Sonntag, 25. März 2018

427 „Warum versank das Land?“

Teil  427 der Serie 
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Die sieben legendären Kundschafter.

In alten Legenden, die man sich auf der Osterinsel und Ponape erzählt, gab es einst mysteriöse Monster. Wie diese amphibischen Gottheiten, die sich in der Südsee häuslich niedergelassen haben sollen, genau ausgesehen haben, darüber findet sich kaum ein Hinweis in den Mythen, die bis in unsere Tage erhalten geblieben sind. Nan Somohol gehörte zu ihnen. Er tummelte sich als aalartiges Wesen in den Gefilden von Nan Madol, war das Ebenbild eines »himmlischen Gottes«.

Die mythologischen Überlieferungen machen deutlich, warum Nan Madol dort entstand, wo es gebaut wurde. Just dort siedelten sich Götter, die aus dem Himmel kamen, an. Sie hatten in Nan Madol einen Stützpunkt. Ein rituelles Zentrum der Götterverehrung lag auf der Insel Darong. Im Zentrum befindet sich ein "heiliger Teich". Es handelt sich dabei um einen künstlich angelegten, mit einer steinernen Einfassung versehenen See. Elf  sorgsam angelegte unterirdische Kanäle stellen eine direkte Verbindung zum Meer her.
    
Foto 2: Ruinen von Nan Madol.
Einer dieser Tunnels ist immerhin zwei Kilometer lang. Er führt, teilweise unter dem Meeresboden verlaufend, bis jenseits des Riffs und endet unter Wasser! So war dafür Sorge getragen, dass der kleine See (Ausmaße 70 mal 56 m) niemals austrocknete. Freilich dienten die unterirdischen Kanäle nicht nur der simplen Wasserzufuhr. Vielmehr ermöglichten sie es einer der Wassergottheiten vom Meer aus direkt ins Zentrum des Eilands zu schwimmen.
    
Auch die zahllosen Kanäle zwischen den monströsen Steinbauten waren keineswegs nur simple Wasserwege. In ihnen bewegten sich auch die himmlischen Göttern, die sich im Wasser am wohlsten fühlten. Deshalb mussten die Kanäle auch immer Wasser führen, auch bei Ebbe. Um das zu gewährleisten hatte man ein kompliziertes System von Schleusen in die Wasserstraßen eingebaut. Auf diese Weise war es möglich, den Wasserstand in den Kanälen beliebig zu regulieren. So wurde mit Bedacht verhindert, dass sie bei Ebbe oder in Trockenzeiten kein Wasser führten.
    
Noch heute erzählt man vor Ort eine uralte Legende. Einst habe im Bereich der künstlichen Inseln eine Furcht einflößende Drachenfrau gelebt. Jenes Wesen hat angeblich mit tosendem Schnauben die zahllosen Kanäle zwischen den vielen Eilanden entstehen lassen. Selbst Archäologen sind davon überzeugt, dass die Geschichte einen wahren Kern hat. Der Mutterdrache soll in Wirklichkeit ein Krokodil gewesen sein.
    
Zurück zum Mythos: Der Sohn der Drachenfrau hat dann, zusammen mit einem Gehilfen und einem geheimen Zauberspruch, die Steinsäulen durch die Luft herbeifliegen lassen.
    
Unterirdische Tunnels, die Wasser in künstlich angelegte Seen auf ebenso künstlich erbauten Inseln  fließen ließen waren vom Komplex Nan Madol einfach nicht mehr wegzudenken. Viele von ihnen sind inzwischen eingestürzt. So mancher ist nur einfach vergessen worden, so mancher Eingang auch nur überwuchert. Andere Kanäle sind nach wie vor bekannt, zumindest wo ihre Ein- und Ausgänge auf den Inseln zu finden sind.
   
Foto 3: Monstermauern von Nan Madol.

Immer wieder heißt es, dass aus diesen sakralen Kanalisationen  verehrungswürdige Gottwesen auftauchten und Kontakt mit den Menschen aufnahmen. So war dies zum Beispiel auch auf der Insel Dau. Die himmlischen Götter aber, so heißt es immer wieder in den uralten Überlieferungen, die auch heute noch erzählt werden, kamen in fliegenden Boten zur Erde. Ein Beispiel:
    
»Die alte Überlieferung berichtet, dass da dereinst ein Kanu war, das vom Himmel her absegelte. Es kam nicht vom offenen Meer her, sondern vom hohen Himmel herab. An Bord waren drei Männer. Das fliegende Schiff kam nach Nan Madol. Es schwebte über die Insel dahin. Schließlich gelangte es in den Westen. Die Männer nahmen einen der Hohen Häuptlinge des westlichen Nan Madol an Bord. Sie flogen mit ihm weg. Niemand wusste, was sie besprachen. Aber als sie wieder zurückkamen, da wurde der Hohe Häuptling zum ersten König ernannt.«
    
So wenig wir sonst noch über das Aussehen dieser Wesen wissen, so sind folgende Fakten nicht zu bestreiten: Die steinzeitliche Anlage des Venedigs der Südsee entstand an der Stelle, die nicht von den Menschen, sondern von den Göttern auserwählt worden war. Die Götter, intelligente Meereslebewesen, kamen eindeutig vom Himmel herab auf die Erde und begegneten den Menschen als amphibische Kreaturen.

Es drängen sich Fragen auf! War der Komplex von Nan Madol immer schon eine Ansammlung von rund 100 künstlich geschaffenen Inseln? Oder waren die einzelnen Insel einst gar keine Inseln? Stieg der Meeresspiegel, so dass aus Straßen »Kanäle« wurden? Entstand das »Venedig der Südsee« erst als eine »Sintflut« den mythologischen Kontinent Mu versinken ließ?

Foto 4: Einst soll die Osterinsel sehr viel größer gewesen sein.

Wirklich südseehaft ist die Osterinsel  nicht. Sie entspricht ganz und gar nicht den gängigen Klischees. Sie verfügt – mit einer Ausnahme – über keinerlei Sandstrand. Ihre Küste ist über weite Strecken felsig und schroff. Auch sind Palmen auf dem Inselchen Mangelware. 3550 Kilometer Salzwasserwüste trennen es von der Küste Chiles, 4200 von Tahiti. Zu einem Weltwunder der archäologischen Art machen das Eiland gigantische Steinstatuen, wahrhaft riesenhafte Figuren, vereinzelt mehr als zwanzig Meter hoch. Der frühe Weltreisende und Forscherautor Ernst von Hesse-Wartegg war von den großen Kulturen unseres Globus fasziniert. Die Monumente, die unsere Vorfahren weltweit bereits vor Jahrtausenden errichteten, verblüfften den Weltenbummler. Nichts aber verblüffte ihn so, wie die Kolosse auf der Osterinsel. Von Hesse-Wartegg schrieb kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in seinem zweibändigen Werk »Die Wunder der Welt« Band 1, Stuttgart, Berlin, Leipzig o.J. S. 473 und 474, dass die schweigenden Riesen von „unbekannten Schöpfern“ gemeißelt wurden und »wahrscheinlich zu den ältesten Skulpturen der Menschheit« gezählt werden müssten.

Foto 5: Teile der Osterinsel ... im Meer versunken?

Nach den ältesten Mythen der Osterinsel gab es einst in grauer Vorzeit weit im Westen Südamerikas ein paradiesisches Eiland, »Maori Nui Nui«, zu Deutsch »Groß Maori«. König Taenen Arei regierte das Reich. Groß waren seine Sorgen. Stand doch die Existenz seines gesamten Volkes auf dem Spiel! »Maori Nui Nui« würde in den Fluten des Pazifiks versinken. Hatte sein Volk überhaupt eine Chance zu überleben?

Schließlich übernahm Taenen Areis Sohn, Hotu Matua, die Regierungsgewalt. Er wwar der erste König. Voller Tatendrang rüstete er Expeditionen aus. Seine tüchtigsten Seefahrer sollten eine neue Heimat für das vom Untergang bedrohte Volk finden. Doch die Kundschafter kamen immer wieder zurück, ohne in den Weiten des Meeres neues Land gefunden zu haben.

Im letzten Augenblick gab es himmlische Hilfe. Gott Make Make stieg vom Himmel herab, ergriff den Priester Hau Maka und verschleppte ihn  durch die Lüfte zu einem fernen, unbekannten Eiland. Make Make erklärte dem verblüfften Priester genau, wie man von seiner alten Heimat, dem vom Untergang bedrohten Atlantis der Südsee, zur neuen Insel gelangen konnte. Make Make warnte eindringlich vor gefährlichen Felsenriffen und wies auf Vulkane hin. Er zeigte dem Geistlichen eine Kuriosität: »weiches Gestein«. Es dürfte sich um noch nicht ganz erstarrte Lava gehandelt haben.

Foto 6: Oder stieg der Meeresspiegel?

Schließlich wurde Hau Maka in die alte Heimat zurück gebracht. Sofort berichtete er seinem König von seinem Traum. Ein Traum musste der Flug mit dem Gott Make Make ja gewesen sein. Der König wählte sieben Seefahrer aus, die sofort zu einer Erkundungsfahrt aufbrachen. Tatsächlich fanden sie die neue Insel.  Nach dreißig Tagen strapaziöser Fahrt übers Meer. Nach weiteren vierzig Tagen waren die sieben Kundschafter wieder zu Hause. Der König befahl den Exodus. Die gesamte Bevölkerung von »Maori Nui Nui« siedelte um: vom Atlantis der Südsee auf die Osterinsel. Die neue Heimat wurde planmäßig erkundet und in Besitz genommen. Zu Ehren der sieben Kundschafter wurden sieben Statuen aufgestellt, die aufs Meer hinaus blicken. (Siehe Foto 1!)

Nach der mythischen Tradition der Südsee gab es einst ein großes Königreich in der Südsee. Uwoke, ein mächtiger Gott des Erdbebens berührte mit einem »Stab« das Land. Große Teile davon versanken. Übrig blieb, so wissen es die alten Überlieferungen, die Osterinsel. Weiter heißt es in Heyerdahls Aufzeichnungen, zitiert bei Krendeljow und Kondratow (2):

»Es erhoben sich Wellen, und das Land ward klein. Der Stab Uwokes zerbrach am Berg Puku-puhipuhi. Von nun an wurde es Te-Pito-o-te-Henua, der Nabel der Erde genannt.«  In einer anderen Überlieferung, ebenfalls in den Aufzeichnungen Thor Heyerdahls vor dem Vergessen bewahrt, heißt es: »Kuukuu sagte zu ihm:

›Früher war diese Erde groß.‹ Der Freund Tea Waka sagte: ›Diese Gegend nennt sich Ko-te-To-monga-o-Tea-Waka.‹ Ariki Hotu Matua fragte: ›Warum versank das Land?‹ ›Uwoke machte das; er versenkte das Land‹ antwortete Tea Waka. ›Von nun an wurde das Land Te-Pito-o-te-Henua genannt.« Te-Pito-o-te-Henua bedeutet »Nabel der Welt«.

Foto 7: Direkt vor der Küste der Osterinsel
warten die ältesten Rätsel auf Entdeckung.


Der Mythologie nach war die Osterinsel einst sehr viel größer als heute. Verantwortlich sei, so wird überliefert, Uwoke, eine Gottheit aus uralten Zeiten. Eine gewisse Erleichterung macht sich breit. Zumindest an dieser Katastrophe sind wir Dieselfahrer gänzlich unbeteiligt!

Fußnoten
1) von Hesse-Wartegg, Ernst von: »Die Wunder der Welt« Band 1, Stuttgart, Berlin, Leipzig o.J. S. 473 znd 474
2) Krendeljow/ Kondratow: »Die Geheimnisse der Osterinsel«, 2. Auflage, Moskau
und Leipzig 1990, S. 109

Zu den Fotos
Foto 1: Die sieben legendären Kundschafter. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Ruinen von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Monstermauern von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Einst soll die Osterinsel sehr viel größer gewesen sein. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Teile der Osterinsel ... im Meer versunken? Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Oder stieg der Meeresspiegel? Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Direkt vor der Küste der Osterinsel warten die ältesten Rätsel auf Entdeckung. Foto Walter-Jörg Langbein

428 »Besuch bei einem monströsen Wesen aus Stein«,
Teil  428 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 01.04.2018



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Sonntag, 18. März 2018

426 „Im Totenbunker“

Teil  426 der Serie Monstermauern, Mumien und Mysterien                         
von Walter-Jörg Langbein      
                  

Fotos 1-4: Gespenstische Ruinen von Nan Madol

Die rätselhaften Bauten von Nan Madol wirken auf den Besucher märchenhaft schön. In üppigem Pflanzengrün sind oft massive Mauerbauten nur noch zu erahnen. Auch auf das besterhaltene Gemäuer breitet sich stetig die Natur aus. Palmen wachsen zwischen mächtigen Steinen. Ihre starken Wurzeln durchdringen die Fundamente von Steinmauern und drohen sie zum Einsturz zu bringen. Mangrovenbäume wachsen direkt in wuchtigen Steinmauern und sprengen Steinblöcke auseinander.

Ende des 19. Jahrhunderts – das dokumentieren Fotos – waren die mysteriösen Ruinen von Nan Madol im höchsten Maße bedroht. Extremer Baumwuchs, das schien unausweichlich, würde das uralte Gemäuer zerstören. Fotos, die wohl in den 1890er Jahren entstanden, wirken so, als seien sie in den Kulissen eines Horrorfilms entstanden. Offensichtlich wurden im Verlauf der letzten hundert Jahre immer wieder Bäume in und um einige der Ruinen gefällt, um zumindest einige Überbleibsel der uralten Stadt zu erhalten. Es fehlt am Geld. Nur mit sehr hohem finanziellen Aufwand könnte Nan Madol, das »8. Weltwunder« da und dort restauriert und konserviert werden.

Foto 5: Eingang zur Totengruft

In den frühen 1990er Jahren suchte und sammelte ich Berichte über unheimliche Begegnungen, etwa mit »Geistern«. Zahlreiche Menschen aus den USA, aber auch aus Deutschland, schickten mir ihre »Erlebnisberichte«, deren Wahrheitsgehalt ich natürlich nicht überprüfen kann. Aus dem geplanten Buch wurde allerdings nichts. Die spannendsten und ungewöhnlichsten Schilderungen habe ich archiviert. Claudia G., damals 29 teilte mir mit, sie habe in den frühen 1990er Jahren vor der Insel Ponape geschnorchelt. Sie wollte bunte Fische und Korallen bestaunen. Es kam aber ganz anders. Sie habe einen grässlichen Spuk erlebt, beteuerte sie mir. Ich zitiere ihren kurzen Bericht:

»Von der kleinen Hauptstadt Kolonia fuhr ich mit einem gemieteten Motorboot zu den Ruinen von Nan Madol. Ich machte es an einem kleinen Eiland fest und schnorchelte im flachen, warmen Wasser. Herrliche buntglänzende Fische schienen zum Greifen nahe. Plötzlich kam ich über eine tiefere Stelle. Weit unten meinte ich steinerne Särge erkennen zu können! Panik befiel mich! Plötzlich war mir eiskalt. Ich schwamm hastig an die kleine Insel. Über eine steinerne Treppe stieg ich empor. Ich ging auf einem Weg durch zwei gewaltige Mauern. Vor einem wuchtigen, gedrungenen Bau setzte ich mich auf einen Stein. Plötzlich spürte ich extreme Angst. 


Foto 6: Die bunkerartige Gruft, Foto etwa 1890 bis 1899

Etwas kam von hinten auf mich zu, begleitet von eisigem Wind, und das bei 30 Grad im Schatten! Eine eiskalte Knochenhand legte sich auf meine nackte Schulter. Es stank ganz widerlich nach Verwesung! Mir blieb fast das Herz stehen! Panisch vor Angst floh ich ins Boot. Der Motor sprang sofort an. Nichts wie weg! Ich spinne nicht: Ich habe einen echten Spuk erlebt, in der Südsee!«

Atemberaubend ist auch heute noch »Nan Dowas«, ein wahrhaft gigantischer Gebäudekomplex. Oder genauer: Was von der einstigen Pracht noch übrig geblieben ist, verschlägt dem Besucher den Atem. Die äußeren Mauern haben eine Länge von neunzig Metern, wie ich vor Ort abgeschritten habe (1). Sie wurden aus wuchtigen steinernen Säulen in Blockhausbauweise aufgetürmt: drei Meter dick und neun Meter hoch ist die Mauer heute noch. Deutlich sind Beschädigungen zu erkennen. Gewaltige Steinsäulen stürzten irgendwann zu Boden. Unermessliche Kräfte müssen hier gewirkt haben. Wie hoch diese gewaltige Mauer einst wohl war? Niemand vermag das zu sagen. Ich fragte »meinen« Guide, den tüchtigen Lihp Spegal, was er von dem unheimlichen Erlebnis halte. Der junge Mann war alles andere als erstaunt. Einheimische würden nie und nimmer nachts die Ruinen aufsuchen. Warum? Aus Angst vor Begegnungen mit Spukerscheinungen.
    
Foto 7: Im Inneren des »Totenbunkers«.

Die Bauten aus Basaltsäulen, so Lihp Spegal, seien so von furchteinflößenden Erscheinungen geschützt. Plünderer würden nicht wagen, in den Ruinen nach Schätzen oder auch nur Tonscherben und Knochen zu suchen. Ein Fluch soll nicht nur auf der unterseeischen Heimstatt der Götter liegen sondern auch auf den Gräbern der direkten Nachfahren der ältesten Götter. Vermeintlich »zivilisierte« Europäer, die derlei Überlieferung für Humbug hielten, wurden, davon sind viele Einheimische vor Ort überzeugt, mit dem Tode bestraft. So berichtete mir Tour-Guide Lihp Spegal, kein Geringerer als Victor Berg, »Kaiserlicher Regierungsrat« und »Stellvertretender Gouverneur« der Insel, sei ein Opfer eines Fluches geworden.
    
Ende April 1907 gab er den Befehl, das Grab des verehrten Iso Kalakal zu suchen und zu öffnen. Bei einer Nacht- und Nebelaktion wurde tatsächlich die letzte Ruhestätte jenes frühen Herrschers gefunden. Zur Erinnerung: Iso Kalakal war von Gott Nan Dzapue höchstpersönlich gezeugt worden, der extra zu diesem Anlass vom Himmel auf die Erde herabgestiegen war. Trotz lauter Warnungen der Einheimischen wurde die Totenruhe Iso Kalakals empfindlich gestört. Sein Grab wurde geschändet, seine Gebeine wurden herausgenommen. Die Europäer machten sich lustig über den angeblich wirkungslosen Fluch. Man sei ja auch kein Grabräuber, sondern Wissenschaftler. Abfällig äußerten sie sich über die vermeintlich dummen und abergläubischen Insulaner.

Foto 8: Mauerwerk im Inneren des »Totenbunkers«.

Die Insulaner freilich wunderten sich über die arroganten Europäer. Der Fluch würde jeden Treffen, der es wage, die Totenruhe der Altvorderen zu stören. Betroffen seien Grabräuber wie Archäologen, der Fluch würde da nicht differenzieren. Das Lachen der »Zivilisierten« über die vermeintlich »Primitiven« verstummte allerdings bald. Schon einen Tag nach der Grabschändung erkrankte Victor Berg, der Stunden zuvor noch kerngesund war, und starb. Eine medizinische Erklärung fanden die Ärzte nicht. Die Einheimischen waren alles andere als überrascht. So ergehe es jedem, der die heiligen Orte von Nan Madol störe!

Die Anlage von Nan Dows ist allen Schäden zum Trotz immer noch sehr gut erhalten. Da und dort sind einstmals stolze Mauern eingestürzt. Tonnenschwere Basaltsäulen fielen aus luftiger Höhe und liegen heute noch, Jahrhunderte nach einer Katastrophe, zerbrochen wie ein Mikadospiel für Riesen am Boden. Die Anlage war freilich noch viel komplexer als der heutige Besucher zu erkennen vermag.

Foto 9: Mauerwerk im Inneren des »Totenbunkers«.

In ihrem Zentrum steht ein massives »Gebäude«. Es ist fensterlos und erinnert am ehesten an einen massiven Bunker. Die Wände wie die tonnenschwere Decke bestehen aus massiven Basaltsäulen, die für Nan Madol typisch sind. Im Inneren ist es bedrückend eng und es riecht muffig. Ich habe mich einige Stunden im »Totenbunker« aufgehalten, einfach um die Atmosphäre zu spüren. Leise war die Brandung des Meeres zu vernehmen. Der Geruch war unangenehm, stammte wohl von modrigem Brackwasser. Verwesende Leichtenteile gibt es schon lange nicht mehr. Und die steinernen Tische, auf denen die verfaulenden Toten aufgebahrt wurden, sind schon lange verschwunden. Einheimisch in Kolonia meinten im Gespräch, europäische Plünderer hätten sie im 19. Jahrhundert zerlegt und abtransportiert.

Nach wie vor gibt es mündliche Überlieferungen, die freilich nach und nach in Vergessenheit geraten. So hörte ich von zwei greisen am Rande der Hauptstadt Kolonia lebenden Männern, dass Nan Madol einst eine sehr große Stadt war, viel größer als die Ruinen heute vermuten lassen. Einst, so heißt es, war Kanimweiso Teil der riesigen Gesamtanlage. Kanimweiso (2) lasse sich mit »die zu ehrende Stadt« oder »die Stadt, die man ehrt« übersetzen. In grauer Vorzeit, wann immer das gewesen sein mag, versank Kanimweiso in den Fluten des Pazifik.

Die ehrwürdigen Toten, die zu Lebzeiten die Herrscher von Nan Madol waren, wurden nicht einfach begraben. Ihre Leichname wurden zunächst in heiligen Zeremonien, die nur der eingeweihten Priesterschaft bekannt waren, im steinernen »Bunker« von Nan Dowas aufgebahrt. Dort lagen sie dann bis zur vollständigen Skelettierung. Die Knochen wurden dann bestattet: und zwar an geheimen Orten auf der Hauptinsel Ponape, auf dem Festland also.

Foto 10: Der Nan-Dowas-Komplex, nach einer Vorlage aus der Zeit von 1890 bis 1899

Der »Bunker«, aber auch das ausgeklügelte System von Mauern um den Bunker, wurden besonders massiv gebaut. Die wuchtigsten Steinsäulen, aber auch die größten Steinbrocken, wurden für den Bau des sakralen Gebäudekomplexes verwendet. Bei Ausgrabungen in Nan Dowas, gegen die die Nachkommen der Erbauer massiv protestierten, fand man einige wenige Knochensplitter. Wie mir ein junger Lehrer in Kolonia bestätigte, wurden die Skelette der Toten mit Ritual-Werkzeug und strengen Vorschriften folgend pietätvoll im Bunker zerschlagen, bevor sie aufs Festland geschafft werden durften. Dort wurden sie an verschiedenen Stellen, die einige Einheimische angeblich heute noch kennen, bestattet. Warum? Der Pädagoge erklärte mir: »So wollte man verhindern, dass die Toten zurückkehren würden!« Belege für diese Erklärung fand ich nirgendwo in der Literatur.

Foto 11: Decke des »Totenbunkers« von oben.

Ende des 19. Jahrhunderts haben  Forscher wie F.W. Christian (3)  die künstlichen Inseln von Nan Madol kartographiert und möglichst präzise Lagepläne von Nan Madol angefertigt. Angeblich haben sie , das hört man vor Ort auch heute noch, »kistenweise«  Artefakte aus den Ruinen geborgen und mitgenommen . Die Einheimischen waren ob dieser Plünderungen entsetzt. Sie fürchteten sich vor dem Zorn der Toten. Der örtliche Führer Paul Nahnmwarki habe schließlich mit Selbstmord gedroht, falls man weiter die heiligen Stätten entweihen würde. Ob das die plündernde Europäer beeindruckt hat? Vielleicht hörten sie auf, Kostbarkeiten zu stehlen, weil es so gut wie keine Funde mehr gab?

Fußnoten

1) Die Angaben in der Literatur variieren.
2) Die Namen und Bezeichnungen wurden und werden oft in stark voneinander abweichenden Schreibweisen überliefert. Offenbar versuchten die ersten Besucher die ihnen völlig fremden Worte mehr oder minder lautsprachlich festzuhalten.
3) Christian, F.W.: »The Caroline Islands/ Travel in the Sea of Little Islands«, London 1899


Zu den Fotos
Fotos 1-4: Gespenstische Ruinen von Nan Madol, etwa 1890-1899. Fotos Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Eingang zur Totengruft. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Die bunkerartige Gruft, Foto etwa 1890 bis 1899, Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Im Inneren des »Totenbunkers«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Mauerwerk im Inneren des »Totenbunkers«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 9: Hier ließ man die vornehmen Toten verfaulen. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 10: Der Nan-Dowas-Komplex, nach einer Vorlage aus der Zeit von 1890 bis 1899. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 11: Decke des »Totenbunkers« von oben. Foto Walter-Jörg Langbein

427 »Warum versank das Land?«,
Teil  427 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 25.03.2018



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Sonntag, 11. März 2018

425 „Das himmlische Riff“

Teil  425 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Reste des einstigen Schutzwalls.

Nan Mwoluhsei, die gewaltige Wallanlage vor der Seeseite von Nan Madol heißt übersetzt »Wo die Reise endet«. Für wen? Für die Insulaner, die mit ihren Booten nach Nan Madol kamen? Vor Ort erfuhr ich eine andere Erklärung: Dort habe die Reise  für die vom Himmel Kommenden geendet. Dort habe sich für die himmlischen Wesen, die einst aus den Tiefen des Alls zur Erde kamen, der »Eingang« zur Erde befunden.

Deshalb lautet der älteste Name von Nan Madol »Soun Nan-leng«, zu Deutsch »das himmlische Riff«. Warum? Weil dort die Götter vom Himmel zur Erde herabstiegen und auch wieder von dort aus gen Himmel entschwanden. Nan Madol war für die Götter der Ort, wo ihre Reise endete. Wo sie zur Erde herabkamen, da war das »himmlische Riff«. Sie waren nicht von dieser Welt. Ihre eigentliche Heimat lag im Himmel.

Dabei dachte man keineswegs an überirdische Gefilde im religiösen Sinne. Man verstand darunter nicht einen transzendenten Ort, an dem die seligen Geister von Verstorbenen auf Wolken sitzend Manna verspeisen und zu lieblichen Lautenklängen frommes Liedgut singen. In »Polynesiean Mythology« wird dieser Himmel als ein recht ungastlicher Ort beschrieben. Aus dem Munde einer Himmlischen, die zur Erde herabgekommen war, erfahren wir, dass ihr unsere Erde sehr gut gefällt. Und das im Gegensatz zum »Himmel«:

Foto 2: Reste des einstigen Schutzwalls.
    
     »Ich liebe diese Welt.
     Sie ist nicht kalt und leer wie
     der hohe Raum dort oben.«

Seltsam, wie exakt diese Beschreibung des Weltalls den Erkenntnissen entspricht, wie wir Menschen des 20. Jahrhunderts sie der Raumfahrt verdanken! Auch für die Götter aus dem All war unser blauer Planet »himmlischer« als das kalte, leere All. Wenn also davon die Rede ist, dass die Götter vom »Himmel« zur Erde kamen, dann ist damit eben nicht ein über den Wolken vermutetes Paradies im Gegensatz zur harten Realität auf der Erde gedacht! Lassen wir den legendären Gott der Südsee Pourangahua zu Wort kommen. Er frohlockt geradezu über seine Ankunft auf der Erde:
    
     »Ich komme,
     und eine unbekannte Erde
     liegt unter meinen Füßen.
     Ich komme,
     und ein neuer Himmel dreht (sich)
     über mir.
     Ich komme
     auf diese Erde und sie ist
     ein friedlicher Rastplatz für mich.
     O Geist des Planeten!«

Hier spricht kein körperloses Geistwesen aus einem Himmel im fromm-religiösen Sinne, sondern ein real-körperliches Wesen, das als Astronaut von Welt zu Welt, von Planet zu Planet reist.
    
Fotos 3-5: Götterstatue von Ponape.

Kontakte zwischen den himmlischen Besuchern und den irdischen Bewohnern von Nan Madol gab es immer wieder. Sie blieben nicht immer ohne Folgen. Paul Hambruch, der deutsche Gelehrte und Archäologe, erkundete zu Beginn unseres Jahrhunderts intensiv die Geheimnisse von Nan Madol.  Wissende Einheimische fassten Vertrauen zu ihm und erzählten dem Deutschen einige ihrer heiligen Überlieferungen, die er sorgsam notierte, und zwar in der Originalsprache Nan MadMadolsd in der deutschen Übersetzung. Da begegnen wir zum Beispiel dem Himmelsgott Nan Dzapue, der mit höchst »menschlichen« Absichten auf unseren Planeten kam.   
    
Foto 6: War Gott Nan Dzapue ein Astronaut?

»Einstmals verließ Nan Dzapue den Himmel und stieg nach Pankatera hinab; dort trieb er Ehebruch mit der Frau des Sau Telur. Sie trafen einander und badeten in einem Bach. Er beschlief sie auf der Stelle.« (1) Die Geburt seines Sohnes wartete der himmlische Vater nicht ab: »Nan Dzapue begab sich wieder in den Himmel zurück.« Sohn Iso Kalakal entwickelte sich zu einem kriegerischen Helden und begründete die erste große Herrscherdynastie von Nan Madol.
    
Berichte über die Frühgeschichte von Nan Madol wurden über viele Jahrhunderte hinweg mündlich weitergereicht, von Generation zu Generation. Die heiligen Legenden wurden von unzähligen Generationen als Tatsachenberichte aufgefasst und als solche den Jungen vererbt, die wiederum ehrfurchtsvoll die Texte auswendig lernten - um sie wiederum der nächsten Generation anzuvertrauen. Noch im 19. Jahrhundert gab es kaum einen Inselbewohner, der nicht firm war in den altehrwürdigen Überlieferungen. Heute sterben die Wissenden nach und nach aus. So droht ein reiches kulturelles Erbe, dessen wahres Alter niemand kennt, in Vergessenheit zu geraten.
    
Foto 7: Lageplan Nan Madol

Diesem Trend wirken zahlreiche Studenten der örtlichen Hochschule »Community College of Micronesia«, Kolonia, Pohnpei, entgegen. In mühevoller Kleinarbeit haben sie sich alte Erzählungen diktieren lassen und schriftlich festgehalten. So entstand die wertvolle Mythensammlung  »Never and Always«. Diesem Standardwerk zufolge gehen die Siedlungen auf den künstlichen Inseln von Nan Madol auf zwei legendäre Brüder –  Olsihpa und Olsohpa –  zurück. Sie kamen von »irgendwoher« aus dem Westen. Bei ihrer Ankunft fanden die Beiden freilich bereits Bewohner vor - solche der göttlichen Art. Die Brüder, sie werden als Halbgötter bezeichnet, sollen magische Kräfte besessen haben. Ohne Schwierigkeit ließen sie die Basaltsäulen vom entfernt gelegenen Steinbruch herbeischweben. Göttliche Magie wurde demnach genutzt um die scheinbar anders nicht zu erklärenden Leistungen beim Transport unvorstellbarer Steinmengen zu bewerkstelligen.
    
Arthur C. Clarke schrieb, dass eine fortschrittliche Technologie der Zukunft aus heutiger Sicht von Magie kaum mehr zu unterscheiden sein wird (2). Wenn bei der Erstellung der steinernen Welt von Nan Madol tatsächlich Außerirdische »die Hand im Spiel« gehabt haben sollten, dann muss ihr Wirken für die Inselbewohner tatsächlich wie Zauberei ausgesehen haben!

Foto 8: Blick ins All.
Die überirdischen, göttlichen Ur-Gründer von Nan Madol lebten, so heißt es in uralten Überlieferungen, im Meer. Masao Hadley, angesehener Wächter von Nan Madol: »Bevor das Volk von Pohnpei hier ankam, da gab es schon die Stadt der Götter! Auf dem Meeresgrund! (3)« Diese Behausungen tief unter dem Meeresspiegel sollen auch heute noch zu finden sein: Direkt bei Nan Mwoluhsei, also dort, wo die Reise endet - die der Götter aus dem All? Davon sind auch heute noch die Einheimischen überzeugt. Mutige Taucher, so wird berichtet, sind in jene Gefilde vorgedrungen und haben Ruinen erblickt. Diese Überreste einer uralten Urkultur hat noch niemand zu erforschen gewagt. Ein göttlicher Fluch soll auf ihnen ruhen und jeden Menschen töten, der sich den einstigen Behausungen der himmlischen Wesen nähert.
     
David Hatcher Childress ließ sich auch durch noch so Furcht einflößende Schilderungen der tödlichen Auswirkungen dieses Fluchs nicht davon abhalten, zusammen mit einigen Freunden vor Ort zu tauchen. In einer Tiefe von zwischen zwanzig und fünfunddreißig Metern unter dem Meeresspiegel stießen sie immer wieder auf senkrecht stehende Monolithen. Sie traten häufig paarweise auf und waren fast immer stark mit Korallen überwuchert. Childress (4): »Einige dieser Steine tragen Gravuren, zum Beispiel Kreuze, Quadrate, Rechtecke und auf einer Seite offene Vierecke. Ähnliches habe ich in den fantastischen Ruinen in den Bergen Boliviens, bei Puma Punku, einige Meilen von Tiahuanaco entfernt, gesehen. Gab es eine Verbindung?«

Waren das die ersten Hinweise auf die Stadt der Götter? Childress und seine Kollegen stellten fest: Unweit der stehenden Säule fiel der Meeresboden noch weiter ab, vermutlich auf fünfzig bis sechzig Meter. In jene tieferen Regionen wagten sie nicht hinabzutauchen (4).
    
Bereits 1980 hat Dr. Arthur Saxe die unterseeische Nachbarschaft von Nan Madol tauchend erkundet. Das geschah im Auftrag der Behörde »The Trust Territory of the Pacific«. Dr. Saxe veröffentlichte in einer wissenschaftlichen Broschüre seine unter Wasser gewonnenen Erkenntnisse. So berichtet er von senkrecht stehenden Säulen, die in einer schnurgeraden Linie verlaufen, die sich wiederum in den Tiefen des Meeres verliert. Sie haben einen Durchmesser, so der Gelehrte, zwischen  70 cm und zwei Metern. Ihre Länge war nicht festzustellen, da nicht eruiert werden konnte, wie tief sie im Boden des Meeresgrundes stecken. Besonders imposant: Majestätisch ruht da eine fast sieben Meter hohe Säule auf einer flachen Plattform, die an einem unterseeischen Abhang eingearbeitet ist.
     
Foto 9: Blick ins All.
Meine Forderung: Es ist endlich an der Zeit, den Meeresboden um Nan Madol herum gründlich zu erforschen. Es genügt nicht, planlos herumzutauchen. Vielmehr muss sehr sorgsam kartografiert werden. Und es gilt, die Säulen auf dem Meeresgrund zu vermessen. Schließlich muss versucht werden, auch jene tiefer gelegenen Regionen - vielleicht mit Mini-U-Booten? - zu erfassen, in die bisher noch keine Taucher vorgedrungen sind. Wird man dann endlich die uralten Stadt der Götter, über die die Überlieferungen berichten, entdecken? Warten gar mehrere solche Götter-Metropolen in den Tiefen der Südsee? Davon sind zahlreiche Bewohner von Pohnpei überzeugt. Ein solches Unterfangen ist freilich extrem kostspielig. Auch heute fehlen, wie schon seit Jahrzehnten, die Mittel, um auch nur die wichtigsten bekannten Ruinen vor dem weiteren Verfall zu bewahren.
    
Literatur
Ashby, Gene (Hrsg.): »A Guide to Pohnpei/ An Island Argosy by George
     Ashby«, 2. revidierte Auflage, Kolonia 1993
Ashby, Gene (Hrsg.): »Micronesian Customs and Beliefs«, revised edition,
     Kolonia 1993
Ashby, Gene (Hrsg.): »Never and Always/ Micronesian Legends, Fables and
     Folklore«, 2. erweiterte Auflage, Kolonia 1989
Childress, David Hatcher: »Lost Cities of Ancient Lemuria and the Pacific«,  
     Stelle, Ill., USA, 1988
Hambruch, Paul: »Ergebnisse der Südsee-Expedition 1908-10«, Berlin  
     1936
Morrill, Sibley (Herausgeber): »Ponape«, San Francisco 1970
»Polynesian Mythology«, Wellington, New Zealand, o.J.

Fußnoten
1) Maschinegeschriebenes Manuskript, Privatsammlung, Ponape
2) Arthur C. Clarke: »Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.«
3) Maschinegeschriebenes Manuskript, Privatsammlung, Ponape
4) Childress, David Hatcher: »Lost Cities of Ancient Lemuria and the Pacific«,  
     Stelle, Ill., USA, 1988

Foto 10: Nan Madol um 1899

Zu den Fotos

Foto 1: Reste des einstigen Schutzwalls. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Reste des einstigen Schutzwalls. Foto Walter-Jörg Langbein
Fotos 3-5: Götterstatue von Ponape. Fotos Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Foto 6: War Gott Nan Dzapue ein Astronaut? Astronaut Bruce McCandless II im All Challengermission Foto NASA gemeinfrei.
Foto 7: Lageplan Nan Madol, Ausschnitt. Foto: wiki commons/ Hobe Holger Behr
Foto 8: Blick ins All. Foto: Wikimedia Commons/ NASA.
Foto 9: Blick ins All. Foto: Wikimedia Commons/ NASA.
Foto 10: Nan Madol um 1899. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein

426 »Im Totenbunker«,
Teil  426 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 18.03.2018



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Samstag, 3. März 2018

424 „Wo die Reise endet - Künstliche Inseln und das kleine Volk“


Teil  424 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein
    

Fotos 1 und 2: Schätze aus dem Bernice P. Biskop Museum

„Pahn Kadira“, wo die hochherrschaftlichen „Städteplaner“ und die besten Steinspezialisten residierten (1), war mit einem „Tabu“ belegt. Gewöhnliche Sterbliche durften das Eiland nur mit spezieller Genehmigung betreten. Der Eingang zu der „verbotenen Stadt“, die auch „Unter dem Tabu stehend“ genannt wurde, hieß „Rin“. Hier wachte der angesehene „Keus“. Dieser Titel lässt sich mit „Wer bist du?“ übersetzen. Wer von diesem Hüter die Erlaubnis erhalten hatte, das künstliche Eiland zu betreten, durfte noch lange nicht in die „königliche Stadt“ selbst gehen. Darauf achtete ein weiterer Wächter, „Sohn Pu Douwas“.

Foto 3: Monstermauer auf Marke

Wer aber waren diese „Städteplaner“? Im Rahmen verschiedener Reisen machte ich wiederholt Station in Hawaii. So manche Stunde verbrachte ich im „Bernice P. Bishop Museum“ (2). Ich bestaunte eine Original-Osterinsel-Statue im Garten des Museums, auch hölzerne Statuetten, die den Osterinsel-Riesen recht ähnlich sahen. Vor allem gewährte man mir Einblick in seltene alte Bücher. So fand ich eine höchst interessante Überlieferung in F.W. Christians „The Caroline Islands“, erschienen anno 1899 in London. 

Demnach wurden die steinernen Bauten von „Nanmatal“ (3) von fremdartigen Wesen gebaut, lange bevor die „heutige Rasse“ nach Pohnpei kam. Die „Chokalai“ seien dunkelhäutig und kleinwüchsig gewesen. Christian berichtet, dass nach alter Überlieferung die „Chokalai“ als „kleine Volk“ oder „Zwerge“ bezeichnet würden.  Darf man da an die „kleinen Grauen“ denken, die laut heutiger UFO-Mythologie aus dem Weltraum kamen?

Foto 4: Ein Hund in den Ruinen
Im „Villa Resort Hotel“ (4) las ich spät am Abend in Ralph Lintoms „Ethnology of Polynesia and Micronesia“, 1926 in Chicago erschienen, dass die „Panopäer“ eine „Tradition“ kannten, wonach es einst „schwarzhäutige Zwerge“ auf Ponape gegeben habe, die sehr gefürchtet waren. Noch in den 1990ern wussten besonders alte Einwohner von Ponape Legenden zu erzählen, die von „bösartigen schwarzen Zwergen“ berichteten. Ob derartige Überlieferungen heute noch erzählt werden?
    
Die wissenschaftlichen Datierungen der Einzelnen künstlichen Inseln werden vor Ort nicht sonderlich ernst genommen. Und das mit Recht. „Nan Douwas“ soll um 230 n.Chr., „Pahn Kadira“ erst zwischen 900 und 1000 n.Chr. erbaut worden sein. Das erscheint unlogisch! Von Pahn Kadira aus wurden der Bau der gesamten Nan Madol-Anlage  dirigiert. Folglich muss es der älteste Teil des gesamten Komplexes sein. Wie alt aber ist Nan Madol? Oder genauer: Wann wurde mit dem Bau begonnen? Niemand vermag das zu sagen.

Foto 5: Der Weg in eines der Bauwerke

Forscher David Hatcher Childress weist darauf hin, dass das „Smithsonian Institute“ einige alte Töpferwaren von Nan Madol datierte und ein Alter von 2.000 Jahren feststellte. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass das steinzeitliche Venedig vor zwei Jahrtausenden gegründet wurde. Wir wissen jetzt nur, dass um die Zeit Christi Menschen an jenem geheimnisvollen Ort siedelten. Unbekannt ist und bleibt das Alter von Nan Madol.
    
Das Personal der „VIPs“, so heißt es, hauste auf Kelepwel (5). Diese Insel – ebenso künstlich angelegt wie alle anderen – wurde auch als „Gästebezirk“ benutzt. Die Herrscher schätzten offenbar Fremdlinge  nicht besonders und hielten sie sich möglichst auf Distanz. Sie mussten vor jedem Besuch Waffen und Geschenke abliefern. Auch die meisten Priester lebten zurückgezogen auf einer eigenen künstlichen Insel, auf Usendau. Auch hier wurden enorme Bauleistungen vollbracht! Auf dem kleinen Eiland (Ausmaße 85 mal 70 Meter!) wurden 18.000 Kubikmeter Stein verarbeitet! Leider ist ein großer Teil der ursprünglichen Bausubstanz auf der einst so stolzen Priesterinsel zerstört worden - vor wenig mehr als einhundert Jahren. Damals siedelten sich hier die Nachfahren der Ureinwohner von Nan Madol wieder an. Die bebaubaren Flächen waren äußerst klein, da mussten scheinbar nutzlose Ruinen weichen.

Foto 6: Lageplan Nan Madol.

Wasau  hat noch viele Geheimnisse zu bieten, die sich unter mysteriösen Plattformen und künstlich aufgetürmten Hügeln verbergen. Einst wurden hier alle Nahrungsmittel, die für die Bevölkerung von Nan Madol gedacht waren, sorgsam eingelagert. Besondere Köche wählten die besten Speisen für die Oberschicht der Hohepiester und weltlichen Herrscher aus und bereiteten sie vor, bevor sie ins „Vip-Zentrum“ von Pahn Kadira verschifft wurden.

Foto 7: Seitenansicht eines der Bauwerke

Kanus waren das einzige Transportmittel, das die einzelnen Inseln miteinander verband. Auf speziellen Kanus wurden auch die Verstorbenen von Nan Madol auf die letzte Reise gebracht. Nach streng reglementiertem Zeremoniell trat jeder Tote seinen letzten Weg an. Spezialisten salbten und ölten ihn, parfümierten ihn mit Kokosnussöl. Schließlich wurde er, mit einigen persönlichen Dingen ausgestattet, in eine kunstvoll geflochtene Matte gehüllt. Bevor er auf einer der Inseln bestattet wurde, wurde seine sterbliche Hülle nochmals auf den Kanälen des steinzeitlichen Venedigs der Südsee zu jeder Insel gefahren. Auf Kohnderek fanden dann die heiligen Totenzeremonien statt. Sakrale Tänze wurden zu Ehren des Toten aufgeführt. Er sollte gebührend von seinem irdischen Zuhause verabschiedet werden, in der Hoffnung, dass ein besseres Jenseits auf ihn warten möge.
   
Gefährdet war das irdische Leben der Bewohner von Nan Madol durch die Gewalten des Meeres. Deswegen wurde mit kaum nachvollziehbarem Aufwand ein riesiges steinernes Bollwerk geschaffen, das die Meeresfluten abhalten sollte: „Nan Mwoluhsei“, zu Deutsch: „Wo die Reise endet“. Die allem Anschein nach für die Ewigkeit gebaute Mauer ist heute noch 860 Meter lang. Sie ist erdbebensicher erstellt worden.

Foto 8: Eine der Monstermauern von Nan Madol

Immer wieder muss die wichtige Frage gestellt werden: Warum wurde Nan Madol im Südosten der Hauptinsel Temuen gebaut? Denn dieser Platz scheint alles andere als günstig gewählt zu sein. Er liegt nämlich dort, wo die Gefährdung durch das Meer am größten ist. Und wo potenzielle angreifende feindliche Truppen am schwersten abgewiesen werden konnten!


Foto 9: Erdbebensichere Mauern von Nan Madol.

Im Nordwesten der Hauptinsel (auf der Insel Ponape selbst!) indes wären die Voraussetzungen für die  Verteidigung geradezu ideal gewesen. Feindliche Flotten hätten nicht direkt attackieren können. Sie hätten vielmehr das Eiland erst einmal umschiffen müssen. Dabei wäre die Gefahr, wegen der häufig auftretenden Untiefen auf Grund zu laufen, eine beachtliche gewesen. Auf alle Fälle wären aber die so anrückenden Feinde rechtzeitig entdeckt worden. Von kriegerischen Gefahren zur Bedrohung durch die Natur. Eine Schutzmauer gegen die anstürmenden Meeresfluten wäre auch nicht nötig gewesen. Denn dann läge ja Nan Madol auf dem Trockenen, ein Schutzwall hääte nicht mühsam aufgebaut werden müssen.
    
Foto 10: Karte von der Hauptinsel
Noch einmal zur Transportfrage. Wie wurden die tonnenschweren Basaltsäulen vom Steinbruch herangeschafft? Das Eiland ist  alles andere als eben! Da türmen sich auf engstem Raum bis zu 800 Meter hohe Berge, erloschene Vulkane. Ponape ist zerklüftet, für den gut konditionierten Kletterer eine Herausforderung, für Trupps mit gigantischen Steinriesen im Gepäck wäre sie ein einziges unüberwindbares Hindernis. Dazu kommt noch, dass seit Menschengedenken fast täglich wahre sintflutartige Regenfälle auf die Insel herniederprasseln und den Boden in eine Schlammwüste verwandeln. 

Wären findige Arbeitertrupps auf gewaltigen Umwegen den Bergen ausgewichen, sie wären mit ihren Lasten im Schlamm stecken geblieben. Ein Transport quer über die Hauptinsel erscheint als unwahrscheinlich, ja unmöglich.

Foto 11: Faktensammlung
Theoretisch bietet sich dann als Alternative zum Land- der Seeweg an. Aber schon ein Blick auf die Landkarte genügt, um auch diese Antwort als unwahrscheinlich erkennen zu lassen. Die wackeren Arbeiter hätten zunächst die Basaltsäulen fällen, dann an den Strand schleppen und verladen müssen. Nehmen wir an, die Einheimischen von damals wären dazu in der Lage gewesen. Nehmen wir weiter an, sie hätten es geschafft, das Riff zu überwinden, sie wären auf die hohe See hinausgelangt. 

Spätestens bei der Annäherung an den Bestimmungsort Nan Madol wären sie stecken geblieben. Ist doch im weiten Umkreis um die künstlichen Inseln das Meer selbst bei Flut so seicht, dass schwer beladene Kähne, Kanus oder Flöße zwangsläufig auf Grund gelaufen wären!



Foto 12: Bunkerartiges Bauwerk
Fußnoten
1) Reisenotizen Walter-Jörg Langbein, Archiv Walter-Jörg Langbein
2) Bereits in den 1970er Jahren korresponiderte ich mit dem „Bernice P. Bishop Museum“ und erwarb Fachliteratur zum Beispiel über die Mythologie der Osterinsel.
3) Gemeint ist natürlich Nan Madol! F.W. Christian: „The Caroline Islands/ Travel in the Sea of the Little Lands“, London 1899, S. 108
4) Familie Bob und Patti Arthur haben das wunderbare Hotel aufgebaut, aus Altersgründen vor Jahren – leider – aufgegeben.
5) So wurde mir vor Ort erzählt. Andere Schreibweise von Kelepwel: Kelepwei.

Zu den Fotos
Fotos 1 und 2: Schätze aus dem Bernice P. Biskop Museum, Hawaii. Fotos Walter-Jörg Langbein.
Foto 3: Monstermauer auf Marke. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Ein Hund in den Ruinen von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein.
Foto 5: Der Weg in eines der Bauwerke. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Lageplan Nan Madol. Foto wiki commons/ Hobe  Holger Behr
Foto 7: Seitenansicht eines der Bauwerke. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Eine der Monstermauern von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein.
Foto 9: Erdbebensichere Mauern von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein.
Foto 10: Karte von der Hauptinsel, ca. 1956. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 11: Faktensammlung, 1956. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 12: Bunkerartiges Bauwerk. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 13: Ersttagsbrief Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein

Foto 13: Ersttagsbrief Nan Madol


425 „Das himmlische Riff“
Teil  425 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 11.03.2018
 


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