»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
»Gott schuf die Himmel und die Erde ganz am Anfang.« So finden wir den ersten Satz des ersten Kapitels des ersten Buch Mose in der Peschitta (1) übersetzt. Es ist ganz eindeutig von Himmeln, (2) in der Mehrzahl, aber nur von einer Erde (Einzahl) die Rede. Was kaum ein Theologiestudent oder gar examinierter Theologe auch nur zur Kenntnis nimmt, das ist die Existenz eines gewaltigen Textkonvoluts, das eine gewaltige Menge an Informationen enthält, die weit über das »Alte Testament« hinausgehen. Louis Ginzberg (*1873; †1953) hat eine gewaltige Menge an Legenden zusammengetragen (3), die oftmals Erstaunliches zu Texten des »Alte Testaments« zu bieten haben.
Foto 1: Adam und Eva an der »Adamspforte«, Dom zu Bamberg |
Louis Ginzberg lehrte über ein halbes Jahrhundert rabbinische Wissenschaft am »Jewish Theological Seminary« in New York. Ginzberg, von 1902 bis zu seinem Tode 1953 Professor für Talmud, verfasste hunderte Fachbücher. Der Gelehrte gilt mit Recht als einer der wirklich großen Gelehrten im Bereich jüdischer Überlieferungen. Aus seinem überreichen Fundus »Legendes of the Jews« destilliere ich einige konkrete Angaben, die man in den Texten des »Alten Testaments« vergeblich suchen wird.
»Gott schuf die Himmel und die Erde ganz am Anfang.« vermeldet die Peschitta-Übersetzung. Nach den Legenden der Juden war die Erde nicht der erste Planet, den Gott schuf. Vor Planet Erde entstanden andere Welten (4): »Auch ist diese Welt, die der Mensch bewohnt, nicht eines der ersten Dinge, die Gott schuf. Er machte einige andere Welten vor der unseren, aber er zerstörte sie alle, weil ihm keine gefiel, bevor er die unsere schuf.« Ja auch Planet Erde wäre von Gott zerstört worden, hätte er nicht Gnade vor Recht ergehen lassen. Unser Heimatplanet ist eine von sieben Welten (5), heißt »heled«. Die anderen Welten waren »erez«, »adamah«, »arka«, »harabah«, »yabbashah« und »tebel«.
Foto 2: Foto 2: Gott, der Schöpfer. Buchmalerei, Toledo um 1530 |
Louis Ginzberg hat eine gewaltige Flut jüdischer Legenden zunächst gesammelt und dann in »nur« sechs Textbänden zusammengefasst. Fast sein ganzes Leben hat der Gelehrte an diesem Mammutprojekt gearbeitet. Er zog eine kaum vorstellbare Masse an uralten Überlieferungen heran. Als Quellen dienten ihm Texte in Altslawisch, Aramäisch, Arabisch, Äthiopisch, Griechisch, Hebräisch, Lateinisch und Persisch.
Schon Ende der 1970-er Jahre habe ich versucht, Ginzbergs Quellen auf den Grund zu gehen. Es ist mir aber leider nicht gelungen, auch nur eine der Sagen in »ungekürzter Langfassung« ausfindig zu machen, die Louis Ginzberg so kompakt zusammengefasst hat. Ich vermute sehr stark, dass die ungekürzte Fassung der Legenden so manche Legende im Detail verständlicher machen und heftige Diskussionen über das Wissen der Altvorderen auslösen würde.
Louis Ginzberg konnte 1909 manches nicht verstehen, weil ihm unser heutiges Wissen zum Beispiel über fremde Sterne und ihre Planeten fehlte. Er war eine Koryphäe auf dem weiten Feld des Talmuds. Er kannte sich in der Welt der Legenden der Juden aus wie kaum ein zweiter Zeitgenosse. Aber er interpretierte altüberlieferte Texte theologisch-mythologisch.
Foto 3: Der Weltenschöpfer, Bildausschnitt, Toledo um 1530. |
Louis Ginzberg fehlte unser heutiges Wissen. Er hatte also keine Chance, fortschrittliches Wissen in uralten Texten zu erkennen. Heutigen Theologen indes steht sehr konkretes Wissen zur Verfügung. Heutige Theologen könnten sich zum Beispiel über die Entdeckung erdähnlicher Planeten, die in fernen Sternensystemen um ihre Muttersonnen kreisen, informieren. Solche Planeten werden in unseren Tagen immer wieder entdeckt. Je präziser und ausgereifter die Möglichkeiten, ferne Sterne zu observieren sind, desto mehr Planeten werden entdeckt. Freilich beziehen heutige Theologen das Wissen um fremde Welten bei ihren Textinterpretationen nicht mit ein. Sie beschränken sich darauf, die alten Texte theologisch zu erklären und kommen wohl gar nicht auf die Idee, dass womöglich vor Jahrtausenden ferne Planetenwelten beschrieben wurden. Sie sind also heute nicht weiter als Louis Ginzberg, als er 1909 den ersten Band seines »Magnum Opus« publizierte.
Und ich, das muss ich zugeben, bin Ende 2019, also 110 Jahre nach Erscheinen von Band 1 der »Legends of the Jews«, mit meinen Recherchen auch nicht wirklich viel weiter gekommen als ich schon anno 1981 war. Damals trug ich mögliches kosmisches Wissen der »alten Juden« für die Monatszeitschrift »ESOTERA« zusammen. »ESOTERA« veröffentlichte kurz nach Erscheinen meines ersten Buches die Ergebnisse meiner Textstudien in zwei Beiträgen, betitelt »Engel im Orbit« und »Freizeitspaß der Götter« (7).
Die »Legenden der Juden« erzählen eine Geschichte, wie sie fantastischer nicht sein könnte. Demnach durfte Adam nach der Vertreibung aus dem Paradies mehrere fremde Planeten besuchen. Ob es sich um Trabanten unserer Sonne oder ferner Sterne handelte, darüber kann man nur spekulieren. Wie dem auch sei: Nimmt man die Legenden so wie sie überliefert wurden, dann besuchte Adam fremde Planeten. Louis Ginzberg fasst zusammen (8): »Als Adam aus dem Paradies verbannt worden war, erreichte er zunächst die niedrigste der sieben Erden, ›erez‹, die finster ist, ohne einen Lichtstrahl und vollkommen unbewohnt. Adam war entsetzt, vor allem wegen der Flammen des sich immerwährend drehenden Schwertes, das auf dieser Erde ist.«
Was mag mit diesem sich immerwährend drehenden Flammenschwert gemeint sein? Ist das Bild dem Hirn eines phantasiebegabten Menschen entsprungen? Oder wird ein reales Naturphänomen beschrieben, vergleichbar mit dem berühmten »Auge des Jupiter«? Lange konnten sich irdische Astronomen den roten Fleck auf dem Jupiter nicht so recht erklären. Heute wissen wir, dass ein riesiger Wirbelsturm mit dem Durchmesser der Erde für das Schauspiel verantwortlich ist. Der Sturm tobt schon seit Jahrtausenden. Er wird erst seit etwa zweihundert Jahren von der Erde aus beobachtet. Sah Adam auf »erez« etwas Vergleichbares?
Seit Jahrzehnten studiere ich die »Legenden der Juden. Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass sie zum Teil erstaunliches Wissen enthalten. Dieses Wissen wurde über Jahrhunderte weitergereicht. Es wurde weiter und weitererzählt, ohne das alle Aussagen verstanden wurden. Wir können heute versuchen, Unverstandenes zu verstehen. Voraussetzung freilich ist die Bereitschaft anzuerkennen, dass alte Legenden womöglich »modernes« Wissen enthalten können, das einem Kenntnisstand entspricht, den nach herkömmlichem Bild von der Vergangenheit des Menschen damals noch gar nicht vorhanden gewesen sein kann.
Foto 7: Planet Erde, Detail aus einer Buchmalerei, Toledo um 1530. Fotocollage/ Gespiegelt. |
Lassen wir die »Legenden der Juden« zu Wort kommen (9):»Gott führte ihn (Adam) zur zweiten Erde, zu ›adamah‹, dort gibt es Licht, das von ihrem eigenen Himmel reflektiert wird.« Sollten hier reale Verhältnisse beschrieben werden, die auf einem fremden Planeten herrschten? Die Aussage ist kurz und bündig. Sie wird in der Legende nicht näher erläutert. Das erschwert eine Interpretation. Es kann nicht mit Sicherheit erklärt werden, wie es zum beschriebenen Phänomen kam. Fakt ist: Die Reflexion des Lichts kann naturwissenschaftlich erklärt werden.
Ein mögliches Szenario: Durch einen Vulkanausbruch ist viel Materie in die Atmosphäre eines Planeten gelangt, das Licht der Sonne dieses Planeten wird von der Atmosphäre reflektiert. »wetter.de« berichtet, dass es auf Planet Erde in historischen Zeiten zu so einer Reflexion des Sonnenlichts gekommen ist (10):
»Der größte Ausbruch, der jemals von Menschen dokumentiert wurde, ereignete sich 1815 auf der indonesischen Insel Sumbawa. Der Vulkan Tambura schleuderte 150 km³ Gesteinsmasse in die Atmosphäre und der Staubschleier verursachte durch die Rückstreuung des Sonnenlichts einen globalen Temperatursturz um 3 Grad im Folgejahr. Das Jahr 1816 verlief dadurch insbesondere in weiten Teilen Nordamerikas und Europa außergewöhnlich kühl und ist als ›Jahr ohne Sommer‹ in die Geschichtsbücher eingegangen.«
Über die Temperaturen, die auf »adamah« herrschten, verraten uns die von Louis Ginzberg zusammengefassten Legenden nichts. Wir erfahren nur, dass das Licht von der Atmosphäre reflektiert wurde. Deshalb erschienen Sterne und Sternbilder auf »adamah« (anders als etwa auf der Erde) nicht in strahlendem Glanz, sondern nur noch ähnlich wie »Phantome« (11).
Als »phantom-ähnlich« werden auch die Bewohner von »adamah« beschrieben, die auf ihrem Planeten kein paradiesisches Leben führten. Die Ernährung muss bescheiden gewesen sein. Die auf »adamah« lebenden Wesen besuchten regelmäßig unsere Erde.
Foto 8: Planet Erde, Detail aus einer Buchmalerei, Toledo um 1530. Fotocollage/ Gespiegelt. |
Fußnoten
(1) »The Holy Bible from Ancient Eastern Manuscripts containing the Old and New Testaments translated from the Peshitta, the Authorized Bible of the Church of the East by George M. Lamsa«, A. J. Holman Company, Philadelphia, USA, 9. Auflage 1957, Seite 7, linke Spalte oben
(2) Genesis, chapter 1,1: »God created the heavens and the earth in the very beginning.«
(3) Ginzberg, Louis: »The Legends of the Jews« 6 Text-Bände und der Index-Band, veröffentlicht von der »Jewish Publication Society of America«, Philadelphia 1909–1938, Taschenbuchausgabe, Baltimore 1998. Die zahlreichen Fußnoten bei Ginzberg sind nicht wirklich hilfreich. Zudem sind sie in der gängigen Taschenbuchausgabe so winzig gedruckt, dass man sie kaum entziffern kann.
(4) Ebenda, Band 1 »From the Creation to Jacob«, Seite 4, Übersetzung Walter-Jörg Langbein.
(5) Ebenda, Seite 10. Übersetzung Walter-Jörg Langbein.
(6) Ebenda, Seiten 113-115: »The inhabitants of the seven earths« (»Die Bewohner der sieben Erden«). Übersetzung Walter-Jörg Langbein.
(7) »Engel im Orbit«, »ESOTERA«, Freiburg im Breisgau, Juni 1981, Seiten 543-550. »Freizeitspaß der Götter«, »ESOTERA«, Freiburg im Breisgau, Juli 1981, Seiten 649-654.
(8) Ginzberg, Louis: »The Legends of the Jews«, veröffentlicht von der »Jewish Publication Society of America«, Taschenbuchausgabe, Baltimore 1998, Band 1, Seite 113. Übersetzung Walter-Jörg Langbein.
(9) Ebenda, Seite 113, 7.-9. Zeile von unten. Übersetzung Walter-Jörg Langbein. Originaltext: »God led him (Adam) to the second earth, the Adamah, where there is light reflected from its own sky.«
(10) https://www.wetter.de/cms/klimafaktor-vulkanausbruch-so-koennen-vulkane-das-klima-beeinflussen-2207716.html (Stand 18.11.2019)
(11) Ginzberg, Louis: »The Legends of the Jews«, veröffentlicht von der »Jewish Publication Society of America«, Taschenbuchausgabe, Baltimore 1998, Band 1, Seite 113, 6. Und 7. Zeile von unten. Übersetzung Walter-Jörg Langbein. Original: »phantom-like stars and constellations«.
Zu den Fotos
Foto 1: Adam und Eva an der »Adamspforte«, Dom zu Bamberg. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Gott, der Schöpfer. Buchmalerei, Toledo um 1530. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Der Weltenschöpfer, Bildausschnitt, Toledo um 1530. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Fotos 4 und 5: Adam und Eva, 12. Jahrhundert. Fotos Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Planet Erde, Detail aus einer Buchmalerei, Toledo um 1530. Fotocollage/ Gespiegelt. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Planet Erde, Detail aus einer Buchmalerei, Toledo um 1530. Fotocollage/ Gespiegelt. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Planet Erde, Detail aus einer Buchmalerei, Toledo um 1530. Fotocollage/ Gespiegelt. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
520. »Adam reist zu fremden Planeten«,
Teil 520 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 05. Januar 2020
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