen, wobei wir die Bedeutung der meisten Bilder zu kennen meinen. Aber liegen wir mit unserer Voreingenommenheit richtig? Oder interpretieren wir in die Darstellungen hinein, was wie für richtig halten? Könnte es sein, dass die Künstler der Gotik da und dort ganz andere Vorstellungen hatten? Weil die einzelnen Teilszenen oftmals förmlich ineinander übergehen und zudem auch nicht chronologisch geordnet sind, können wir uns durchaus auch täuschen!

Foto 6: Jesus am »Baum-Kreuz«

Im Zentrum steht das Kreuz. Es ist kaum größer als Jesus, der Gemarterte. Und es ist ganz anders gestaltet als wir das sonst aus Kirchen kennen. Der senkrecht stehende Balken ist nicht zu sehen, wird vom Körper Jesu verdeckt. Der sonst waagrecht angebrachte Querbalken erinnert an eine Irminsul, also an einen Lebensbaum. Es kommt mir so vor, als habe man Jesus an einem Baum gekreuzigt, die Arme an zwei massive Äste genagelt. Ich meine, man sieht zahlreiche Ansätze von kleinen Ästen und Zweigen, die man abgesägt hat. Über dem Haupt Jesu ist etwas auszumachen. Vor Ort in Freiburg hielt ich es für die Dornenkrone Jesu. Beim Betrachten meiner Fotos erkenne ich aber, dass es sich bei dem goldenen Flechtwerk um ein Vogelnest handelt. Ganz klar sind zwei Jungvögel im Nest zu sehen, darüber könnte ein großer Vogel verewigt worden sein.

Foto 7: Jesus und das Nest
Guido Linke erklärt (2): »Der Gekreuzigte überragt die Beistehenden und sprengt die Streifenordnung des Tympanons. Der Schädel Adams zu seinen Füßen zeigt ihn als Überwinder des Todes. Auf dem oberen Ende des Kreuzes, das mit Astansätzen als Lebensbaum gestaltet ist, sieht man ein Vogelnest. Hier wird die mittelalterliche Tierfabel vom Pelikan als christologisches Symbol eingesetzt. Nach dem Lehrbuch des Physiologus erweckt der Vogel seine toten Jungen mit seinem Blut zum Leben, indem er sich die Brust aufreißt. Ebenso habe Christus am Kreuz durch das Opfer seines Blutes für die Menschheit den Tod überwunden.«

Tatsächlich gibt es mittelalterliche Legenden, die in ihren Aussagen voneinander abweichen. Da heißt es zum Beispiel, dass »Mutter Pelikan« sich die eigene Brust aufriss, um ihre Jungen mit ihrem Blut zu füttern, sobald sie keine Nahrung mehr für die Kleinen finden konnte. Da heißt es aber auch, dass »Mutter Pelikan« mit ihrem Blut ihre toten Jungen zu neuem Leben erwecken konnte. In der christlichen Symbolik wurde Jesus zum Pelikan, der sich opfert, um die Toten aus dem Totenreich ins Leben zu holen.

Foto 8: Der »Pelikan« füttert seine Jungen mit Blut
In Cuzco erklärte mir »mein« Geistlicher, das Kreuz des Christentums sei vergleichbar mit einem wichtigen Maya-Symbol. Es stehe für die Unterwelt (Reich der Toten), die Welt der Lebenden und den Himmel.  Es wurzelt in der Unterwelt, Stamm und Querbalken symbolisierten die Welt in der wir leben und der darüber hinausragende senkrechte Teil verweise auf den Himmel. Ich musste an Exkursionen ins Land der Mayas denken. Auf Reisen erfuhr ich lebhafter und mehr als aus Büchern über die alte Mythologie der Mayas (3). Wichtig war ihnen der Ceibabaum. Die Maya von Yucatán verstanden ihn als Weltachse. Seine Wurzeln, die sich tief ins Erdreich graben, versinnbildlichten die Unterwelt, sein mächtiger Stamm entspricht der Welt der Lebenden und seine Krone dem Himmel. Dieses kosmische Symbol erkenne ich auch in alten Gotteshäusern des Christentums: Die Krypta steht für die Unterwelt, das Reich der Toten, das Kirchenschiff mit den Gläubigen bildet die Welt der Lebenden ab und der Turm ragt in den Himmel.

So können christliche Symbole und Bilder weit über die Grenzen einer Konfession hinaus gedeutet und verstanden werden. Die Frage ist nur, ob die Vertreter aller Religionen dazu bereit sind, die Gemeinsamkeit mit anderen Religionen zu sehen. Das könnte zu einer Verständigung zwischen den Religionen führen. Aber ist eine solche Verständigung überhaupt erwünscht? Da habe ich meine Zweifel. Gerade in unseren Tagen sieht es ganz so aus, als ob sich – speziell im Islam – radikalere Interpretationen durchsetzen, die die eigene Sichtweise zur allein gültigen erklären.


Fotos 9-11: Der heilige Baum der Mayas - Symbol für die Welt

Fußnoten
1) Linke, Guido: »Freiburger Münster/ Gotische Skulpturen der Turmvorhalle«,
     Freiburg, 1. Auflage 2011, Seite 29, rechte Spalte unten und Seite 30, linke
     Spalte oben
2) ebenda, Seite 31, linke Spalte oben
3) Siehe hierzu Schele, Linda und Freidel, David: »Die Unbekannte Welt der Maya/
     Das Geheimnis ihrer Kultur entschlüsselt«, Augsburg 1994

Zu den Fotos
Foto 1:  Das Freiburger Münster - Turm. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein 
Foto 2: Ochs' und Esel im Tympanon. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Unterwegs in Cuzco. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4 Der Engel mit der Waage. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Blick auf das Tympanon. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Jesus am »Baum-Kreuz«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Jesus und das Nest. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Der »Pelikan« füttert seine Jungen mit Blut. Foto Walter-Jörg Langbein
Fotos 9-11: Der heilige Baum der Mayas - Symbol für die Welt. Fotos Walter-Jörg Langbein
Foto 12: Der geheimnisvolle »Lichtbringer«. Foto Walter-Jörg Langbein


Foto 12: Der geheimnisvolle »Lichtbringer«


377 »Der Teufel im Stall von Bethlehem«,
Teil  377 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein,                      
erscheint am 09.04.2017


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