Sonntag, 30. August 2020

554. »… und ich sah ein großes Licht bis in den sechsten Himmel hinunterscheinen.«

Teil 554 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Apostel Paulus (Ikone)
Nach dem 2. Korintherbrief, wurde Paulus in den 3. Himmel, ins Paradies, entrückt. In der »Apokalypse des Paulus« von Nag Hammadi gelangt Paulus auch in den dritten Himmel, vom Paradies ist da aber nicht die Rede. Paulus passiert den dritten Himmel, was nur in einem Nebensatz erwähnt wird. Dann geht es gleich weiter in den vierten Himmel (1): »Ich sah aber im vierten Himmel die einzelnen Geschlechter: Ich sah die Engel, wie sie Gott glichen;«

Die Zustände im 4. Himmel sind fantasiereich ausgeschmückt worden. Da werden Seelen aus dem Lande der Toten herbeigeschafft und von den Engeln für ihre Sünden ausgepeitscht. Sündige Seelen werden »hinabgeworfen«. Da klingt, meine ich, die Vorstellung einer Reinkarnation an (2): »Als die Seele diese Dinge gehört hatte, blickte sie zu Boden; sie war beschämt. Und dann blickte sie nach oben und wurde hinabgeworfen. Die Seele, die hinabgeworfen wurde, kam in einen Körper, der für sie bereitet worden war.« Diese Vorstellung von Reinkarnation findet sich auch im 4. Buch Esra (3), wird da aber sehr viel ausführlicher geschildert. Das 4. Buch Esra entstand im 1. Jahrhundert n.Chr. Die große Ähnlichkeit der in beiden Schriften verwendeten plastischen Bilder deutet meiner Meinung nach auf eine Entstehung beider Texte in der gleichen Zeit hin. Demnach dürfte es die »Apokalypse des Paulus« bereits im 1. Jahrhundert n.Chr. gegeben haben.

Die himmlische Reise wurde fortgesetzt (4): »Und ich sah einen großen Engel im fünften Himmel, der einen eisernen Stab in seiner Hand hielt; es waren drei weitere Engel bei ihm, und ich blickte in ihre Gesichter. Sie aber wetteiferten miteinander; mit Peitschen in ihren Händen trieben sie die Seelen zum Gericht.«

Vom sechsten Himmel aus sah Paulus etwas (5): »Dann kamen wir hinauf zum sechsten Himmel. … Und ich blickte hinauf zur Höhe und ich sah ein großes Licht bis in den sechsten Himmel hinunterscheinen.«

Foto 2: Auch Paulus wurde »entrückt«
(Illustration aus einer Bibelhandschrift 
um 850 n.Chr., künstlerisch
umgestaltete Collage).


Bei einer solchen Textpassage schlägt natürlich das Herz des Präastronautikers höher. Paulus wird in den Himmel (präastronautisch-modernisiert: ins All) hinauf gebracht. Schließlich erspäht er hoch oben »ein großes Licht«.

Erinnern wir uns an die mysteriöse »Apokalypse des Abraham« (6). Da wird der junge Abraham von zwei himmlischen Besuchern kontaktiert. Abraham ist schockiert. Er weiß gar nicht, wo er hinschauen soll. »Nicht eines Menschen Atem war’s« (7) heißt es von einem der Besucher. Das deutet auf nichtirdisches Leben hin. Weiter heißt es über einen der Fremden (8) »in eines Mannes Ähnlichkeit«. Dieser Besucher (Jaoel, andere Schreibweise: Javel) sah also menschenähnlich aus, war aber doch kein Mensch.

Schließlich wird der junge Abraham »entrückt«, er tritt eine »Luftreise« an (9): »Und es geschah bei Sonnenuntergang, da gab es Rauch wie Rauch aus einem Ofen. … So trug er mich bis an der Feuerflammen Grenzen. Dann stiegen wir hinauf, so wie mit vielen Winden, zum Himmel, der da ob dem Firmament war.«

Der junge Abraham wird also immer höher und höher in den Himmel entrückt, bis er eine fantastisch anmutende Beobachtung macht. Noch einmal lassen wir den Augenzeugen Abraham aus der Abrahamapokalypse zu Wort kommen und vergleichen damit die Aussage der »Apokalypse des Paulus«.

Abraham (10): »Ich sehe in der Luft auf jener Höhe, die wir bestiegen, ein mächtig' Licht, nicht zu beschreiben, und in dem Licht ein mächtig Feuer.«
Paulus: »Und ich blickte hinauf zur Höhe und ich sah ein großes Licht bis in den sechsten Himmel hinunterscheinen.«

Die Vermutung liegt nahe, dass Abraham und Paulus auf ihrer Himmelsreise das gleiche »mächtige Licht« in großer Höhe gesichtet haben. Beide reisen, begleitet von einem Engel begleitet, empor zu diesem mächtigen Licht. Im siebten Himmel wird Abraham von einem alten, weiß gekleideten Mann befragt. Wer war dieser alte Mann? Er saß auf einem Thron, der (11) »war siebenmal heller als die Sonne«.

Foto 3: Paulus
Natürlich kann man mit etwas präastronautischer Fantasie in den Himmeln Raumstationen sehen, von denen Paulus einige besucht hat (12): »Und dann öffnete sich der siebte Himmel und wir kamen hinauf zu der Achtheit. … und wir kamen hinauf in den neunten Himmel. Ich grüßte alle die, die sich im neunten Himmel aufhielten. Und wir kamen hinauf in den zehnten Himmel. Und ich grüßte meine Mitgeister.«

Der Text der »Apokalypse des Paulus« ist Teil der altehrwürdigen Bibliothek von Nag Hammadi. In der »wissenschaftlichen Literatur« wird diese Textsammlung allgemein als »NHC« geführt. Theologen halten es für besonders wissenschaftlich, ihre Texte durch möglichst massiven Gebrauch von Abkürzungen möglichst schwer lesbar zu machen. Wer Abkürzungen, die in theologischen Werken Verwendung finden, im Internet nachschlägt, stellt häufig fest, dass die von Theologen genutzten Abkürzungen eigentlich schon »besetzt« sind. So steht »NHC« zum Beispiel für das »National Hurricane Center«. In diesem Zentrum, ansässig in Miami, Florida, werden tropische Wirbelstürme beobachtet und nach Möglichkeit wird zu berechnen versucht, wie sie sich weiterentwickeln und welche Regionen sie demnächst heimsuchen werden.

»NHC« hat schon manches Leben gerettet. Mancher, der auf einer der Inseln der ostfriesischen Küste Urlaub machte und dringend eines Notarztes bedurfte, wurde von »NHC« gerettet. Jetzt verbirgt sich hinter der Abkürzung »NHC« allerdings das in Emden ansässige Luftfahrtunternehmen »Northern HeliCopter GmbH«, das auch für die Offshore-Windindustrie in Nord- und Ostsee zuständig ist.

Foto 4: Apostel Paulus (Ikone)
Für Theologen allerdings steht »NHC« für »Nag Hammadi Codex«. Die »Apokalypse des Paulus« wird als »NHC V,2« geführt. »NHC V,2« ist ein kurzer Text mit einigen Beschädigungen, aber sehr viel besser als andere Texte aus der Bibliothek, deren Manuskripte ganz erhebliche »Löcher« und somit textliche Lücken aufweisen. Bedingt durch die nicht gerade perfekte unterirdische Lagerung über einen Zeitraum von fast zwei Jahrtausenden sind bei manchem der Texte manche Worte kaum oder gar nicht mehr zu entziffern, was wiederum zu Textlücken führt. »NHC V,2« ist vergleichsweise sehr gut lesbar.

»NHC« bietet wenig konkrete Angaben zur Entrückung des Paulus. Über seine Reise in immer höhere Sphären ist so gut wie nichts Näheres zu erfahren, nur dass es eben immer höher und höher geht. Zwischendurch scheint Paulus seine auf der Erde verbliebenen Mitapostel – wie auch immer – zu sehen. Im Kern besteht der Text der »Apokalypse des Paulus« aus einer Entrückung eines Menschen in immer größere Höhen des Himmels (Weltalls?), angereichert durch theologische Ergüsse. Wir können sie nach fast zwei Jahrtausenden nicht mehr wirklich verstehen.

Foto 5: Buchcover von Dr.
Zürners wichtigem Buch
Dr. Bernhard Zürner (*1931) hat zwei Bücher über Paulus geschrieben (13). In beiden Werken erweist sich als Theologe von Rang, mit zwei Büchern, die es verdient hätten, zum Klassiker zu werden. Mit detektivischem Spürsinn geht Dr. Bernhard Zürner dem historischen Paulus auf den Grund und offenbart Tatsachen, die Theologen oftmals nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Wer sich fundiert mit dem »Neuen Testament« auseinandersetzen will, der kommt an diesen Büchern nicht vorbei. Wer sich seriös über die Geschichte des Christentums informieren will, der muss diese Meilensteine der Theologie lesen. Beide Bücher sind spannend, packend, explosiv und sollten von jedem Theologiestudenten verschlungen werden. Es sind zwei Perlen theologischer Literatur, verfasst von einem Theologen, der keine Angst vor heißen Eisen hat.

Dr. Bernhard Zürner hält schon den kurzen Text über die Himmelsreise des Paulus im »Neuen Testament« (14) für keinen echten Erlebnisbericht. Vielmehr, und da sieht er sich im Konsens mit einschlägigen Forschern, basierten Pauli Entrückungsdaten auf zeitgenössischem Hintergrund. Dr. Bernhard Zürner erkennt (15), dass es diverse Entrückungsberichte diverser Autoren gab, die Paulus beim Abfassen seines Textes als Vorlage dienten. So nennt Dr. Bernhard Zürner eines der wichtigsten Kapitel seines Buches (16) »Himmlisches nach Vorlage«. Er kommt zu einem eindeutigen Ergebnis (17): »Da niemand nach Vorlage erleben kann, muß er das Erlebnis nach Vorlage fingiert haben; nicht nur als Entrückter, auch als Entrückungsliterat hat er sich nicht besonders anstrengen müssen.« Dr. Bernhard Zürner hält die »Apokalypse des Paulus« so schreibt er weiter, ebenso für fiktiv.

Unbekannte Verfasser, so Dr. Bernhard Zürner, hätten (18) »Pauli Paradiesentrückung weiter ausgemalt«. Mit anderen Worten: Paulus griff auf Vorlagen zurück, um seinen kurzen Text zu formulieren. Und andere Autoren schmückten den Text des Paulus noch weiter aus und schufen die »Apokalypse des Paulus«.

Foto 6:  Papyrus 46
mit einigen Versen aus dem
2. Korintherbrief. Foto wiki commons,
gemeinfrei
Ich neige auch zu der Annahme, dass Paulus keine »Entrückung« am eigenen Leibe erfahren hat. Es gab aber meiner Überzeugung Jahrtausende zuvor echte Entrückungen, sei es in ferne Länder, sei es in den Himmel. Auf Beschreibungen solcher Ereignisse hat Paulus oder ein unbekannter Verfasser zurück gegriffen. Darauf weist auch hin, dass im 2. Korintherbrief die Beschreibung der Entrückung in der dritten Person erfolgt, während im restlichen Text der Verfasser in der ersten Person schreibt.
Ich glaube nicht, dass Paulus aus übertriebener Bescheidenheit ein eigenes Erlebnis einem Namenlosen zuschreibt. Paulus trat ja auch sonst nicht gerade bescheiden auf, sondern hat gern seine große Bedeutung für die junge Christenheit unterstrichen.

Dr. Bernhard Zürner konstatiert (19): »Das heidnische Muster, das er benutzte und recht genau einhielt, brauchte er nur … abzuändern.« Paulus (oder sein »Ghostwriter«) hat, davon bin ich überzeugt, sehr viel ältere Texte gekannt und deren Muster strikt folgend seinen »Entrückungsbericht« verfasst. Im Gegensatz zu Dr. Zürner, den ich menschlich wie fachlich sehr schätze, glaube ich, dass der fiktiven Entrückung des Paulus sehr viel ältere reale Begebenheiten zugrunde liegen, die wirklich physisch erfolgt sind.


Foto 7: Auch Paulus wurde »entrückt«
(Illustration aus einer Bibelhandschrift um 850 n.Chr.)
Farblich verändert/ Collage/ Montage
Fußnoten
(1) Lüdemann, Gerd und Janßen, Martina: »Bibel der Häretiker/ Die gnostischen Schriften aus Nag Hammadi«, Stuttgart 1997, Seite 285, »Das Seelengericht«
(2) Ebenda, Seite 285, 26.-29. Zeile von oben
(3) 4. Buch Esra Kapitel 7, Verse 75-101
(4) Lüdemann, Gerd und Janßen, Martina: »Bibel der Häretiker/ Die gnostischen Schriften aus Nag Hammadi«, Stuttgart 1997, Seite 286, 1.-5. Zeile von oben
(5) Ebenda, Seite 286, 7., 9. Und 10. Zeile von oben
(6) Philonenko-Sayar, Belkis und Philonenko, Marc: »Die Apokalypse Abrahams«, erschienen als »Band V Lieferung 5« der Buchreihe »Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit«, Gütersloh 1982
Rießler, Paul: »Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel übersetzt und erläutert von Paul Rießler«, Augsburg 1928, Seiten 13-39
(7) Rießler, Paul: »Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel übersetzt und erläutert von Paul Rießler«, Augsburg 1928, Ebenda, Seite 20, 10. Kapitel,1+2
(8) Ebenda, Seite 21, X, 5
(9) Ebenda, Seite 25, XV 1, 4 und 5
(10) Ebenda, Seite 25, XV, 6
(11) Lüdemann, Gerd und Janßen, Martina: »Bibel der Häretiker/ Die gnostischen Schriften aus Nag Hammadi«, Stuttgart 1997, Seite 286, 17. Zeile von oben
(12) Ebenda, Site 287, 8.-1 Zeile von oben
(13) Zürner, Dr. Bernhard: »Die Pauluslegende/ Hundert Enthüllungen«, Ulm ohne Jahresangabe
Zürner, Bernhard: »Paulus ohne Gott«, Bonn 1996
(14) 2. Korintherbrief Kapitel 12, Verse 1-6
(15) Zürner, Dr. Bernhard: »Die Pauluslegende/ Hundert Enthüllungen«, Ulm ohne Jahresangabe
(16) Ebenda, »Himmlisches nach Vorlage«, Seiten 93-102
(17) Ebenda, Seite 97, 11.-8. Zeile von unten
(18) Ebenda, 4. Und 3. Zeile von unten
(19) Ebenda, Seite 101, 15.-13. Zeile von unten

Zu den Fotos
Fotos 1,3 und 4: Apostel Paulus war über Jahrhunderte hinweg ein beliebtes Motiv vieler Ikonen. Fotos Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Auch Paulus wurde »entrückt« (Illustration aus einer Bibelhandschrift  um 850 n.Chr., künstlerisch umgestaltete Collage). Foto Archiv Walter-Jörg Langbein.
Foto 5: Buchcover von Dr. Zürners wichtigem Buch. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein.
Foto 6:   Papyrus 46 mit einigen Versen aus dem 2. Korintherbrief. Foto wiki commons, gemeinfrei
Foto 7: Auch Paulus wurde »entrückt« (Illustration aus einer Bibelhandschrift um 850 n.Chr.) Farblich verändert/ Collage/ Montage


555. »Der Kardinal, der Biologe und der liebe Gott«,
Teil 555 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 06. September 2020



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Sonntag, 23. August 2020

553. »Paulus und die Bibliothek von Nag Hammadi«

Teil 553 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Auch Paulus wurde »entrückt«.
Illustration aus einer Bibelhandschrift,
entstanden um 850 n.Chr., für »Monstermauern, Mumien
und Mysterien« künstlerisch umgestaltet.

Von Paulus, da haben die Theologen keinen Zweifel, weiß das »Neue Testament« zu berichten, dass er »in den dritten Himmel entrückt« wurde. Aber steht dies wirklich so im kurzen Text des »Neuen Testaments«, auf den sich alle Theologen beziehen?

Dogmatiker der religiösen wie der wissenschaftlichen Art tun gern so, als seien sie im Besitz DER Wahrheit. Geistliche der drei großen monotheistischen Religionen verkünden mit demonstrativer Selbstsicherheit DIE Wahrheit. Dabei postuliert die Bibel durchaus manchmal nur mögliche Antworten.

Wissen wir wirklich, dass Paulus »entrückt« wurde? Geht das eindeutig aus dem kurzen Text im 2. Korintherbrief hervor?

Im »Neuen Testament« finden wir insgesamt dreizehn Briefe, die Paulus von Tarsus als Verfasser nennen. Nur sieben davon gelten als echt. Demnach hat Paulus den 1. Thessalonicherbrief, den 1. und 2. Korintherbrief, den Galaterbrief, den Römerbrief, den Philipperbrief und den Philemonbrief selbst geschrieben. Umstritten ist, ob der Kolosserbrief, der Epheserbrief und der 2. Thessalonicherbrief von Paulus selbst oder von einem seiner Schüler stammen.

Entstanden sind die Paulusbriefe in den Jahren 48 bis 61 n.Chr. Den 2. Korintherbrief hat Paulus gemeinsam mit seinem Schüler Timotheus im Jahr 56 n.Chr. geschrieben. Lesen wir im 2. Korintherbrief den kurzen Passus über die »Entrückung« (1):

Foto 2: Auch Paulus wurde »entrückt«.
Illustration aus einer Bibelhandschrift,
entstanden um 850 n.Chr., für »Monstermauern, Mumien
und Mysterien« künstlerisch umgestaltet.

»Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren – ist er im Leib gewesen? Ich weiß es nicht; oder ist er außer dem Leib gewesen? Ich weiß es nicht; Gott weiß es –, da wurde derselbe entrückt bis in den dritten Himmel. Und ich kenne denselben Menschen – ob er im Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht; Gott weiß es –, der wurde entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann.«

Etwas zeitgemäßeres Deutsch bietet die »Elberfelder Bibel«: »Ich kenne einen Menschen, der mit Christus eng verbunden ist. Vor vierzehn Jahren wurde er in den dritten Himmel entrückt. Gott allein weiß, ob dieser Mensch leibhaftig oder mit seinem Geist dort war. Und wenn ich auch nicht verstehe, ob er sich dabei in seinem Körper befand oder außerhalb davon – das weiß allein Gott –, er wurde ins Paradies versetzt und hat dort Worte gehört, die für Menschen unaussprechlich sind.«


Foto 3: Auch Paulus wurde »entrückt«.
Illustration aus einer Bibelhandschrift,
entstanden um 850 n.Chr., für
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
künstlerisch umgestaltet.
Paulus berichtet von einem Menschen, den er angeblich kennt, aber nicht benennt. Dieser Mensch wurde, so Paulus, »vor vierzehn Jahren« entrückt, also wohl im Jahr 42 n.Chr. Wer aber war der Mensch, der da »entrückt« wurde? Die Passage über die »Entrückung« wirkt fast wie ein Fremdkörper im Text. Warum schildert er das Erlebnis eines namenlosen Fremden? Während Paulus sonst immer in der Ich-Form schreibt, formuliert er hier in der dritten Person. Warum? Vielleicht aus Bescheidenheit? Will er sich nicht selbst des Erlebnisses der Entrückung rühmen und schreibt es deshalb einem Dritten zu? So kann man den Vers verstehen, den Paulus der Entrückungsstory voranstellt (2): »Gerühmt muss werden; wenn es auch nichts nützt, so will ich doch kommen auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn.«

Epiphanios von Salamis (* um 315; †403), Bischof von Konstantia (Salamis) auf Zypern, stellte eine Liste von 80 Lehren zusammen, die seiner Meinung nach im Widerspruch zu kirchlich-religiösen Glaubensgrundsätzen stehen. Er veröffentlichte das Ergebnis seines theologischen Sammlerfleißes als »Hausapotheke gegen die Schlangenbisse der Häresie«.

In Kapitel 38 attackiert Epiphanios von Salamis die Sekte der Kainiten, die Brudermörder Kain als ihren »Messias« ansehen. In diesem Kapitel erwähnt er ein (3) »kurzes Werk im Namen des Apostels Paulus, voll unaussprechlicher Gräuel, das die sogenannten Gnostiker verwenden und eine ›Himmelfahrt des Paulus‹ nennen.« In diesem Werk, so lesen wir weiter sei die Aussage des Apostels Paulus zu finden, »er sei in den Himmel aufgestiegen und habe unbeschreibliche Worte vernommen, die der Mensch vielleicht nie spricht.« Epiphanios von Salamis verurteilt »Himmelfahrt des Paulus« als Häresie, als Irrlehre.

Nach dem Kreuzestod Jesu entwickelte sich aus der Anhängerschaft des Mannes aus Nazareth eine kleine jüdisch-christliche Sekte, die sich zur christlichen Glaubensgemeinschaft mauserte. Es entstanden Texte über den jungen Glauben und man stritt heftig, was dem »wahren Glauben« entsprach und was als »böse Ketzerei« anzusehen war. Die Werke der »Ketzer« wurden wohl gezielt vernichtet oder verschwanden irgendwie spurlos. Über viele Jahrhunderte gab es so gut wie keine »ketzerischen« Texte mehr. Nur in den Angriffen auf Denken und Schreiben der »Ketzer« tauchten da und dort, wie im »Panarion des Epiphanius (Epiphanios)«, Zitate auf.

Aber dann fanden Bauern im Dezember 1945 in der Nähe des kleinen ägyptischen Ortes Nag Hammadi dreizehn in Leder gebundenen Papyrus-Kodizes. Die 53 Manuskripte wurden auf die erste Hälfte des 4. nachchristlichen Jahrhunderts datiert, ursprünglich verfasst wurden sie aber bereits im 1. und 2. Jahrhundert n.Chr. Wir wissen bis heute nicht, wer diese Bibliothek zusammengetragen hat. Waren es Anhänger einer jungen Gemeinschaft von Gnostikern? Oder sollten sie den Gegnern der frühen »Ketzer« als Anschauungsmaterial dienen, welche Lehren als Irrlehren zu gelten hatten?

 Vermutlich wussten damals viele Anhänger der jungen christlichen Kirche nicht wirklich, wer nun ein Rechtgläubiger und wer einer ketzerischen Sekte angehörte. Eine deutsche Gesamtübersetzung der Texte von Nag Hammadi liegt inzwischen in einem dickleibigen Band vor (5).

2020 n. Chr. gibt es offensichtlich unterschiedliche Ansichten, wie wahrer christlicher Glaube auszusehen hat. Kardinal Reinhard Marx (*1953) erregte mit seinem Bestseller »Freiheit« (4) in einer immer säkularer werden Welt Aufsehen. Kardinal Marx, bis 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, moniert, dass die Kirche im Laufe ihrer Geschichte nicht immer auf der Seite der Freiheit gestanden habe. Er will »Ballast über Bord werfen«. Für viele Zeitgenossen ist er ein Erneuerer der katholischen Kirche, für viele andere indes zerstört er den »wahren Glauben«.

Während sich Kardinal Marx sicher als getreuer Vertreter des wahren Katholizismus sieht, predigt er für andere eine Abkehr vom Evangelium, ja von Gott. Es wird die Befürchtung laut, dass mit dem Abwurf vermeintlichen »Ballasts« zentrale Lehren der katholischen Kirche aufgegeben werden. Die einen fordern angeblich längst überfällige Neuerungen wie die Abschaffung des Zölibats und die Zulassung der Priesterweihe für Frauen, für die anderen wäre das aber ein populistischer Verzicht auf zentrale Glaubensinhalte und Abkehr vom wahren katholischen Glauben. Meiner Meinung nach wird eine »Erneuerung« aus modisch-populistischen Gründen Kirche keineswegs attraktiver, sondern unglaubwürdiger machen.

Foto 4: Ein Textteilstück
aus der Bibliothek von Nag Hammadi.
In der gnostischen »Bibliothek« von Nag Hammadi fand sich »Die Apokalypse des Paulus« (6). Heute gilt für viele Paulus als der wahre »Vater« des Christentums, Tertullian war da ganz anderer Ansicht. Quintus Septimius Florens Tertullianus, kurz Tertullian (* nach 150; † nach 220), gilt als der erste lateinische Kirchenschriftsteller. In seiner Streitschrift »Adversus Marcionem« teilt er tüchtig gegen Marcion aus. Marcion, geboren im späten 1. Jahrhundert nach Christus, verstorben um 160 n.Chr., war noch im zweiten Jahrhundert ein einflussreicher Theologe, der die Entwicklung des Christentums als Kirche stark hätte beeinflussen können. Doch Marcions Lehren wurden schließlich als ketzerisch und irreführend verworfen. In (7) »Adversus Marcionem« bezeichnet Tertullian Paulus als »haereticoum apostulos«, also als »Apostel der Haeretiker«, als »Apostel der Ketzer« (8).

Ob es sich bei der »Apokalypse des Paulus« von Nag Hammadi um die von Epiphanios von Salamis als häretisch bezeichnete gnostische Schrift »Himmelfahrt des Paulus« handelt? Das mag, muss aber nicht so sein. Gerd Lüdemann und Martina Janßen (9): »Es ist prinzipiell davon auszugehen, daß mehrere verschiedene Paulusapokalypsen im Umlauf gewesen sind.« Ich glaube nicht, dass die »Apokalypse des Paulus« von Nag Hammadi identisch ist mit dem Text »Himmelfahrt des Paulus«, den Epiphanios von Salamis erwähnt. Nach Epiphanios fuhr Paulus hoch in den dritten Himmel, in der Paulusapokalypse die kosmische Reise im dritten Himmel erst richtig in Fahrt kommt und Paulus bis in den zehnten Himmel gelangt.

Im 2. Korintherbrief heißt es, dass ein Mensch (Paulus oder ein anderer) bis in den dritten Himmel entrückt worden sei. Paulus nennt nicht den Namen dieses Entführten und er gibt sich nicht als der Mensch zu erkennen, der »vor vierzehn Jahren« bis in den dritten Himmel geschafft wurde. Dort habe sich das Paradies befunden. Auch in der »Apokalypse des Paulus« geht es zunächst auch bis in den dritten Himmel, dann aber wird die kosmische Reise fortgesetzt (10): »Darauf entrückte der heilige Geist, der mit ihm gesprochen hatte, ihn nach oben bis in den dritten Himmel, und er schritt hindurch zu dem vierten Himmel.«

Fußnoten
(1) 2. Korintherbrief Kapitel 12, Verse 2-4 (»Luther Bibel 2017«)
(2) Ebenda, Vers 1
(3) Williams, Frank: »The Panarion of Epiphanius of Salamis/ Band 1 Sections 1-46«, 2., überarbeitete und erweiterte Ausgabe, Leiden und Boston, Dezember 2009, Seite 270, 38, 2,5
»The Panarion of Epiphanius of Salamis A Treatise Against Eighty Sects in Three Books«,  Buch 1, Sekten 1-46, basierend auf den Übersetzungen ins Englische von Frank Williams 1987-2009
https://think-and-discern.com/2015/02/27/panarion-of-epiphanius-of-salamis-book-1/
(Stand 30.05.2020)
(4) Marx, Reinhard: »Freiheit«, München 2020
(5) Lüdemann, Gerd und Janßen, Martina: »Bibel der Häretiker/ Die gnostischen Schriften aus Nag Hammadi«, Stuttgart 1997
(6) Ebenda, Seiten 281-287
(7) »Tertullian adversus Marcionem« 3,5,4
(8) Literaturempfehlung! Harnack, Adolf von: »Marcion. Das Evangelium vom Fremden Gott. Eine Monographie zur Geschichte der Grundlegung der katholischen Kirche. Neue Studien zu Marcion«, Nachdruck, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1985, Ersterscheinung Leipzig 1924
(9) Lüdemann, Gerd und Janßen, Martina: »Bibel der Häretiker/ Die gnostischen Schriften aus Nag Hammadi«, Stuttgart 1997, Seite 281, 20.+21. Zeile von oben. Die Rechtschreibung wurde unverändert übernommen und nicht nach der Rechtschreibeform verschlimmbessert.
(10) Ebenda, Seite 284, 9.-7. Zeile von unten


Zu den Fotos
Fotos 1-3: Auch Paulus wurde »entrückt«. Illustration aus einer Bibelhandschrift, entstanden um 850 n.Chr., für »Monstermauern, Mumien und Mysterien« künstlerisch umgestaltet. Fotos Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Ein Textteilstück aus der Bibliothek von Nag Hammadi. Foto wiki commons gemeinfrei.

554. »… und ich sah ein großes Licht bis in den sechsten Himmel hinunterscheinen.«,
Teil 554 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 30. August 2020



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Sonntag, 16. August 2020

552. »Paulus wurde entrückt und altindische Vimanas«

Teil 552 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Fotos 1 und 2:
Auch Paulus wurde »entrückt«
(Illustration aus einer Bibelhandschrift
um 850 n.Chr.).
(Freie künstlerische Gestaltung
der alten Vorlage!)
Von Paulus, da haben die Theologen keinen Zweifel, weiß das »Neue Testament« zu berichten, dass er »in den dritten Himmel entrückt« wurde (1). »Wie viele Himmel gibt es?« fragt Matthias Herrchen in seinem Werk »Das Buch vom Himmel« (2) und geht auf Entrückungen ein: »Eine andere vage Andeutung findet sich in Hebräer (Kapitel) 4, (Vers)14. Dort heißt es, dass unser Hohepriester Jesus die Himmel (Mehrzahl) durchschritten hat. Im Alten Testament steht das Wort für Himmel immer in der Mehrzahl.«

Wenn wir uns mit »Entrückungen« von Menschen in den Himmel (moderner ausgedrückt: Entführungen von Menschen ins All) beschäftigen, dann müssen wir uns vor Augen führen, dass die entsprechenden Texte bereits Interpretationen von wahrscheinlich sehr viel älteren Beschreibungen von mysteriösen Geschehnissen sind. Sie verraten uns Grundsätzliches, nämlich dass Menschen physisch in den Himmel (ins All?) geholt wurden.

In der Welt des »Alten Testaments« scheint die »Himmelfahrt« ein vertrautes Bild gewesen zu sein. Gott, so heißt es da, kam vom Himmel herab, wie es Moses als Augenzeuge beglaubigt: (3): »Da kam der HERR hernieder in einer Wolke und trat daselbst zu ihm. Und er rief aus den Namen des HERRN.« Und da fuhr Gott auch wieder empor in den Himmel, wie der Psalmist schreibt (4): »Gottes Wagen sind vieltausendmal tausend; der Herr ist unter ihnen, der vom Sinai ist im Heiligtum. Du bist aufgefahren zur Höhe…«

Himmelfahrten, so scheint mir, waren den Verfassern des »Alten Testaments« vertrauter als sich selbst Theologen vorstellen können. Mir scheint, dass die Autoren der Schriften des »Alten Testaments« Textfragmente aus älteren Zeitepochen übernahmen und in ihre Texte einfließen ließen, vermutlich ohne sich das Geheimnis einer »Himmelfahrt« vorstellen zu können. Offenbar haben sie diese Texte eingebaut, wenn es darum ging, die Macht und Herrlichkeit Gottes zu beschreiben.

Ich halte es für möglich, dass unbegreifbare Textfragmente dem einen oder anderen Autoren des »Alten Testaments« als besonders geeignet erschienen sind, um die Unfassbarkeit des Allmächtigen zu illustrieren. Sie wollten gewiss, dass ihre Leserinnen und Leser staunten. Das »Buch Daniel« entstand im zweiten Jahrhundert vor Christus, vermutlich während der akuten Verfolgung des Judentums durch Antiochos IV. (167–164 v. Chr.). Auch bei Daniel geht es um eine Himmelfahrt, die so fantastisch anmutete, dass sie der Autor vor über zwei Jahrtausenden nur als »Vision« für möglich und zumutbar halten konnte (5): »Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht.«

Das Thema »Himmelsreisen« ist bis heute nur unzulänglich erforscht. Hinweise auf solche Exkursionen gibt es ganz offensichtlich in sehr viel größerem Umfang als wir ahnen. Da gibt es zum Beispiel die »Himmelsreise der Nonne Anastasija« (6), von der »gegenwärtig mindestens vierzehn südslavische Textzeugen aus dem Zeitraum von 1380 bis 1812« existieren. Diese Texte »sind bislang nicht systematisch studiert worden, und eine Textedition fehlt noch immer«, stellt Julian Petkov fest (7). Die slavische Fassung weicht von byzantinischen Versionen ab und geht auf eine »verloren gegangene Vorlage« zurück. Gar nicht untersucht wurde, wann eine Urfassung der »Himmelsreise« entstanden sein mag, die sich ausschließlich auf die Beschreibung der Exkursion in hohe Gefilde beschränkte und nicht theologisch interpretierte. Auch scheint es keinem theologischen Wissenschaftler je in den Sinn gekommen zu sein, altslavische Texte wie »Der Kampf Michaels mit Satanael« wirklich gründlich zu erforschen.

Fotos 1 und 2:
Auch Paulus wurde »entrückt«
(Illustration aus einer Bibelhandschrift
um 850 n.Chr.).
(Freie künstlerische Gestaltung
der alten Vorlage!)
Da weigert sich Engel Satanael, sich vor dem Ur-Adam niederzuwerfen, so wie Gott das von ihm fordert. Satanaels Opposition gegen Gott wird subversiv. Satanael begnügt sich nicht mit Protest, er will so mächtig werden wie Gott selbst und verlässt mit einer eigenen Engelschar Gottes himmlisches Lager. 40.000 Dämonen schützen Satanael, der im Zentrum seines Lagers thront und eine eigene Schöpfung kreiert. Was ist gemeint, wenn der altslavische Text berichtet, Satanael habe »finstere Himmel« mit »finsteren Sternen« erschaffen? Sollte hier das Wissen um »schwarze Löcher« anklingen, das der Verfasser des altslavischen Textes nicht verstehen konnte?

»Der Kampf Michaels mit Satanael« mutet fantastisch an und bietet viel Material an, über das allenfalls spekuliert werden kann. Wir erfahren, dass Engel Michael gesandt wird, um Satanael zu bekämpfen. Es kommt zum kosmischen Kampf zwischen Michael und Satanael. Satanaels himmlisches Heer muss sich zurückziehen, Satanael allerdings ist nicht geschlagen. Michael gibt vor, sich auf Satanaels Seite zu schlagen und wird mit einem eigenen Thron für seinen vermeintlichen Verrat belohnt.

Gott selbst greift ein (8): »Auf Gottes Anordnung setzt die brennende Sonne das Reich des Antichrist in Brand, Michael wird aber durch eine unsichtbare Wolke beschützt. Beide sehen sich zum fluchtartigen Rückzug zu einem kühlen See gezwungen.« Satanael wir schließlich »mit Hilfe einer Eisdecke gefangengenommen«. Damit ist der kosmische Engelskampf nicht beendet. Satanael gelingt es, sich zu befreien. Er verfolgt Michael, der sich offenbar in himmlische Gefilde zurückzieht. Gott untersagt es Michael, Satanael zu töten.

Mich erinnern die Texte über Himmelsreisen an altindische Mythologien, die freilich sehr viel ausführlicher und konkreter über Himmelsreisen berichten.

Ende 1995 reiste ich mehrere Wochen durch Indien. Ich besuchte verschiedene Bibliotheken, in denen die »heiligen Bücher« des Landes aufbewahrt werden. Zu den interessantesten Texten gehört ohne Zweifel das »Vymaanika Shaastra«, dessen Urfassung nach Überzeugung von Gelehrten wie Professor Dr. Kumar Kanjilal (*1933) »Jahrtausende alt« sein soll.

Foto 3: Ein altindisches »Vimana« (nach Prof. Kanjilal).
Professor Dr. Kumar Kanjilal wurde im »Sanskrit College« von Kalkutta ausgebildet. Er studierte in Oxford und wurde Rektor des hoch angesehenen »Victoria College« von Coochbehar in Westbengalen. Der geachtete Wissenschaftler wurde zum Ehrenmitglied der »Asiatischen Gesellschaft« ernannt und erhielt einen Lehrstuhl an der Universität von Kalkutta. Professor Dr. Dileep Kumar Kanjilal  verfasste ein wichtiges Werk über die Flugapparate im alten Indien: »Vimana in Ancient India«.
    
Ich lernte den stets freundlichen, zierlich wirkenden Wissenschaftler von internationalem Rang erstmals anno 1979 kennen. Damals hielt er, wie auch ich, einen Vortrag auf der Weltkonferenz der »Ancient Astronaut Society« in München. Ich sprach damals über meine Arbeiten im Bereich der wortwörtlichen Übersetzung biblischer Texte.

Viele altindische Texte, so versicherte mir Prof. Kanjilal, berichten immer wieder, dass einst Götter zur Erde kamen, um die Menschen zu studieren. Um nicht aufzufallen, tarnten sie sich dabei als Menschen. Himmelsfahrzeuge,  »Vimanas« genannt,  waren nach den Berichten der alten Texte alles andere als selten. Allein in der Schilderung von Arjunas Reise durch zahlreiche himmlische Regionen und sternenreiche Gefilde des Firmaments wurden Hunderte von Himmelsschiffen gesichtet. Die Götter mit ihren riesigen Himmelsschiffen waren, so lauten uralte Überlieferungen, zumindest zeitweise verfeindet und kämpften mit fantastisch anmutenden Waffen. Klingen im Kampf zwischen Satanael und Michael, in den sich schließlich auch Gott einmischt, an kosmische Kriege vor Ewigkeiten?

Schon vor Jahrtausenden zogen riesige Weltraumstädte, sich um die eigene Achse drehend, durchs Universum. Ganze Völker mögen so die Reise in die Unendlichkeit angetreten haben. War es die Sehnsucht nach den Weiten des Alls, die die Bewohner fremder Welten die Reise antreten ließ? Oder wurden sie zu diesem Schritt gezwungen, weil ihr Heimatplanet durch eine Naturkatastrophe zu einem Atlantis des Weltalls geworden war?

Im altindischen Epos »Krsnayajuveda« wurden um 3000 v. Chr. ältere Textteile zu einem neuen Ganzen verwoben. Niemand weiß, wann die ältesten Vorlagen entstanden. Das »Krsnayajuveda« geht auf den kriegerischen Aspekt der Riesenstädte im All ein.

Mich erinnern die kosmischen Kämpfe zwischen Satanael, Michael und Gott an Kämpfe altindischer Götter, die wie Kriege im Weltall anmuten. So heißt es, dass der Sternenkrieger Rudra seine Geheimwaffe einsetzte, um andere, bis dahin als unüberwindbar geltende Weltraumstädte anderer Götter zu vernichten. Er feuerte einen mächtigen »Pfeil« ab, dem eine ganz besondere Kraft innewohnte. Sie bestand aus der »Hitze des Feuers« und den »Strahlen des Mondes«. Sollte es sich um eine reale (nukleare?) Waffe gehandelt haben? (9)

Selbst kundige Übersetzer der heiligen Sanskrittexte begehen, so Prof. Kanjilal, gravierende Fehler, wenn sie es nicht für möglich halten, dass schon vor Jahrtausenden riesige Weltraumstädte um die Erde kreisten. Prof. Kanjilal monierte, dass dann aus Kämpfen zwischen Weltraumstädten im All leicht Gefechte zwischen Städten auf der Erde werden. Übersetzer, die nichts von der Weltraumtechnologie der alten Götter wissen wollen, machen dann aus »Kämpfen in der Luft mit fliegenden Wagen« irdische »Kämpfe auf den Bergeshöhen mit Wagen«.

Foto 4: Ein weiteres altindisches Vimana
(nach Prof. Kanjilal).
Fußnoten
(1) 2. Korinther Kapitel 12, Verse 2-4, »Luther Bibel 2017«
(2) Herrchen, Matthias: »Das Buch vom Himmel«, Witten 2012, siehe Kapitel »Wie viele Himmel gibt es?«
(3) 2.Buch Mose Kapitel 34, Vers 5, »Luther Bibel 2017«
(4) Psalm 68, Vers 18 und 19, »Luther Bibel 2017«
(5) Daniel Kapitel 7, Verse 9-14, zitiert habe ich Vers 13, »Luther Bibel 2017«
(6) Petkov, Julian: »Altslavische Eschatologie: Texte und Studien zur apokalyptischen Literatur in kirchenslavischer Überlieferung«, Tübingen 2016, Seiten 246 und 247
(7) Ebenda, Seite 246, »Slavische Texte«
(8) Ebenda, Seite 298, »Die Plage der Sonne«
(9) Kanjilal, Prof. Dr. Dileep Kumar: »Vimana in Ancient India. Aeroplanes or Flying Machines in Ancient India«, Übersetzung aus dem Englischen von Julia Zimmermann, Bonn 1991, Privatdruck, Seiten 43 u. 44
Kanjilal, Prof. Dr. Dileep Kumar: »Fliegende Maschinen und Weltraumstädte im antiken Indien« in Fiebag, Johannes und Peter: »Aus den Tiefen des Alls«, Tübingen 1985, S. 127-147

Zu den Fotos
Fotos 1 und 2: Auch Paulus wurde »entrückt« (Illustration aus einer Bibelhandschrift um 850 n.Chr.). (Freie künstlerische Gestaltung der alten Vorlage!) Fotos Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Ein altindisches »Vimana« (nach Prof. Kanjilal). Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Ein weiteres altindisches Vimana (nach Prof. Kanjilal). Foto Archiv Walter-Jörg Langbein


553. »Paulus und die Bibliothek von Nag Hammadi«,
Teil 553 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 23. August 2020



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Montag, 10. August 2020

Marie Versini zum 80.!

Wenn je eine von Karl Mays Fantasiegestalten im Film lebendig wurde... dann Nscho-tschi, Winnetous Schwester. Marie Versini verkörperte im Film (»Winnetou I« und »Winnetou und sein Freund Old Firehand«) die schöne Indianerin in idealer Weise ... Sie war glaubhaft. Marie Versini war Nscho-tschi.

Geradezu schwärmerisch beschreibt Karl May die junge Frau (1): Sie »war schön, sogar sehr schön. Europäisch gekleidet, hätte sie gewiss in jedem Salon Bewunderung erregt... Ihr einziger Schmuck bestand aus ihrem langen, herrlichen Haare, welches in zwei starken, bläulich schwarzen Zöpfen ihr weit über die Hüften herabreichte.«

Karl Mays »Alter Ego« spart nicht mit Komplimenten (2): »›Nscho-tschi ist dein Name?‹ sagte ich. ›Ja.‹ - ›So danke dem, der ihn dir gegeben hat. Du konntest keinen passenderen bekommen, denn du bist wie ein schöner Frühlingstag, an welchem die ersten Blumen des Jahres zu duften beginnen.‹«


Karl Mays Romanwelt wird von starken Männern dominiert: im Orient ebenso wie im »Wilden Westen«. Mit Nscho-tschi schuf aber Karl May eine Gestalt, die so ganz und gar nicht in seine Zeit passte. Gewiss, Nscho-tschi pflegte den schwer verwundeten Old Shatterhand aufopfernd. Gewiss, Nscho-tschi verliebte sich in den Mann aus dem fernen Europa. Nscho-tschi war aber nicht ein hübsches Heimchen am Herd, sondern eine Gleichberechtigte in einer »Männerwelt«. Sie ritt mit den Kriegern, beherrschte den Umgang mit den Waffen wie die besten Krieger, war an den bedeutsamsten Entscheidungen beteiligt und diskutierte lebenswichtige Fragen.

Nscho-tschi erweist sich Old Shatterhand sogar überlegen: Karl Mays »Alter Ego«, der Europäer, vertritt mit einem Hauch von Arroganz das »überlegene Abendland«. Nscho-tschi aber macht ihm klar, dass die vermeintlichen »Wilden« Amerikas oftmals kultivierter als die »zivilisierten« Europäer und weißen Nordamerikaner sind.

Marie Versini spielte schon als kleines Mädchen Nscho-tschi... die sie als junge Frau im Film verkörperte. Gewiss, es gab Zeiten, da war Marie Versini nicht so glücklich, von ihren Fans nur als Nscho-tschi gesehen zu werden. Im Exklusiv-Interview für »Ein Buch lesen« sagte sie: »Das hat mich vor einigen Jahren schon ein bisschen geärgert. Schließlich habe ich ja noch viel mehr gespielt... auf der Bühne fast acht Jahre in der ›Comédie française‹ in Paris wo ich den klassischen Part der Naiven gespielt habe, von Molière bis zu Shakespeare. Und ich habe viele andere Filme gedreht wie zum Beispiel ›Zwei Städte‹ mit Dirk Bogarde, ›Paris Blues‹ mit Paul Newman und Luis Armstrong, ›Junge mach dein Testament‹ mit Eddie Constantine, ›Brennt Paris?‹ mit Jean Paul Belmondo, Alain Delon, Gert Fröbe, etc...«

Marie Versini weiter: »Später wurde mir bewusst: Es war eine große Chance mit einem Charakter identifiziert zu werden. In dieser Zeit, die so ein kurzes Gedächtnis hat, und so viele und vieles vergisst - da ist es schön, Nscho-tschi zu sein. Aber ich bin nicht nur Nscho-tschi...«

Es stimmt: Marie Versini triumphierte schon mit 17 (sie ist Jahrgang 1940) als jüngstes Mitglied der »Comédie Francaise« in Paris. Sie war die Cosette in Victor Hugos »Les Misérables«, die Agnés in Molieréres »L’Ecole des femmes« und Julia in Shakespeares »Romeo und Julia«, um nur einige ihrer großen Bühnenrollen zu nennen.

Sie stand – um einige ihrer prominenten Kollegen zu erwähnen – mit Louis Armstrong, Paul Belmondo, Dirk Bogarde, Eddi Constantine, Alain Delon, Gert Fröbe, Curd Jürgens und Christopher Lee vor der Kamera.

Vor mehr als 40 Jahren engagierte der französische Regisseur Pierre Viallet Marie Versini für die Rolle der Pianistin Clara Schumann. Marie Versini verliebte sich bei den Dreharbeiten in Pierre Viallet.. Die beiden heirateten. Kein Wunder, dass Clara Schumann neben Nscho-tschi ihre liebste Rolle ist!

In die Herzen von Millionen von Zuschauern hat sich Marie Versini als Nscho-tschi gespielt.

Karl-May-Leser wissen: Die blutjunge Nscho-tschi wurde vom Unhold Santer feige ermordet. Marie Versini aber lässt die edle Indianerin weiter leben... in ihren vorzüglichen Büchern »Rätsel um N.T.« und »N.T. geht zum Film«. Wer mehr über das Leben von Marie Versini erfahren möchte, lese ihr Buch »Ich war Winnetous Schwester«.

Zu Marie Versinis heutigem Geburtstag gratuliere ich, auch im Namen von »Ein Buch lesen«, 
von ganzem Herzen!

Liebe Marie, alles, alles Liebe und Gute Zum Geburtstag.... 
und überhaupt! 
Und herzlichen Dank für Deine Nscho-tschi. 
Ich bin sicher: Karl May hätte Dich lieb gewonnen!



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Sonntag, 9. August 2020

551. »Von der Pyramide in die Unterwelt«

Teil 551 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


»Monstermauern, Mumien und Mysterien« – ein Resümee von rund fünfzig spannenden Jahren (m)einer Reise zu den geheimnisvollsten Stätten unseres Planeten. 550 Folgen (m)einer Sonntagsserie. Nr. 1 erschien am 17. Januar 2010. Diese Zeilen schreibe ich am 21. Mai 2020, »Christi Himmelfahrt«.

Die Welt bereisen wollte ich schon als Kind, als ich Karl Mays wunderbare Werke förmlich verschlang. Ich wollte Abenteuer wie »Old Shatterhand« im fernen Amerika und wie »Kara Ben Nemsi« im Orient bestehen.

1968 wurde ich 1968 von der »Dänikenitis« (1) befallen. Kennzeichnend für die »Dänikenitis« sind Symptome, auf die ich auf keinen Fall verzichten möchte: Reisefieber steht da an erster Stelle. Nichts kann es wirklich stillen, und das ist gut so. Je mehr man reist, desto stärker wird es. Wer ihm nachgibt, dessen Sehnsucht wächst. Je mehr Mysterien man erforscht, desto mehr möchte man ergründen. Es ist, scheint mir, eine Art Sucht.

Ein weiteres Symptom: Wachsende Neugier auf das Unbekannte bei gleichzeitiger Ablehnung vorgekauten »Wissens«. Und: Der von Dänikenitis Befallene denkt lieber selbst und verlässt gern die ausgetretenen Pfade von »Vordenkern«. Ich selbst verdanke dem großartigen Erich von Däniken (*1935) rund fünfzig spannende Jahre. Von Ägypten bis Zentralamerika gibt es zahllose Monumente, die an der Richtigkeit der Geschichtsschreibung zumindest doch stark zweifeln lassen. Die monströsen Riesensärge von Sakkara zum Beispiel werde ich nie vergessen.

Foto 1: »Verloren« in der Wüste - die »Djoser Pyramide« (Sakkara).

Von der Djoser-Pyramide aus blickte ich hinaus in eine steinige Höllenglut von Wüste (2). Ein einheimischer Guide erklärte mir: »Überall gibt es noch unentdeckte komplexe unterirdische Anlagen ungeahnten Ausmaßes. Immer wieder werden neue Säle unter dem Wüstenboden ausfindig gemacht. Es ist schon vorgekommen, dass parkende Busse urplötzlich einbrachen und in einem unterirdischen Schlund zu versinken drohten. Zum Glück wurde dabei noch niemand verletzt! Es wurde mit großer Wahrscheinlichkeit erst ein kleiner Teil der unterirdischen Welt entdeckt!«

Prof. Hans Schindler-Bellamy (*1901; †1982) bestätigte: »Einst gab es im Wüstenboden ein Gewirr von zahllosen unterirdischen Gängen, Räumen und Sälen. Da wurde eine Unterwelt erschaffen, von deren Größe wir keine Vorstellung haben.« Auguste-Ferdinand-François Mariette (*1821;†1881) war eher zufällig in die Region von Sakkara gekommen. Ursprünglich wollte er Manuskripte aus der Frühzeit Ägyptens finden. Er gab aber frustriert auf und hoffte auf andere Sensationen. Würde er in den Gefilden von Sakkara Sphingen ausgraben können? Rücksichtslos setzte er Dynamit ein, um mit Gewalt einen Zugang zur Unterwelt von Sakkara zu finden. Tatsächlich hatte er Erfolg, hätte dabei aber leicht tödlich verunglücken können.

Foto 2: Von hier aus ging’s
zum Eingang in die »Unterwelt«.
Am 12. November 1851 tat sich der Boden unter Auguste Mariette im wahrsten Sinne des Wortes auf. Offenbar hatte er ein unterirdisches Gewölbe »entdeckt«. Die von ihm ausgelöste Detonation hatte ein Loch in eine steinerne Decke unter dem Wüstenboden gerissen. Auguste Mariette stürzte in die Tiefe. Wie durch ein Wunder blieb er unverletzt. Erst als sich der Staub gelegt und man Mariette eine Fackel gereicht hatte, erkannte er, wo er sich befand: in einer gewaltigen unterirdischen Gruft, im »Serapeum« von Sakkara. Aber war Mariette wirklich der »Entdecker« der fantastischen Unterwelt? Luc Bürgin (*1970), ein blitzgescheiter Schweizer Journalist, Publizist und Schriftsteller, hat ausgiebig recherchiert (3): »Ebenso umstritten bleibt, ob und wo der französische Abenteurer Paul Lucas (*1664; †1737) bereits über ein Jahrhundert vor Mariette dort unten herumkroch.«

Ich erinnere mich an meinen Besuch in Sakkara anno 1986. Die Hitze setzte mir arg zu, als ich die leider doch recht marode Pyramide von Sakkara umrundete. Ein schmächtiges Männlein mit gewaltigem Turban führte einen noch schmächtigeren kleinen Esel mit sich. Beide sahen aus, als wären sie einem Roman von Karl May entsprungen, sie waren aber real. Der Hüter des Esels war sichtlich enttäuscht, als ich mich weigerte, sein Grautier als Reittier zu nutzen. Ich wollte dem Tierchen nun wirklich nicht meine Last zumuten. Der Mann strahlte aber, als ich ihm das für einen Ritt geforderte kleine Trinkgeld zusteckte, ohne mich auf den armen Esel zu schwingen.

Mit einladenden Gesten forderte er mich auf, ihm zu folgen. Nach einem anstrengenden »Marsch« von höchstens einem Kilometer erreichten wir einen Eingang in die Unterwelt, der leicht zu übersehen war. Da ging es über eine Treppe in die Tiefe. Gut zehn Meter unter dem Wüstenboden schließlich standen wir vor einer schmalen Eisentür, die mein Führer mit wichtiger Miene und einem eisernen Schlüssel von beachtlicher Größe öffnete. Gestenreich erklärte mir der Mann den weiteren Weg.

Während sich meine Augen an die wohltuende Dunkelheit gewöhnten, tastete ich mich voran. Und plötzlich stand ich in einer fantastischen Welt, die ohne Probleme als Kulisse für einen SF-Film genutzt werden könnte. Vor mir dehnte sich ein imposanter Gang aus und verlor sich irgendwo in der Dunkelheit. Ich maß die Breite nach: gut drei Meter. Die Höhe schätzte ich auf bis zu zehn Meter. Ich schritt den Gang ab. Wie lang mochte er sein? Mindestens 180, vielleicht 210 Meter. Der gesamte Komplex dieser mysteriösen Galerie kam mir unwirklich vor.

Foto 3: Blick in die »Galerie«.

Ich ging in der Mitte des Gangs. Irgendwo flackerten zwei oder drei Glühbirnen auf. Ich folgte dem Gang weiter und blieb immer wieder stehen. Rechts und links erkannte ich Räume unterschiedlicher Größe. In 24 dieser Räume stand je ein riesiger steinerner Monstersarg. Manche dieser Särge sahen aus, als wären sie aus Beton. Man hatte, so schien es, die Verschalung erst kürzlich entfernt. Die meisten Särge hatten einen massiven Deckel, bei einigen fehlte er. Einige Sarkophage waren nach wie vor verschlossen. Bei einigen war der massive Deckel verschoben worden. Von wem? Von potenziellen Grabräubern? Beim einem der Monstersärge hatte man, wer und wann auch immer, ein Loch in die steinerne Kiste geschlagen, um in das Innere des Sarkophags zu gelangen. Vermutlich hoffte man im Inneren Kostbarkeiten zu finden, hatte es aber nicht geschafft, den tonnenschweren Deckel auch nur ein Stück zu entfernen. Vier der Räume der Galerie waren leer. Ich nehme an, dass auch hier Monstersärge aufgestellt werden sollten. Warum das aber unterblieb? Beendete man das fantastische Projekt vorzeitig?

Foto 4: Der aufgebrochene Sarkophag.
Mehr als eineinhalb Jahrhunderte nach Mariette erkundete ich die Unterwelt von Sakkara. Nach der glutheißen Wüstenhitze war es im muffigen Gang unter dem Wüstensand geradezu angenehm. Meine Taschenlampe machte es mir möglich, die Größe der Anlage mehr zu erahnen als zu erkennen. Ich tastete mich in einige der Kammern rechts und links des Gangs.

Die Monstersärge sind wirklich atemberaubend. Einen habe ich vermessen: Er war 3,85 Meter lang, 2,25 Meter breit und 2,50 Meter hoch. Die Sarkophagwand hatte oben eine Dicke von immerhin 43 Zentimetern. Verschlossen wurde die beeindruckende Riesenkiste aus Stein einst mit einem Monsterdeckel aus Stein, 62 Zentimeter dick. Nach vorsichtigen Schätzungen wiegt der Sarg mit Deckel rund achtzig, vielleicht sogar einhundert Tonnen.

Jeder dieser Riesensärge wurde aus einem einzigen Klotz aus härtestem Granit gefertigt. Der Steinbruch befindet sich in Assuan, rund 1.000 Kilometer entfernt. Warum machte man sich vor Jahrtausenden die Mühe, die monströsen Steinsärge 1.000 Kilometer in die Einöde der Wüste zu transportieren? Warum wurde die unheimliche Unterwelt nicht direkt bei Assuan geschaffen? Wie bugsierte man diese Steinmonster zehn Meter in die Tiefe, um sie in Räumen entlang eines Ganges zu deponieren?

Foto 5: Sarkophag ohne »Deckel«.

Als ich am 16. April 1986 im Serapeum staunend vor den steinernen Riesensärgen stand, da ahnte ich nicht, dass das Mysterium Serapeum weit größere Ausmaße hat als bis heute offiziell zugegeben wird. Noch einmal Luc Bürgin (4):  »Noch verwirrender: Im Gegensatz zur Fachliteratur soll das Serapeum insgesamt weitaus mehr Sarkophage bergen als offiziell bekannt. Genauer beziffert sagenhafte 40 bis 70 Stück, wie mir bereits vor etlichen Jahren von einheimischen Experten hinter vorgehaltener Hand zugeflüstert wurde. ›Längst nicht alle Gänge der Anlage sind heute für Touristen zugänglich.‹«


Foto 6: Sarkophag mit »Deckel«.

Luc Bürgin fantasiert nicht. Er hat einige der verheimlichten Monstersärge von Sakkara vor Ort in Augenschein genommen. Für ein üppiges Bakschisch schloss ein Hüter der Schlüssel ein rostiges Eisentor auf.  Für wenige Minuten durfte der sympathische Schweizer in einen Teil des unterirdischen Labyrinths eintreten, das sonst offiziell gar nicht zu existieren scheint. Keine Frage: Offensichtlich ist erst ein Teil des Serapeums bekannt. Besser gesagt: Vermutlich wurde bislang nur ein Teil der unterirdischen Anlage offiziell bestätigt und gezeigt, während weitere Teile – warum auch immer – geheim gehalten werden. Und vermutlich sind wiederum weitere Teile bis heute nicht entdeckt worden.

Foto 7: Ein »Nebenraum« der »Galerie«.

Ich vermute, dass der lange Gang mit den Räumen für die Riesensarkophage nur Teil eines komplexen Systems ist. Ich nehme an, dass es noch weitere Galerien gibt, die womöglich untereinander verbunden waren. Angeblich hat man, wie ich vor Ort gehört habe, Hinweise auf schmale Korridore entdeckt, die von der Galerie wegführten. Ein solcher Gang soll eingestürzt, ein zweiter nur ein kurzes Stück passierbar sein. Wohin man wohl gelangt, wenn man diese Gänge wieder passierbar macht? Zu weiteren Galerien? Zu weiteren Räumen mit weiteren Riesensarkophagen? Oder zu anderen Geheimnissen der Unterwelt von Sakkara?


Foto 8: Einer der Monstersärge, fotografiert um 1910.

Wirklich Geheimnisvolles aber vermag nur der zu erkennen, der dazu bereit ist einzugestehen, dass es Mysteriöses gibt. Leider glauben manche, es sei unwissenschaftlich zuzugeben, dass noch nicht alles wissenschaftlich erforscht wurde. Thomas Carlyle (*1795; †1881), schottischer Essayist und Historiker, rügte dieses Verständnis von »Wissenschaft«. Carlyle, der mit Goethe korrespondierte, brachte seine Kritik auf den Punkt: »Das wäre eine armselige Wissenschaft, die die große, tiefe, geheiligte Unendlichkeit des Nichtwissens vor uns verbergen wollte, über welcher alle Wissenschaft wie bloßer oberflächlicher Nebel schwimmt.« Wirkliche Wissenschaft ist vom Geheimnisvollen fasziniert. Wirkliche Wissenschaftler sehen die Existenz des Rätselhaften als Ansporn an, vorbehaltlos zu forschen, ohne auch nur eine einzige Antwort im Voraus auszuschließen. In diesem Sinne schrieb Justus Freiherr von Liebig (*1803; †1873): »Die Wissenschaft fängt eigentlich erst da an, interessant zu werden, wo sie aufhört.« Wirkliche Wissenschaft macht nicht irgendwo halt, sie kennt keine Dogmen. Sie ist stets bemüht, das noch Geheimnisvolle zu ergründen.

Wer wirklich sucht, muss anzweifeln. Diese Steinmonster gigantischen Ausmaßes, man nennt sie in der Literatur gewöhnlich »Sarkophage«. Diese Bezeichnung habe ich übernommen. Aber waren diese Steinkisten wirklich Särge (5)? Oder waren sie etwas ganz anderes? Und wenn sie keine Steinsärge waren, was waren sie dann?


Fußnoten
(1) Der Ausdruck »Dänikenitis« wurde 1968 von der »New York Times« kreiert.
(2) Siehe hierzu Langbein, Walter-Jörg: »Monstermauern, Mumien und Mysterien Band 3«, 2. Auflage, Alsdorf, August 2019, Kapitel 33 und Kapitel 34, Seiten 233-244
(3) Bürgin, Luc: »Die verheimlichten Sarkophage von Sakkara«, Artikel, erschienen in »mysteries« Nr. 4, Juli August 2019, Seiten 12-19, Zitat Seite 15, rechte Spalte, 10.-12. Zeile von oben
(4) Ebenda, 14.-19. Zeile von oben
(5) Vielen Dank, Roland Rambau, für den anregenden Kommentar bei facebook!



Zu den Fotos
Foto 1: »Verloren« in der Wüste - die »Djoser Pyramide« (Sakkara). Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Von hier aus ging’s zum Eingang in die »Unterwelt«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Blick in die »Galerie«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Der aufgebrochene Sarkophag. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Sarkophag ohne »Deckel«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Sarkophag mit »Deckel«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Ein »Nebenraum« der »Galerie«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Einer der Monstersärge, fotografiert um 1910. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein


552. »Paulus wurde entrückt und altindische Vimanas«,
Teil 552 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 16. August 2020



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Sonntag, 2. August 2020

550. »Zweimal Himmel und retour«

Teil 550 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Henoch wurde nach dem »Alten Testament«, nach dem Koran und nach apokryphen Texten von Engeln in höchste himmlische Gefilde und wieder retour gebracht. »Sepher Raziel Ha Malach«, das vielleicht geheimnisvollste Buch der Weltgeschichte, wurde von Engel Raziel aus himmlischen Gefilden zur Erde getragen.

In den Details gab und gibt es da unterschiedliche Textvarianten. Niemand weiß, wie viele Versionen verlorengegangen sind. Nach einer Überlieferung aus der rabbinischen Welt wollten einige eifersüchtige Engel verhindern, dass Adam durch das mysteriöse Buch zu geheimstem Wissen kommen würde. Sie stahlen es und schleuderten es ins Meer. Engel Rehab musste auf Befehl Gottes in die Tiefen tauchen, das Buch im Saphierstein bergen und Adam zurückgeben.

Foto 1: Entweder bekam Adam
das »Raziel-Buch« schon
im Paradies ausgehändigt...
(Koberger Druck 1493).
Widersprüchlich sind die Angaben in den alten Legenden zur Frage, wann denn Adam in den Besitz des Buches gelangt sein soll. War dies schon zu Zeiten, als Adam noch mit Eva im Paradies leben durfte? Oder erhielt Adam das »Sepher Raziel Ha Malach« erst nach der Vertreibung aus dem Paradies? Mir leuchtet Variante 2 besser ein. Warum sollte Gott Adam verbieten, vom Baum der Erkenntnis zu naschen, um ihm sozusagen gleichzeitig geheimstes Wissen in einem Wunderbuch anzuvertrauen?

Verschiedene Überlieferungen vermelden im Detail Widersprüchliches. War Adam nur 130 Jahre jung als ihm das in Saphir geschnitzte göttliche Wissen ausgehändigt wurde? Oder geschah dies erst ein halbes Jahrtausend später auf Adams flehentliches Jammern hin?

Das »Äthiopische Henochbuch« (1) dürfte spätestens in den letzten Jahrhunderten vor Christus entstanden sein. Ob es ein älteres »Urmanuskript« gegeben hat? Das mag sein, aber ein solches Manuskript wurde bis heute nicht gefunden. Vermutlich geht der umfangreiche Text auf mehrere Teilmanuskripte unterschiedlicher Verfasser zurück. Wir wissen nicht mit Sicherheit, in welcher Sprache die ältesten Texte einst verfasst wurden. War es hebräisch? War es aramäisch? Es geht um Engel, die Henoch zu Himmelsreisen einladen. Oder sollte man besser sagen, die ihn entführen? Wie oft war Henoch im Himmel? Es geht um astronomisches Wissen und um die »Weltgeschichte«. Gelegentlich mahnt Henoch, manchmal rügt er.

Das »Slavische Henochbuch« (2), gern als »2. Henoch« bezeichnet, gilt allgemein als etwas jünger. Meist wird eine nachchristliche Entstehungszeit angenommen. Auch vom »Slavischen Henochbuch« liegt nicht das Urmanuskript vor. Es wird viel spekuliert. Eine Fassung in kirchenslavischer Sprache liegt vor, bei der es sich – so wird vermutet – um eine Übersetzung aus dem Griechischen handeln könnte. Übereinstimmung herrscht freilich in dieser Frage keine. So hat man eine Rückübersetzung aus dem Slavischen ins Hebräische vorgenommen. Es kann sein, dass der Satzbau des »Slavischen Henochbuchs« ein Original in hebräischer Sprache nahelegt. Dann ist es womöglich zumindest in Teilen womöglich älter als gewöhnlich angenommen. Oder wurde der Text ursprünglich in griechischer Sprache verfasst? Hat der Schreiber nur hebräische »Hebraismen« eingebaut?

Wenn sich Theologen mit Henoch beschäftigen, dann verbannen sie seine Schilderungen von Himmelsreisen in den Bereich des Märchenhaften.

Foto 2: ... oder Adam erhielt
das mysteriöse Buch erst nach
der Vertreibung aus dem Paradies
(Koberger Druck 1493).
Das »Slavische Henochbuch« beginnt mit einer Entführung in den Himmel. Insgesamt absolvierte Henoch alias Idris aber zwei, vermutlich sogar mehrere Reisen von der Erde in den Himmel und wieder retour. Und Engel Raziel brachte »sein« Buch aus dem Himmel zur Erde. Über einzelne Begriffe in den rätselhaften Büchern wird diskutiert. Weisen sie auf einen Urtext in hebräischer Sprache hin? Oder legen sie die Vermutung nahe, dass der ursprüngliche Text in griechischer Sprache verfasst wurde. Theologisches Geplänkel gibt es viel, aber dass es womöglich reale Himmelsreisen gegeben haben könnte, das ist und bleibt für Theologen tabu.

»The Sword of Moses« ist ein weiterer apokrypher Text, der von hohen himmlischen Gefilden, von Engelwelten und geheimsten Wissen berichtet. Das Buch wird erstmals um das Jahr 1000 vom Leiter der jüdischen Akademien in Babylon, Haya Gaon, in einem Brief erwähnt. Moses Gaster (*1856; †1939), jüdischer Oberrabbiner und Gelehrter, beschäftigte sich intensiv mit dem Text und kam zur Schlussfolgerung, dass er womöglich schon vor zwei Jahrtausenden entstanden sein mag. Doch uraltes Wissen über den Kosmos passt nicht ins Weltbild von Theologen und Wissenschaftlern. Theologen wie Wissenschaftler vertreten in schöner Harmonie ein Bild von der Entwicklung des Menschen. Beide stellen den Menschen als Krone der Schöpfung oder Krone der Evolution dar. Sich besonders fortschrittlich wähnende Theologen wollen Evolution als einen von Gott ausgelösten Entwicklungsprozess verstanden wissen.

In beiden Weltbildern steht der heutige Mensch hoch oben und blickt auf seine Vorgänger herab. Eine zyklische Entwicklung (wie sie von Azteken und Mayas gesehen wurde) darf es nach beiden Weltanschauungen nicht geben. Mayas und Azteken kannten aufeinanderfolgende Zeitalter, nicht eine lineare Entwicklung von O bis jetzt. Ein Auf und Ab wird in unserer Kultur ausgeschlossen. Die Entwicklung ging langsam voran, vom Primitiven zum Aktuellen. Wir sind demnach allen Vorgängerkulturen haushoch überlegen. Ausgeschlossen wird, dass es schon in grauer Vorzeit Kulturen gegeben hat, die uns ebenbürtig oder gar überlegen waren.

Der Mensch steht zu Beginn des dritten Jahrtausends an der Schwelle zum Kosmos. Wird uns der Sprung ins All gelingen? Oder löschen wir uns vorher selbst aus? Ausgeschlossen wird, dass das womöglich schon vor Jahrtausenden so war, und das womöglich nicht nur einmal, sondern wiederholte Male.

Was erkennen wir? Was verstehen wir? Oder besser gefragt: Was können wir verstehen? Wir können nur »verstehen«, was man uns beigebracht hat. Wirklich verstehen aber heißt meiner Meinung nach, auch Neues, bislang Unbekanntes begreifen. Um das zu können, müssen wir stets dazu bereit sein, das Erlernte ständig zu hinterfragen und womöglich als falsch zu erkennen. Das wiederum ist die erste Voraussetzung für ein Vorankommen beim Begreifen der Wirklichkeit. Ich formuliere es etwas bescheidener: Wir werden nur den Versuch unternehmen können, etwas mehr von der Wirklichkeit zu erfassen, wenn wir dazu bereit sind, bislang als gesichert geltende »Erkenntnisse« rigoros über Bord zu werfen. Bisher standen alle vermeintlich wissenschaftlichen Doktrinen auf recht wackeligen Beinen.

Foto 3: Der »Azteken-Kalender«
dokumentiert den Glauben an eine zyklisch ablaufende Zeit.
Foto Ingeborg Diekmann

Lange Zeit habe ich gebraucht, bis mir klar wurde, dass ich in Schulen und an der Universität nicht gelernt habe, selbständig zu denken. Vielmehr wurde mir beigebracht, was als vernünftig und somit richtig zu gelten hatte und was nicht hinterfragt werden darf.

Voraussetzung für wirkliches Weiterkommen auf dem weiten, weiten Feld der Erkenntnis ist allerdings die Bereitschaft, alles, was bislang als vernünftig und richtig gegolten hat, zu hinterfragen. Es hat im Verlauf der Menschheitsgeschichte nur deshalb eine Weiterentwicklung gegeben, weil es immer wieder Pioniere gegeben hat, die das etablierte Denken abgelehnt und ganz neue Wege entdeckt haben. Sie haben in der Regel nur mit großer Anstrengung den engen Horizont ihrer Zeit überwunden und sind zu neuen Horizonten aufgebrochen.

Angeblich war es der weise Konfuzius (*551 v.Chr.; †479 v.Chr.), der folgenden Sinnspruch formuliert hat: »Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen.« Eine alte Volksweisheit besagt, dass nur tote Fische mit dem Strom schwimmen. Aber es ist vollkommen gleichgültig, ob man mit oder gegen den Strom schwimmt, wenn es einem genügt, im Fluss zu bleiben. Wenn wir aber das weite, weite Feld der Erkenntnis zu beiden Uferseiten erkunden wollen, dann werden wir wohl oder übel aus dem Fluss klettern müssen. Dann, und nur dann können wir das weite, weite Land, das vor uns liegt, erkunden. Nur dann werden wir die Welt kennenlernen können!

Bequemer ist es allerdings, weiter zu schwimmen wie bisher und zu behaupten, außerhalb unseres Ambientes gebe es nichts. Dann können wir weiter glauben, dass die Welt am Ufer endet.

Es gibt eine weite, große Welt altehrwürdiger Überlieferungen. Eine Vielzahl »heiliger Texte« finden wir in dieser weiten, weiten Welt. Verstehen wir diese Texte, diese Überlieferungen? In der Regel verlassen wir uns auf »Experten«, die uns erklären, wie die alten Texte und Überlieferungen zu verstehen sind. Diese »Experten« freilich sind in der Regel im Studium nicht deshalb schnell vorangekommen, weil sie selbst gedacht oder gar altehrwürdige »Erkenntnisse« hinterfragt haben. Vielmehr haben sie brav übernommen, was ihnen vorgedacht wurde. Und ihnen folgen wiederum die mit Erfolg nach, die wiederum ihre »Erkenntnisse« hinnehmen und mit Eifer bestätigen. Nur die wenigsten »Experten« wagen es, den Strom zu verlassen und an Land zu gehen. Dort aber warten die wirklich neuen Erkenntnisse. Es kann sein, dass man dann nicht nur neues Wissen hinzugewinnt, sondern bislang als gesichert geltendes »Wissen« als falsch erkennen muss. Voraussetzung ist aber, um im Bild zu bleiben, dass man den Mut aufbringt, den bewährten Fluss zu verlassen.
Sind wir dazu bereit?

Foto 4: Bei den Mayasfolgte Epoche auf Epoche,
auf einen Untergang ein neuer Anfang.

Bei den Mayas (3) folgte Epoche auf Epoche, auf einen Untergang ein neuer Anfang. Die sich so zivilisiert wähnende Menschheit von heute scheint zielstrebig auf ein Ende hinzuarbeiten, auf das es einen Neuanfang ohne Menschheit geben wird. Es ist möglich, dass der Mensch eine Zukunft auf einer endlosen Reise ins All erleben wird. Es ist aber auch möglich, vielleicht sogar wahrscheinlicher, dass sich die Menschheit selbst auslöschen und in der Geschichte des Iniversums weniger als eine kleine Fußnote sein wird. Planet Erde kommt ganz ausgezeichnet ohne uns Menschen zurecht. 

Fußnoten
(1) »Henochbuch oder Erster Henoch« in Rießler, Paul: »Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel übersetzt und erläutert von Paul Rießler«, Augsburg 1928, Seiten 355-451
(2) »Henochbuch (slawisch) oder Zweiter Henoch/ Das Buch der Geheimnisse Gottes/ Die Offenbarungen Gottes« in Rießler, Paul: »Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel übersetzt und erläutert von Paul Rießler«, Augsburg 1928, Seiten 452-473
(3) Schele, Linda und Freidel, David: »Die Unbekannte Welt der Maya/ Das Geheimnis ihrer Kultur entschlüsselt«, Augsburg 1994, Übersetzung von »A Forest of Kings«
Westphal, Wilfried: »Die Maya – Volk im Schatten seiner Väter«, Bindlach 1991

Zu den Fotos
Foto 1: Entweder bekam Adam das »Raziel-Buch« schon im Paradies ausgehändigt... (Koberger Druck 1493).
Foto 2: ... oder Adam erhielt das mysteriöse Buch erst nach der Vertreibung aus dem Paradies (Koberger Druck 1493).
Foto 3: Der »Azteken-Kalender« dokumentiert den Glauben an eine zyklisch ablaufende Zeit. Foto Ingeborg Diekmann
Foto 4: Bei den Mayas folgte Epoche auf Epoche, auf einen Untergang ein neuer Anfang. Foto Walter-Jörg Langbein

551. »Von der Pyramide in die Unterwelt«,
Teil 551 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 09. August 2020
 



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